Äthiopien - Neue Amhara-Sendung aufgetaucht

Im schwelenden Bürgerkrieg zwischen den größten Völkern von Äthiopien, den Oromo und den Amharen, melden sich verstärkt amharische Radiostimmen auf Kurzwelle. Jüngster, seit Mitte Mai aktiver Zugang ist ein „1888 Radio“, ausgestrahlt einmal mehr durch den französischen Sendernetzbetreiber TDF.
Die Sendungen laufen nach letztem bekanntem Stand täglich von 19.00 bis 20.00 Uhr MESZ auf 17630 kHz. Organisiert wird die Übertragung durch Radio Miami International, womit Exiläthiopier in den USA die wahrscheinlichsten Urheber zu sein scheinen.
Deren Ziele und Positionen bleiben einstweilen unklar. Zwar gibt es eine Präsentation (auf einer anderen Seite mit unrichtiger Angabe der Sendezeit), die aber nur die üblichen Allgemeinplätze enthält.

Seit 2022, mit den ausgreifenden Kampfhandlungen zwischen Milizen der Oromo und Amharen, waren bereits drei Folgen amharischer Produktionen auf den Sendern in Frankreich aufgetaucht. Bis heute liegen keine brauchbaren Informationen darüber vor, weshalb hier nur die aktuellen Sendeplätze angeführt seien.
Jüngster Zugang sind (HF-Mitschnitt) Sendungen, die nur am Dienstag, Donnerstag und Sonnabend laufen. Nachdem man anfangs direkt gegen die nächsten hier genannten Produktionen ansendete, wurde die Ausstrahlung inzwischen in den Morgen verlegt, von 6.00 bis 6.30 Uhr auf 15250 kHz.
Täglich von 18.00 bis 18.30 Uhr auf 17685 kHz kommen Sendungen, die sich zumindest bei ihrem Start durch eine äußerst schlechte technische Qualität auszeichneten. Wie außerdem zu erkennen war, handelt es sich um ein umfangreicheres Programm, in das hinein der Kurzwellensender ein- und ebenso unvermittelt wieder ausgeschaltet wurde.
Auf dem Zettel steht schließlich auch noch eine Folge von Sendungen, die sich auf das Wochenende beschränken soll: Von 18.30 bis 19.00 Uhr auf 17815 kHz.
Bei den Sendungen der Oromo, die aus ihrer Sicht seit vielen Jahren von den Amharen marginalisiert werden, ist vielfach eine Störung aus Addis Abeba zu beobachten – insofern besonders interessant, als Präsident Abiy selbst diesem Volk angehört.
Dabei gibt es neben einem lauten Rauschsignal (in dieser Aufnahme ab 1'07) auch die unverfängliche Variante „phantasievoller“ Geräusche. Diese sollen möglichst nicht als Sabotierung auffallen und einen einfach nur schlechten Empfang vortäuschen.
Die beiden Beispiele stammen von „Raadiyoonii Dirree Shaggar“, den Hörfunkproduktionen der Oromia Public Media aus den USA. Hier soll es eine Kürzung der Sendezeiten gegeben haben, nach der noch Ausstrahlungen am Montag, Mittwoch und Freitag von 18.00 bis 18.30 Uhr auf 17575 kHz verblieben sind.
Nicht aus Frankreich, sondern aus Rumänien abgestrahlt werden die in Toronto produzierten, am Donnerstag und Sonntag pausierenden Sendungen von Arraata Biyyolessa Oromiya.
Auch sie werden gestört, worauf man seit Mai mit einem Trick reagiert, dem die äthiopische Seite bislang tatsächlich nicht zu folgen vermag: Die Ausstrahlung beginnt um 17.00 Uhr wie angezeigt auf 15445 kHz. Gegen 17.07 Uhr wird der Sender jedoch unvermittelt auf 15425 kHz umgeschaltet und bleibt für den Rest des Programms bis 17.30 Uhr dort.
In Berlin angesiedelt ist schließlich ein Klassiker: Sagalee Bilisumma Oromoo, die Produktionen der 1973 gegründeten, inzwischen von anderen Akteuren an den Rand gedrängten Oromo-Befreiungsfront OLF.
Angefangen hatte man 1988 beim Rundfunk des Sudan, der jedoch 1992 die in klassischer Geheimsendermanier abgewickelten Ausstrahlungen beendete. Zu einer Wiederaufnahme kam es 1995, als sich die Möglichkeit zur freizügigen Nutzung der von der Deutschen Welle aufgegebenen Sender bei Jülich eröffnete.
Inzwischen kommt die Sendung aus Nauen, nach einem seit Jahren unverändert gebliebenen Schema: Jeweils am Mittwoch, Freitag und Sonntag von 19.00 bis 19.30 Uhr auf 15420 kHz, außerhalb der Sommerzeit nach MEZ eine Stunde früher und auf 9610 kHz.
Anlaufpunkt für Sagalee Bilisumma Oromoo war längere Zeit das „Oromo Horn von Afrika Zentrum“ in Berlin. Dessen Finanzierung hatte der Senat 2020 eingestellt. Das Radioprojekt blieb, soweit erkennbar, davon unberührt.

Von den Entwicklungen in Tigray keineswegs unberührt blieben hingegen die Sendungen in dieses Zielgebiet: Sie dürften inzwischen alle verschwunden sein.
Als letzte verabschiedete sich im Dezember 2022 die Dimtse Woyane Tigray. Diese Produktionen schienen aus dem Funkhaus Mekele zu kommen. Wirklich geklärt werden konnte das nicht.
Schon nach wenigen Ausgaben wieder entfallen war 2022 die Nutzung der Kurzwellensender in Frankreich durch ein Projekt in Kenia. Dessen Betreiber waren nach eigener Aussage zuvor für äthiopische Medienhäuser tätig und hätten „persönliche Horrorgeschichten durchgemacht“, seien „Inhaftierung und Bestrafung entgangen“.
Entsprechend fielen die Beiträge dieser „Axumite Media“ aus, etwa ein Kommentar, der im Nobelkomitee einen „außerhalb des Bereichs der Menschlichkeit“ stehenden Unterstützer von Kriegsverbrechern sah.
Inzwischen hat sich dieses Projekt in „Yabele Media“ umbenannt.
Beitrag von Kai Ludwig,
mit Informationen von Tony Rogers und Alexander Busneag;
Stand vom 18.06.2023