Prag - Abschied vom Mittelwellensender Zbraslav

Sender Zbraslav
© Wolfgang Lill

Der Mittelwellensender Zbraslav, am südlichen Stadtrand von Prag, stellt bald seinen Betrieb ein. Deshalb gibt es dort noch einmal eine besondere Aktion. Sie bezieht sich auf den 100. Geburtstag, den jetzt auch der tschechische Rundfunk feiern kann.

Ab 18. Mai, 12.00 Uhr, wird noch einmal für genau 24 Stunden die Frequenz 1233 kHz eingeschaltet. Zum 100. Jahrestag des offiziellen Starts von Radiožurnál überträgt sie ein letztes Mal das Programm von Radio Dechovka.

Zelená vlna
http://www.rozhlas.cz/zelenavlna

Charakteristisch für die Station Zbraslav sind ihre drei im Wald versteckten Masten. Keine konkreten Aussagen gibt es zu der sich aufdrängenden Frage, ob einer davon bis 1988 in die Blockierung von Radio Free Europe / Radio Liberty auf 720 kHz einbezogen war.

Dem regulären Programmbetrieb dienten in der Vergangenheit jedenfalls zwei Sender mit jeweils 40 kW Leistung. Einer davon übertrug bei Tageslicht auf 792 kHz Regionalsendungen.

Eine Besonderheit war in den 80er Jahren deren Erweiterung an den Nachmittagen des Freitags und Sonntags. Dann kam unter dem Namen des Verkehrsfunkdienstes Zelená vlna („Grüne Welle“) ein Magazin mit besonders hohem Musikanteil und Staumeldungen aus einem Hubschrauber der seinerzeit als Miliz bezeichneten Polizeibehörden.

Der andere Sender lief in einem Gleichwellennetz auf 1233 kHz. Diese Frequenz übertrug das einzige in Prag produzierte Hörfunkprogramm, das auch in der Slowakei ausgestrahlt wurde. Seit dem Ende des Föderalstaates führt es den traditionsreichen Namen Radiožurnál weiter.

Mittelwellennetz von Radio Dechovka
Archivbild von 2021 | © Radio Dechovka

In den letzten Jahren wurde ein solches Gleichwellennetz in anderer Konfiguration und mit geringeren Leistungen noch einmal aufgebaut. Zur Ausstrahlung kam Radio Dechovka („Messing“), das Blasmusik und auch Sendungen mit volkstümlicher Musik ohne Blech präsentiert.

2016 übernahm Radio Dechovka auch noch die Frequenz 792 kHz. Wie auf dieser Seite zu betrachten, reaktivierten Liebhaber hier nach mehr als einem Jahrzehnt die Sendestation Stěžery bei Königgrätz (Hradec Kralové).

Sender Líbeznice
Die Sendeanlage Líbeznice | © Wolfgang Lill

Die Mittelwelle 1233 kHz kann sich Radio Dechovka wegen einer massiven Preiserhöhung seit März 2021 nicht mehr leisten. Damit blieben nur noch der eigene Sender auf 792 kHz und jene Sendeanlage bei Prag, auf der 2014 alles begann.

Dieser Behelf in Líbeznice ist ein gemeinsames Werk mit Radio Impuls, das hier auf 981 kHz sein Nostalgieprogramm mit Musik aus ČSSR-Zeiten verbreitet. Jetzt sendet auch Radio Dechovka wieder von dort; aus rundfunkrechtlichen Gründen auf der neuen Frequenz 1260 kHz und das aus Kostengründen nur mit geringer Leistung.

Sender Kalundborg
Archivbild: Kalundborg; am Sendergebäude die Türme der Langwelle 243 kHz, im Hintergrund der 2012 gesprengte MW-Mast | © Niels Dreijer, CC

Nach dem Wegfall von Radio Dechovka ist in Zbraslav noch eine Ausstrahlung verblieben: Die von Country Radio auf der nachträglich erschlossenen Frequenz 1062 kHz. Zwischen 19.00 und 6.00 Uhr kann sie statt mit 20 nur mit 1 kW laufen, da in diesen Stunden die bevorrechtigte Nutzung der Frequenz in Dänemark zu schützen ist.

Das gilt weiter, obwohl es sich definitiv nur noch um Theorie handelt. Der Sender Kalundborg hat 2009 seine Ausstrahlungen auf 1062 kHz endgültig eingestellt. Die Antenne wurde drei Jahre später eliminiert.

Mit der angestrebten Schließung des Standorts Zbraslav wird zwangsläufig auch keine Ausstrahlung von Country Radio mehr möglich sein. Hier ist ein interessanter Ersatz im Gespräch, allerdings noch nicht bestätigt.

 

Beitrag von Kai Ludwig
mit Informationen von Wolfgang Lill;
Stand vom 13.05.2023