Bulgarien - Besuch bei der Senderruine Padarsko

Anfang 2012 hatte das Bulgarische Nationale Radio seinen Auslandshörfunk eingestellt. Damit beendete die leistungsfähige Kurzwellenstation in Padarsko bei Plovdiv ihren Betrieb. Acht Jahre später ist kaum mehr geblieben als die Betonhülle des einstigen Technikgebäudes.
Die Station war 1974/1975 mit zunächst zwei Sendern (jeweils 500 kW) in Betrieb gegangen und 1979/1980 um weitere drei Sender (je 250 kW) erweitert worden. Neben Eigenprogrammen des damaligen Radio Sofia übertrug sie bis etwa 1990 auch Auslandssendungen von Radio Moskau.
An neuere Sendeanlagen in der früheren Sowjetunion, insbesondere die heute noch aktive Station Grigoriopol in Pridnestrowje, erinnerte auch der Antennenpark in Padarsko: Mehrere feste Dipolwände sowie als Prunkstück eine drehbare Antenne.
Gegenstand eines Besuchs von Radio Free Europe / Radio Liberty war nun ein Technikraum der Station, der nicht mit Rundfunk, sondern mit dessen Verhinderung zu tun hatte:
Das genannte Stichwort „Blitzschlag“, im russischen Original „Molnija“, meint ein Modell von Kommunikationssendern mit einer Leistung von 15 kW. Der betreffende Raum war mit solchen Sendern gefüllt, um gleich eine ganze Anzahl von Frequenzen blockieren zu können.
Dabei beschränkte sich die Störung des bulgarischen Programms von RFE/RL keineswegs auf die Sendestation Padarsko. Der Regelfall beim 1988 beendeten „Glustschenije“ der Sowjetunion und einiger weiterer RGW-Länder war der Einsatz einer Reihe von Standorten.
Darin eingeschlossen war ein „Fernjamming“ über die großflächige Raumwellenverbreitung. Das wurde nicht nur aus der UdSSR in die „Partnerländer“ praktiziert, sondern umgekehrt auch aus der Tschechoslowakei, Polen und Bulgarien in die Sowjetunion.
Wie der Störsenderraum in Padarsko in etwa ausgesehen haben dürfte, zeigt ein Beitrag des Leningrader Fernsehens von 1989. Die dort seinerzeit von den Reportern mit der Kamera aufgesuchte Anlage befand sich in der uliza Tschapajewa 26.
Von der Sowjetunion und den „Partnern“ bis 1988 gestört wurden auch die einschlägigen Sendungen der Deutschen Welle. Für deren Mitarbeiter war es ein emotionales Ereignis, 1991 nun umgekehrt mit dem noch existierenden Kommunikationsministerium der UdSSR einen Ausstrahlungsvertrag abschließen zu können.
Beim Sender Padarsko traf das zwar nicht auf RFE/RL zu, immerhin aber auf den Auslandsrundfunk der USA insgesamt: In den 90er Jahren wurden hier einige Programme der Voice of America, insbesondere für Afrika, übertragen.

Am 31. Januar 2012 beendete das Bulgarische Nationale Radio die terrestrische Verbreitung seines Auslandshörfunks. Er wurde anschließend noch bis 2017 in der hergebrachten Form produziert und dann durch ein Onlineangebot ersetzt, das neuerdings auch wieder mit Audiobeiträgen experimentiert.
Mit Ablauf des letzten Sendetags von Radio Bulgarien verstummten die Sender in Padarsko für immer. Für die Belegschaft der Station hatte der Betreiber eine klare Perspektive zu bieten: Die Arbeitslosigkeit.
Schon wenige Monate nach der Abschaltung wurden die Antennen abgerissen und das Technikgebäude komplett ausgeräumt. Die dabei erzielten Schrotterlöse sollen die Kosten der Abbrucharbeiten überstiegen haben.
Die Österreichische Rundfunksender GmbH, die sich seinerzeit um einen Einstieg in Bulgarien bemühte, nahm dies als hoffnungsvolle Aussicht für den irgendwann kommenden Tag, an dem auch in Moosbrunn bei Wien die Anodenspannung endgültig abgeschaltet wird. Aus Kreisen der entlassenen Mitarbeiter war allerdings von massiven Veruntreuungen zu hören.

Anders erging es der älteren Kurzwellenstation von Radio Bulgarien in Kostinbrod bei Sofia. Nach einem halben Jahr gab es hier überraschend erneute Lebenszeichen.
Für den Weiterbetrieb dieser Sender sorgt eine private Firma. Zwar handelt es sich hier um eine alte, in Königs Wusterhausen schon 1993 zum Museumsexponat gewordene Bauart, die mit ihrer kleineren Leistung (50 kW, in der Vergangenheit meist in Paaren mit 100 kW eingesetzt) jedoch geringere Betriebskosten aufweist.
Dieses Konzept ging auf. Über die direkte Vermarktung an Programmveranstalter hinaus gelang es den heutigen Betreibern, sich auch als Subauftragnehmer von Media Broadcast und Encompass zu etablieren.
Bei den Ausstrahlungen aus Kostinbrod sind häufige Änderungen an der Tagesordnung. Die folgende Auflistung, mit Zeitangaben in Mitteleuropäischer Sommerzeit, kann daher nur eine Momentaufnahme sein:
So 16.00-17.00 Uhr: 17870 kHz; La Voix de Djibouti
Sa 17.00-17.30 Uhr: 15515 kHz; R. Warra Wangeelaa
So 17.00-18.00 Uhr: 9400 kHz; Isle of Music
17.29-18.27 Uhr: 11640 kHz; Radio Dabanga
17.30-19.00 (So ab 18.01) Uhr: 9400 kHz; R.G. Stair
18.00-18.55 Uhr: 11600 kHz; R.G. Stair
Sa 18.00-21.00 Uhr: 9660 kHz; BBC Somali
Mo, Mi, Sa 18.30-19.30 Uhr: 11990 kHz; Oromia Nat. M.
19.00-19.30 Uhr: 5900 kHz; Radio Taiwan Russisch
19.00-20.00 Uhr: 9720 kHz; Radio Erena
ca. 19.15-20.00 Uhr: 9490 kHz; Bible Voice
19.30-20.30 Uhr: 6100 kHz; BBC Farsi
20.00-20.30 Uhr: 11680 kHz; BBC Französisch
20.00-21.00 Uhr: 7290 kHz; IRRS-Mischprogramm
21.00-21.30 Uhr: 5900 kHz; Radio Taiwan Deutsch
21.00-21.30 Uhr: 6005 kHz; Radio Taiwan Französisch
21.31-21.46 Uhr: 5900 kHz; Bible Voice
21.45-22.00 Uhr: 9400 kHz; Bible Voice
22.00-04.55 Uhr: 5900 kHz; R.G. Stair
04.30-05.30 Uhr: 7360 kHz; BBC Farsi
05.00-05.30 Uhr: 5900 kHz; Bible Voice
So 05.30-06.30 Uhr: 7355 kHz; Radio Free Kashmir
05.30-06.30 Uhr: 9825 kHz; BBC Farsi
Autor: Kai Ludwig; Stand vom 08.07.2020