Dazu einige Details aus der Geschichte - Sender Grigoriopol testete auf Kurzwelle

Für Aufsehen in dem Kreis, der sich noch mit klassischem Kurzwellenhörfunk beschäftigt, sorgten einige kürzestfristig angekündigte Tests mit Programm aus Moskau. Dazu gibt es kaum aktuelle Hintergründe, aber verschiedene Details aus der Geschichte.
Die Tests kamen aus der Sendestation Grigoriopol, direkt an der moldawisch-ukrainischen Grenze. Der Standort ist ansonsten für Ausstrahlungen auf Mittelwelle bekannt und damit an dieser Stelle schon ausführlich besprochen worden.
In der zweiten Aprilwoche gab es Sendeversuche auf den Frequenzen 7465, 11530 und 12160 kHz. Übertragen wurde das laufende Programm von Westi FM.
Verwendet wurde die auf Schienen drehbare Antenne der Station, die fast nach Norden (15°) ausgerichtet war. Auf diese Weise sollte versucht werden, nördlich um Sewernaja Semlja herum Tschukotka, also den östlichsten Zipfel von Eurasien, zu erreichen.
Kommerzielle Einsätze dieser Technik gibt es seit 2022 aus, so die charakteristische Formulierung, verschiedenen Gründen nicht mehr. Der letzte bis dahin noch verbliebene Kunde, das heute als Dengê Gel auftretende kurdische Radio, sendet jetzt (in mittlerweile zeitlich reduziertem Umfang) aus Armenien.
Einer der Gründe betrifft auch die dortigen Sendeanlagen, nämlich der generelle Untergang des Verbreitungswegs. In den vergangenen Jahren sind dem Sendernetzbetreiber von Armenien fast alle anderen Kurzwellenaufträge weggebrochen.
Dieser Betreiber, der schlicht als „Radio GmbH“ firmiert (wenn in Veröffentlichungen „CJSC“ erscheint, ist das nur die originale Bezeichnung der Rechtsform), befindet sich seit Anfang des Jahres wieder im Besitz des armenischen Staates. Ministerpräsident Paschinjan bezeichnete dazu die Art und Weise, in der das Unternehmen 2010 privatisiert wurde, als „Diebstahl“.
Hinter den Kurzwellentests in Grigoriopol vermuteten manche Beobachter bereits einen weiteren Versuch, die mit der abrupten Schließung der Voice of America aufgerissene Lücke zu nutzen. Doch dazu passen weder das Programm noch die Abstrahlrichtung.
Diese deuten vielmehr auf eine Erweiterung von dem, was der russische Sendernetzbetreiber RTRS auf Mittelwelle schon seit Jahren vergeblich versucht: Die Rundfunkgesellschaft WGTRK für eine nochmalige AM-Verbreitung zu interessieren.
(Die Übertragungen auf den Grigoriopol-Frequenzen 999 und 1413 kHz sind nicht durch die WGTRK bestellt und wurden ihr auch nicht offiziell angezeigt. Zu der Frage, wer stattdessen die Ausstrahlungen bezahlt, will oder kann sich niemand konkret äußern.)

In Tschukotka wiederum begann 2019 ein, wie man selbst schrieb, ambitioniertes Vorhaben, die Einstellung der großflächigen AM-Sendungen durch die WGTRK zu kompensieren. Bei den ursprünglichen Versuchen verwendete man nicht wieder deren Programm, sondern das des 2001 in Anadyr gegründeten Radio Purga.
Um Ausstrahlungen aus Anadyr selbst ging es dabei von vornherein nicht. Dort gab es nur bescheidene Sender mit höchstens 25 kW Leistung; für Mittelwelle und für eine Frequenz, die wohl stets ein Traum europäischer Kurzwellenfans blieb: 4030 kHz.
Der großflächigen Versorgung diente eine Anlage in Arman-Radushny bei Magadan. Deren Sendegebiet dehnte sich bis in 2000 Kilometer Entfernung aus, auch für einen 1000 kW starken Langwellensender zu viel. Deshalb gab es zusätzlich mehrere Kurzwellensender mit 100 kW und Vorhangantennen, noch intakt hier zu sehen.
Es kam zu keiner Reaktivierung dieser Technik für das Pilotprojekt des Bezirks Tschukotka mehr. Zum Einsatz gelangten stattdessen die bis 2010 auch von der Deutschen Welle genutzten, im Nordwesten von Komsomolsk am Amur verstreuten Sendeanlagen (einschlägig etwa der Betriebsteil 2).

Das aus Komsomolsk abgestrahlte Digitalsignal ist inzwischen wieder verschwunden. Womöglich stellt das 7000 Kilometer entfernte Grigoriopol jetzt die einzige verbliebene Option dar, denn in den letzten Jahren wurde auch in Sibirien und dem russischen Fernen Osten intensiv an der Eliminierung der AM-Anlagen gearbeitet.
Das betraf auch die Station Krutschina bei Tschita, die seit jeher im Ausland bekannt war: Ihre Antennen präsentierten sich den Reisenden der Transsibirischen Eisenbahn in der Weise, wie der Rundfunk der DDR mit den großen Vorhangantennen bei Nauen den Fahrgästen der Transitzüge von Hamburg nach Berlin (West) seine Visitenkarte gab.
Ansonsten war es ein Mysterium, wo konkret die zahllosen Frequenzen von Radio Moskau abgestrahlt wurden; von Fotos ganz zu schweigen. Auch Sowjetbürger kannten kaum mehr als weit abseits ihrer Wege liegende, wie Gespenster am Horizont zu sehende Antennen, über die man raunte, von dort käme der Rundfunk.

In Chabarowsk wiederum gab es für den Auslandsrundfunk nicht nur Sendeanlagen, sondern auch ein Studio, dessen Monitoring 1976 die Meldung über den Tod von Mao Tse-tung aufgenommen hat. Bei der Auflösung der Stimme Russlands wurde diese Außenstelle umstandslos geschlossen.

Die bis hierher beschriebene AM-Technik war natürlich nicht der Weg, auf dem 1967 das Fernsehen Tschukotka erreichte. Das geschah über Satellit, mit einer Besonderheit: Wegen der teils sehr weit nördlichen Lage der zu versorgenden Gebiete begann die Sowjetunion erst ab 1975 mit dem Einsatz geostationärer Satelliten.
Ursprünglich stützte man sich ganz auf das Molnija-System aus jeweils vier sich abwechselnden Satelliten auf hochelliptischen Umlaufbahnen mit großer Bahnneigung und extremer Exzentrizität. Sie konnten auch arktische Regionen von hoch am Himmel bedienen.
Dazu siehe diese Animation eines Satelliten im, wie er im Russischen heißt, wysokaja elliptitscheskaja orbita. Der Jargon kam schnell auf einen prägnanten Namen, der auch Eingang in andere Sprachen fand: „Molnija-Orbit“. (Als „Tundra-Orbit“ bekannt ist eine Variante, die im zivilen Bereich bei den US-amerikanischen Sirius-Radiosatelliten angewendet wird.)
Auf die Betriebsweise mit Nachführung der Antenne ausgelegt waren die Funkbetriebsstellen des Typs Orbita. Sie entstanden auch in den Partnerländern des Intersputnik-Programms; in der DDR in Neu Golm bei Fürstenwalde.
Wie die Erfahrung der dortigen ersten Betriebsjahre (ab 1975) zeigte, konnte der regelmäßige Satellitenwechsel, bei dem die Antenne auf der hufeisenförmigen Nachführungskurve um 25° zurückgeschwenkt wurde, in weniger als 30 Sekunden gelingen. Am anderen Ende standen Einzelfälle, in denen man über Stunden den nächsten Satelliten suchte.
Eine der – angesichts der für DDR wie Sowjetunion typischen Geheimniskrämerei erstaunlich detaillierten – Veröffentlichungen behauptete, die Satellitenwechsel würden automatisch ablaufen. Das stimmte zwar nicht, lieferte aber die Idee, dies auszuprobieren: Es funktionierte tatsächlich, allerdings mit längerer Unterbrechung als bei eingespielter manueller Fahrweise.

Das alles erübrigte sich mit dem Übergang zu geostationären Satelliten. Dabei verfügte der 1978 eingeführte Typ Gorisont bereits über einen Transponder mit von 10 auf 65 Watt erhöhter Leistung, um mit stark bündelnder Antenne ein Fernsehprogramm zum dezentralen Empfang mit kleinen Anlagen auszustrahlen.
(Vorläufer für Sibirien war das von der DDR-Publizistik ebenfalls umfangreich behandelte Ekran-System mit 200 Watt im Bereich der UHF-Kanäle 51/52; auch dies mit Frequenzmodulation des Bildsignals, hier mit auf 24 MHz reduzierter Bandbreite, also „Astra-Qualität“.)
Damit avancierte das zentrale sowjetische Fernsehen zum ersten Satellitenprogramm in Europa. In der DDR diente die leistungsstarke Übertragung auf 14° West als Signalquelle für Kleinsender, die an den Garnisonsorten der Gruppe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland aufgebaut wurden.
Hier zu sehen sind ab 15'32 in den frühen 90er Jahren gedrehte Aufnahmen aus dem Berliner Fernsehturm, abgesehen von den Testbildern noch weitgehend mit der Technik aus DDR-Zeiten. Es findet sich wieder die Beschriftung „Intersputnik“, natürlich für die zur Erdfunkstelle Neu Golm gehörende Bildleitung.
Das war noch nicht alles, denn im Vorfeld der Olympischen Spiele von Moskau (1980) wurde in Neu Golm mit Komponenten der Richtfunktechnik von Rafena Radeberg ein zweiter Empfangsweg aufgebaut. Dieser ermöglichte eine – an erhebliche Empfindlichkeiten rührende – Sendeabwicklung aus dem Moskauer Fernsehzentrum Ostankino.

Den Bogen zurück nach Tschukotka schlagen mag dieser Link: Aus dem vergangenen Jahrzehnt stammende Fotos der Orbita-Station bei Pewek, an der Küste der Ostsibirischen See, 400 Kilometer nördlich des Polarkreises.
Ein Bild aus Anadyr zeigt unter anderem die dortige Orbita-Anlage. An der Ausrichtung der Antennen gut zu erkennen ist die ungünstige niedrige Position, in der sich geostationäre Satelliten in polaren Regionen befinden.
Extrembeispiel ist eine Station im Inneren der kanadischen Ellesmere-Insel, noch 830 Kilometer entfernt vom Nordpol. Da der Erhebungswinkel eines zum Fernsehempfang in Betracht kommenden Satelliten nur noch 0,5° betrug, errichtete man an einer mehrere Kilometer entfernten Stelle mit völlig freier Sicht zum Horizont eine praktisch waagerecht ausgerichtete Antenne.
Deshalb sind Satelliten in Molnija- und Tundra-Orbits für militärische Zwecke bis heute im Einsatz.
Das Panoramabild aus Anadyr gehört zu Seiten über eine Technik, die auch aus Berlin (West) bekannt ist und in Tschukotka bis 2003 der Einbindung in das Telefonnetz diente: Troposphärenscatter-Richtfunkstrecken.
Wie bereits erwähnt, gab es für den AM-Rundfunk in Tschukotka stets nur Sender mit höchstens 25 kW Leistung. Die vielleicht naheliegende Frage, ob etwa versucht wurde, auf Mittelwelle über die Beringstraße in die hier so nahen USA zu senden, ist zu verneinen.
In der anderen Richtung gibt es das hingegen tatsächlich, wenn auch nur von zwei Missionssendern, von denen einer die Reichweite seiner ebenfalls nur 50 kW starken Mittelwelle völlig übertrieben darstellt. Auch zu Zeiten der Sowjetunion blieb, wie die Veranstalter letztlich zu ihrer Enttäuschung feststellten, die Hörbeteiligung verschwindend gering.
Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 27.04.2025