Die radioeins Konzertkritik - Róisín Murphy "Live in Berlin"

Róisín Murphy
Róisín Murphy | © IMAGO/TheNews2/Leandro Chemalle

Werbung muss die irische Musikerin und Produzentin Róisín Murphy nicht mehr für sich machen. Auch ohne war ihr Konzert gestern in der Verti Music Hall seit Wochen restlos ausverkauft. Die 50-jährige Róisín Murphy ist seit ihrer Zeit mit Moloko eine Dancefloor-Ikone und die Rave Generation der Nullerjahre hat sich an diesem Abend fein herausgeputzt und zum Feiern versammelt. Eine Vorfreude liegt in der Luft, alle haben Lust auf eine große Party und die bekommen sie. "The Time is Now".

Bei vielen Dancefloor-Acts kommen die Beats aus dem Laptop und die Visuals sind vorprogrammiert. Bei Róisín Murphy ist alles live! Drums, Percussion und Bass geben den Rhythmus vor, dazu kommen Synthesizer für die Flächen und ein Gitarrist, der extrem funky spielt. An diesem Abend ist der Sound in der Halle wie immer perfekt. Róisín Murphys Stimme steht voll im Zentrum und die Band bringt alle sofort in Bewegung.

Auch Róisín Murphy ist immer in Bewegung, aber es gibt keine Choreografie, nichts wirkt einstudiert, alles entsteht spontan. Auf der Bühne steht links ein Kleiderkoffer, und geschickt nutzt Róisín Murphy die Zeit zwischen den Tracks für Kostümwechsel, denn zu jedem Song präsentiert sie sich in veränderten Outfits. Dazu muss sie nicht von der Bühne, diese wird abgedunkelt, sie sucht kurz in ihrem Koffer und verwandelt sich. Ob im Frack oder mit Federboa, Zylinder oder mit tiefem Dekolleté... mal wirkt sie wie Madonna, mal wie eine Marlene Dietrich der Gegenwart.

Im Gepäck hat sie ihr hochgelobtes Album "Hit Parade", das 2023 in vielen Bestenlisten auftauchte, aber die Songs nehmen auf der Bühne einen ganz eigenen Charakter an. Sie und ihre Band remixen die Stücke live auf der Bühne, das gilt auch für die Moloko Klassiker "Sing It back" oder "The time Is Now". Manche sind nur am Refrain erkennbar aber das stört niemanden, denn alle tanzen und lassen sich von der Musik treiben.

Obwohl sie mit ihrer Präsenz die Bühne komplett beherrscht, ist sie keine coole Diva. Zur Überraschung aller steigt Róisín Murphy zum Track "The Universe" in den Sicherheitsraum kurz vor der Bühne hinab, umarmt Fans, schüttelt Hände und singt einfach weiter. Nick Cave macht das auch, aber bei Róisín Murphy ist es etwas anderes, denn sie feiert die Gemeinschaft mit der Dance Community und verwandelt die Halle in einen Club.

Wie spontan dieses Konzert ist, zeigen auch die Visuals zu ihren Tracks, denn sie sind nicht vorproduziert, sondern entstehen live. Es geht Róisín Murphy um den Moment, um das Jetzt. "The Time Is Now" ist das Motto des Abends. Als sie mit ihrer Band nach zwei Stunden die Bühne verlässt, werden sie für diesen grandiosen Abend gefeiert. Róisín Murphy mag Berlin so sehr, dass sie in dieser Nacht noch ins Clubleben eingetaucht ist. "Ich kannte keinen Song, habe aber vom ersten Moment und bis zum Schluss getanzt", sagte mein 16-jähriger Sohn nach dem Konzert sichtlich beeindruckt: "Es war eine perfekte Party". Die Zeit ist Jetzt!

Carsten Wehrhoff, radioeins