Mit der Bürgerkriegspartei Fano - Radiopropaganda in Äthiopien

Äthiopien mit Tigray und Amhara
Bundesstaaten von Äthiopien; grün um die Hauptstadt Addis Abeba = Oromia | © TUBS, CC-BY-SA

Der anhaltende Bürgerkrieg in Äthiopien wird auch mit dem Mittel des Hörfunks geführt. Dabei erhält mit der Fano-Miliz eine unmittelbare Kriegspartei weiterhin Zugang zu den Kurzwellensendern in Frankreich.

Die Fano-Sendungen laufen derzeit täglich von 17.00 bis 17.30 Uhr auf 17685 kHz. Zumindest 2022, kurz nach ihrem Start, zeichneten sie sich durch eine sehr schlechte technische Qualität aus.

Technische Unterlagen nennen dazu den Programmnamen „Amharic Radio International“. Aufzufinden ist damit zunächst nur ein Youtube-Kanal, der seit Herbst 2022 nicht mehr bespielt wurde. Dort vorhanden sind vier der ersten Sendungen.

Die Fano („Jugend“) ist eine Miliz, die sich nach der Erklärung des Kriegsendes in Tigray gegen die äthiopische Zentralregierung und ihr Militär gewendet hat. Teile des an Tigray angrenzenden Bundesstaates Amhara sollen seit dem Sommer unter ihrer Kontrolle stehen.

Moresh Wegenie Amara Organization
© http://moreshwegenie.org

Anfang 2023 wieder auf den Sendern in Frankreich aufgetaucht (oder wieder aufgefunden worden) war Amara Dimts Radio. Es soll derzeit am Dienstag, Donnerstag und Sonnabend von 5.00 bis 5.30 Uhr auf 9590 kHz sowie nur sonnabends auch von 17.00 bis 17.30 Uhr auf 15710 kHz zu hören sein.

Urheber dieser Sendungen ist eine „Moresh Wegenie Amara Organization“, die im US-amerikanischen Exil arbeitet. Deren Internetauftritt beschränkt sich auf die üblichen Allgemeinplätze, aufgeschrieben noch unter den Gegebenheiten, die in Äthiopien vor Jahren bestanden.

We are on air. Tune in at 17630 kHz everyday 1:00 PM EST
Schon damals mit unrichtigen Angaben: Die Ankündigung des Sendestarts | © 1888radio.org

Jüngster Zugang auf den Sendern im zentralfranzösischen Issoudun war im Mai 2023 1888 Radio, wohl wiederum aus dem US-Exil und mit dem Slogan „ein Amhara für alle Amharen“. In der aktuellen Wintersaison laufen diese Produktionen täglich von 18.00 bis 19.00 Uhr auf 17640 kHz.

Oromia Public Media – Raadiyoonii Dirree Shaggar
Archivbild vom Sendestart 2021 | © https://twitter.com/MediaOpm

Ebenfalls aus Frankreich abgestrahlt wird eine der Sendefolgen aus den Reihen des Volkes der Oromo: Das „Raadiyoonii Dirree Shaggar“ einer Oromia Public Media, einmal mehr aus den USA, derzeit täglich von 17.00 bis 17.30 Uhr auf 17575 kHz.

An diesen Sendungen ist besonders gut aufzuzeigen, wie man in Addis Abeba mit „Feindsendern“ umgeht, nämlich indem man sie nach alter Sitte mit Störsignalen belegt.

Das kann einmal ein ganz schlichtes Rauschen sein, wie es in dieser Aufnahme bei 1'07 eingeschaltet wird. Wenn es diskreter sein soll, damit arglosen Rundfunkhörern die Sabotierung möglichst nicht als solche auffällt, gibt es die unverfängliche Variante mit „phantasievollen“ Geräuschen.

Nicht aus Frankreich, sondern von anderen Standorten kommen die beiden weiteren, als aktuell aktiv bekannten Oromo-Programme.

Aus Rumänien sendet Arraata Biyyolessa Oromiya, ein Produkt aus Toronto, in dem die Abiy-Regierung umstandslos „Regime“ genannt wird. Die Sendungen laufen außer donnerstags und sonnabends von 17.00 bis 17.30 Uhr.

Auch sie werden gestört, worauf man in den vergangenen Monaten mit einem Trick reagierte, dem das Störkommando in Addis Abeba tatsächlich nicht zu folgen vermochte: Die Sendung begann jeweils auf der angekündigten Frequenz 15445 kHz. Um 17.07 Uhr wurde der Sender in Galbeni bei Barchau dann unvermittelt auf 15425 kHz umgeschaltet.

Die Sendeanlagen bei Nauen nutzt schließlich ein absoluter Klassiker: Sagalee Bilisumma Oromoo von der 1973 gegründeten, inzwischen von anderen Akteuren an den Rand gedrängten Oromo-Befreiungsfront OLF.

Angefangen hatte man 1988 beim Rundfunk des Sudan, der jedoch 1992 die in klassischer Geheimsendermanier abgewickelten Ausstrahlungen beendete. Zu einer Wiederaufnahme kam es 1995, als die von der Deutschen Welle aufgegebenen Sender bei Jülich zur freizügigen Nutzung geöffnet wurden.

Anlaufpunkt für Sagalee Bilisumma Oromoo war über längere Zeit das „Oromo Horn von Afrika Zentrum“ in Berlin. Hier geschah 2020 bereits das, was im Falle des Kulturzentrums Oyoun gerade Staub aufwirbelt: Die Einstellung der Finanzierung durch den Senat.

Das Zentrum scheint seine Arbeit eingestellt zu haben. Die Radiosendungen blieben davon unberührt und kommen weiter nach dem seit Jahren unverändert gebliebenen Schema: Jeweils am Mittwoch, Freitag und Sonntag von 18.00 bis 18.30 Uhr auf 9610 kHz.

In diesem Fall ist ebenso etabliert, wie während der Sommerzeit verfahren wird: Dann läuft die Ausstrahlung von 19.00 bis 19.30 Uhr auf 15420 kHz.

Bei den anderen genannten Sendungen ist, sofern es nicht zu weiteren Änderungen kommt, ab 31. März 2024 ebenfalls mit jeweils eine Stunde späteren Sendezeiten und dazu gegebenenfalls neuen, nicht absehbaren Frequenzen zu rechnen.

Davon ausgenommen ist die Sendung aus Rumänien. Hier könnte es zwar auch eine Frequenzänderung geben. Der Sendeplatz selbst liegt jedoch sowohl nach „Winterzeit“ als auch nach Sommerzeit stets um 17.00 Uhr.

Sender Issoudun
Die alten Kurzwellenantennen in Issoudun, mit denen vermutlich die Sendungen von Fano, Moresh Wegenie und 1888 Radio abgestrahlt werden. | © David Gestalder, CC-BY-SA

Still geworden ist es um Tigray. Als letzte verschwanden Ende 2022 die Sendungen (natürlich aus Addis Abeba gestört) der Dimtse Woyane Tigray.

Andere hatten schon nach wenigen Ausgaben das Kurzwellenradio wieder aufgegeben, machen aber online weiter, nach einer Umbenennung jetzt als Yabele Media.

Die Mitglieder dieses in Kenia arbeitenden Stabes haben in ihren eigenen Worten „persönliche Horrorgeschichten durchgemacht“ und seien „Inhaftierung und Bestrafung entgangen“.

Ein Kommentar von 2021 zeigt, wie ungeschminkt Meinungen unter solchen Umständen ausfallen können: Mit der Verleihung des Friedensnobelpreises an Abiy habe sich das Nobelkomitee als „außerhalb des Bereichs der Menschlichkeit“ stehender Unterstützer von Kriegsverbrechern gezeigt.

Wie die Umstände heute aussehen, ist nachzulesen bei der Deutschen Welle:

» Tigray kämpft mit extremer Hungersnot «

 

Beitrag von Kai Ludwig
mit Informationen von Wolfgang Büschel;
Stand vom 29.12.2023