Ende nach elf Jahren - KBC-Sendungen aus Nauen entfallen

The Mighty KBC is leaving Nauen, Germany at the end of the year.
© kbcradio.eu

Seit 2011 wurden konstant Produktionen eines niederländischen Liebhabers über die Kurzwellensender in Deutschland ausgestrahlt. Mit Ablauf des Jahres 2022 finden diese Übertragungen nun ihr Ende.

„Konstant“ meint dabei regelmäßige Programme. Es geht also nicht um den Trend zu seltenen, teils erst kurzfristig angekündigten Sendungen, bei denen selbst aus Hobbykreisen inzwischen nach dem Nutzen solcher Aktionen gefragt wird.

KBC-Radio oder „The Mighty KBC“ ist hingegen ein durchweg laufendes, zum Portfolio des niederländischen Digitalradios gehörendes Programm. Ab 2009 nutzte es eine Mittelwellenfrequenz, deren Betrieb auf die Dauer jedoch zu kostspielig war.

Onderweg, het radioprogramma van de Wereldomroep voor vrachtwagenchauffeurs
Die Vorgängersendung bei RNW | © Nadori, CC

Ersatz bot die Kurzwelle 6095 kHz aus Deutschland. Ab 2012 war sie für einige Jahre täglich aktiv. An Arbeitstagen lief hier eine Sendung für Lkw-Fahrer, die zuvor zum Programm des seinerzeit abgeschalteten Radio Nederland Wereldomroep gehörte.

Auf Dauer ließ sich aber auch das nicht finanzieren. „Transportradio Onderweg“ verschwand, und auch das KBC-Eigenprogramm gab es ab 2016 nur noch in immer selteneren Sondersendungen.

Inzwischen kommen die gelegentlichen Ausstrahlungen auf 6095 kHz von anderer Stelle: Einem deutschen Liebhaber, der 2020 mit einem eigenen Kleinsender angefangen hatte.

Bis heute beibehalten hat der Betreiber von KBC-Radio hingegen seine wöchentlichen Kurzwellensendungen nach Nordamerika. Sie laufen aus hiesiger Sicht in der Nacht zu Sonntag, im Winterhalbjahr von 1.00 bis 3.00 Uhr auf 5960 kHz.

Im Oktober kündigte der Betreiber in seinem Programm an, wegen der steigenden Strompreise diese Sendungen zum Jahresende einstellen zu müssen, falls nicht noch weitere Sponsoren ihre Geldbörsen öffnen.

Die Drohung wird nun zur Tatsache, wenn auch nicht in Form eines ersatzlosen Entfalls: Ab 2023 gibt es Sendungen über Radio Miami International, also die einstige Kurzwellenstation von Family Radio, die heute mit dem Geld fragwürdiger Sendekunden als besonders großes Liebhaberobjekt läuft.

In Europa wird von der angekündigten Sendung (dann sonntags von 23.00 bis 1.00 Uhr auf 5950 kHz) nicht viel zu hören sein. Das ist bei der bisherigen, mit Frequenz und Antenneneinstellung auf Nordamerika ausgerichteten Ausstrahlung aus Nauen aber auch nicht anders.

Rückgrat des Sendebetriebs in Nauen ist heute Adventist World Radio, das derzeit 57 Programmstunden pro Woche bestellt.

Knapp 21 Stunden kommen von High Adventure Canada, einem der Nachfolger jener Voice of Hope, die 1997 mit Sendungen im Südlibanon angefangen hatte. Andere Nachfolger nutzen heute Kurzwellensender in Sambia und Los Angeles, letzteres wegen der explodierenden Strompreise nun ebenfalls mit massiven Einschränkungen.

Als „Bible Voice Broadcasting“ präsentiert High Adventure extrem kleinteilige, für Nahost und Nordafrika bestimmte Sendungen. Noch am ehesten in Mitteleuropa selbst zu hören sein dürften davon die tägliche Sendung von 7.00 bis 7.15 Uhr auf 9440 kHz und die sonntags ausgestrahlten Programme von 20.15 bis 20.30 Uhr auf 5935 kHz, anschließend bis 21.15 Uhr auf 6080 kHz.

Möglicherweise vorbei ist es in Nauen jetzt mit den Sendungen des 2017 verstorbenen Tony Alamo, der wegen Pädophilie in Haft war.

Zwar ist weiterhin eine Ausstrahlung des Bestellers der Alamo-Sendungen, Pan American Broadcasting, vorgesehen. Es handelt sich jedoch nur noch um 15 Minuten pro Woche: Sonntags um 15.30 Uhr auf 15205 kHz nach Indien.

Eine wöchentliche Sendung kommt aus Nauen auch von den Nachfolgern des einstigen Radio HCJB, die international jetzt als „Reach Beyond“ auftreten: Ein Programm für Tschetschenien, sonnabends von 16.30 bis 17.30 Uhr auf 9500 kHz.

Nach dem Jahreswechsel dürften noch zwei säkulare Programmveranstalter regelmäßig aus Nauen aktiv sein. Einer davon, nämlich der japanische Rundfunk NHK, wollte sich eigentlich im vergangenen Frühjahr zurückziehen.

Die vier Stunden täglicher Sendezeit für Japanisch nach Nahost, die erst 2018 an NHK verkauft werden konnten, sind auch tatsächlich entfallen. Doch noch beibehalten hat NHK lediglich anderthalb Stunden pro Woche in Russisch: An Arbeitstagen jeweils von 5.30 bis 5.50 Uhr auf 6165 kHz.

Weiterhin eingeplant ist auch die in Berlin produzierte, für Äthiopien bestimmte Sendung Sagalee Bilisumma Oromoo: Jeweils am Mittwoch, Freitag und Sonntag von 18.00 bis 18.30 Uhr auf 9610 kHz.

Wie bereits angedeutet, gibt es in Nauen außerdem einige monatliche oder überhaupt nur auf besondere Anforderung laufende Ausstrahlungen.

Noch nicht im veröffentlichten Sendeplan aufgenommen ist dabei eine jährliche Spezialität: Am Heiligabend werden zwei Sender für den Norddeutschen Rundfunk eingeschaltet.

Die Sondersendungen sind indes nicht die einzige Gelegenheit, bei der die deutsche Sprache noch heute aus Nauen erklingt. Das geschieht nach wie vor in den zugleich letzten Programmen, die jetzt noch regelmäßig für Mitteleuropa selbst ausgestrahlt werden, und zwar jeweils am Sonnabend und Sonntag von 12.30 bis 13.00 Uhr auf 6055 kHz.

Diese Sendungen kommen von den Evangelischen Missions-Gemeinden, einem seit 1987 bestehenden Missionswerk. Dessen Gründer hatten sich weder in den Landeskirchen noch in der Evangelischen Allianz (Stichwort: Evangeliums-Rundfunk) wiedergefunden.

1970 herausgegebener Sonderbriefmarkenblock der Deutschen Post

Den Rundfunkbetrieb auf Kurzwelle gibt es in Nauen seit 1959. Einem ersten, noch recht bescheidenen, als Sammlungsstück erhalten gebliebenen Sender mit 50 kW folgte 1964 eine dreh- und schwenkbare Antenne, die längere Zeit das Prunkstück von Radio Berlin International war und es bis auf eine Briefmarke schaffte.

Durch die immer stärkere Belegung der Kurzwellenbänder in Europa reichten maximal 100 kW Sendeleistung bald kaum noch aus, um sich Gehör zu verschaffen. Deshalb wurde 1972 ein 500 kW starker Sender in der Schweiz gekauft und mit einer Rundstrahlantenne in Betrieb genommen.

Mit der Machtergreifung des Pinochet-Regimes wurde Chile zu einem vorrangigen Zielgebiet. Um auch dorthin mit 500 kW senden zu können, konzipierte der Postbetrieb RFZ erneut eine spezielle Antenne.

Ein großer Ausbau folgte von 1978 bis 1981 mit Ausrüstungen aus der Sowjetunion: Zwei weitere Sender mit jeweils 500 kW und ein Komplex an großen Vorhangantennen, mit dem der Rundfunk der DDR auch den Reisenden der Transitzüge von Hamburg seine Visitenkarte gab.

Mit der DDR sollte Radio Berlin International sein Ende finden. Einen Eindruck davon, wie seinerzeit mit den Menschen umgegangen wurde, vermitteln die Aushänge im Funkhaus und eine Notiz aus der Sendestation Wiederau, die selbst eine Woche vor „Null“ nur unverbindliche Vorabsprachen festhalten konnte:

„Abstimmung mit der Deutschen Welle“Notiz vom 25.09.1990

Am 4. Oktober 1990 wurde schließlich nachträglich dokumentiert, was keine 40 Stunden zuvor im Rundfunkknotenamt Berlin-Lichtenberg geschah und von den Technikern in Nauen als gruselig empfunden wurde: Eine sehr schlichte Umschaltung um Mitternacht.

„Ab 2.10.1990 um 23.00 UTC Sendebetrieb für die Deutsche Welle aufgenommen“Niederschrift vom 04.10.1990

In der so etablierten Form lief der Sendebetrieb drei Jahre lang. 1993 kündigte die Deutsche Welle alle Ausstrahlungen aus Königs Wusterhausen und Wiederau. Die dortige Kurzwellentechnik wurde stillgelegt und später demontiert.

Parallel war gerade erst eine Mitte der 80er Jahre begonnene, umfassende Modernisierung der Sendestation Jülich in Nordrhein-Westfalen abgeschlossen worden. Nach einem Austausch der Sender und erheblicher Teile der Antennenanlage war sie auf einem Stand, der allen Ansprüchen genügen konnte.

Trotzdem fiel die Entscheidung, nun auch in Nauen zu investieren. Das entsprang weniger tatsächlichem Bedarf als eher dem politischen Wunsch, einen der Standorte des Auslandsrundfunks der DDR als Aushängeschild zu behalten.

Ein Film über den Niedergang der Firma Telefunken vermittelt Einblicke sowohl in die seinerzeit in Nauen vorhandenen Anlagen als auch die damaligen Befindlichkeiten.

Letzteres schließt jene Attitüde ein, die ihren Niederschlag in Witzen fand wie dem von den drei bedeutendsten Ländern der Welt, deren Namen jeweils mit „U“ begannen („UdSSR, USA, unsere DDR!“): Es war dann doch eine erhebliche Übertreibung, Nauen als „zweitgrößten Sender des Ostblocks“ zu bezeichnen.

Eigentlich hoffte Telefunken, im historischen Gebäude von 1920 die neuen Sender aufstellen und dazu eine flexibel nutzbare Antennenanlage erstellen zu können. Doch das zerschlug sich durch die Verfügbarkeit eines billigeren französischen Konzepts, das die Sender fest mit jeweils einer drehbaren Antenne verbindet.

Mit solchen Anlagen sollten ursprünglich die beiden Kurzwellenstationen in Frankreich modernisiert werden, was zu der Bezeichnung „ALLISS“ führte. Letztlich wurde jedoch der Standort Allouis aus dem Kurzwellenbetrieb zurückgezogen, das Projekt beschränkte sich auf den Aufbau von zwölf Sendeeinheiten in Issoudun.

Es gelang Telefunken gerade noch so, für das Projekt Nauen wenigstens die Sender beistellen zu dürfen. Danach konnte nur noch ein weiteres Exemplar der neu entwickelten Bauart nach Norwegen abgesetzt werden, wo es schon 2003 seinen Betrieb wieder einstellte.

Von 1995 bis 1997 in Nauen aufgebaut wurden vier neue Sendeeinheiten, welche die 1990 für den ständigen Betrieb von der Deutschen Welle gebuchten Altsender ablösten. Die Gästeliste der Einweihungsfeier reichte bis zum Staatssekretär der brandenburgischen Staatskanzlei.

Dreh- und schwenkbare Antenne von 1964 und dazugehörige neue Senderbude bei Nauen (Foto: „Haveljung“, Creative Commons)

Die von der Deutschen Welle als Reserve betrachtete dreh- und schwenkbare Antenne blieb noch bis ins Jahr 2000 im Einsatz und wurde dann abgekündigt. Neben ergänzenden Übertragungen von Eigenprogrammen kam sie im Rahmen einer Kooperation zeitweise auch für eine Sendung von Radio Nederland Wereldomroep (Englisch für Großbritannien und Irland am Mittag) zum Einsatz.

Nachdem ein weiterer Betrieb des Altsenders KWZ 1 nicht mehr haltbar war, wurde ein fast noch moderner Sender aus der untergehenden Station Jülich herausgeholt, in einem Leichtbau installiert und so die Antenne wieder für andere Kunden nutzbar gemacht.

Derzeit übernimmt diese Sendeeinheit einen Teil der Ausstrahlungen von Bible Voice (tageweise zu unterschiedlichen Zeiten zwischen 17.00 und 19.00 Uhr auf 15310 kHz, zwischen 19.00 und 21.00 Uhr auf 7365 oder 9715 kHz) sowie die Sendungen von Reach Beyond und Sagalee Bilisumma Oromoo.

Die anderen Sendungen laufen teils mit 125, teils mit 250 kW über die von 1995 bis 1997 aufgebauten Sendeeinheiten 1 bis 4. Deren volle Leistung von 500 kW ist ein teurer Luxus, der in Nauen schon seit Jahren nicht mehr eingeschaltet wird.

Die Deutsche Welle wiederum ist längst auch in Nauen aus den Sendeplänen verschwunden. Sie hatte den eigentlich bis 2016 geschlossenen Ausstrahlungsvertrag, der Grundlage für die umfangreichen Investitionen war, schon 2007 gegen eine Abstandszahlung von 14 Millionen Euro vorzeitig gekündigt.

Motiv war, mit dem regulären Auslaufen des Vertrags über die inzwischen eliminierte Sendestation Wertachtal (Bayern) die gesamte Programmverbreitung auf Kurzwelle im Wettbewerb neu zu vergeben.

Zwar dürfte der neue Auftragnehmer in Großbritannien auch tatsächlich einen günstigeren Preis geboten haben. Es ist trotzdem fraglich, ob die Abstandszahlung jemals wieder hereingeholt werden konnte, denn schon 2010/2011 beendete die Deutsche Welle einen großen Teil ihres Hörfunkangebots auf Kurzwelle.

Inzwischen konnte sich die Media Broadcast wieder den Auftrag für das, was jetzt noch übrig ist, sichern. Dafür bedient sie sich jedoch der Leistungen von Partnern unter anderem in Frankreich. Eine nochmalige Einbeziehung der Sender in Nauen blieb 2021 eine Episode.

 

Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 03.12.2022