USA - Kurzwellenstation WTWW am Ende

Sendeantenne von KAIJ
Kurzwellenantenne am ursprünglichen Standort bei Dallas | © Glenn Hauser

Eine weitere Fußnote der Rundfunkgeschichte kann höchstwahrscheinlich abgeschlossen werden: Zu, wie es hieß, 98 Prozent wird die Kurzwellenstation WTWW im US-Bundesstaat Tennessee eliminiert. [Nachtrag: Weitere Details zum vorherigen Verschwinden der Station WWRB.]

Diese Station entstand 1985 als Kurzwellenableger des Missionssenders KCBI in Dallas. Teile des Programms kamen zunächst von jenem Jeff White, der für sein heutiges Radio Miami International inzwischen die Kurzwellenstation von Family Radio in Florida übernommen hat.

Die Idee, aus Texas mit 50 kW und eher bescheidenen Antennen auch noch Europa zu erreichen, erwies sich als Wunschdenken. Mit dem Abgang von Jeff White versank das Projekt nach nur einem Jahr auch in Nordamerika im Vergessen, beschränkte sich ab 1988 auf wenige Sendestunden am Wochenende und verschwand schließlich ganz.

Gene Scott
Ein Archivbeitrag im heute gesendeten Programm | © Gene Scott

1992 verkaufte KCBI die Kurzwellenstation, laut damaligen Gerüchten für ganze 1000 Dollar. Die neuen Besitzer nahmen die Anlagen unter der Kennung KAIJ wieder in Betrieb und übertrugen zunächst rund um die Uhr den Fernsehton des Predigers Gene Scott.

Dieser hatte 1991 bereits eine Mittelwellenstation auf Anguilla übernommen. Nach dem Einbau zusätzlicher Technik realisierte Gene Scott ab 1996 auch seine Kurzwellenverbreitung von der Antilleninsel aus.

Seit dem Tod von Gene Scott im Jahre 2005 wird das Programm nun von dessen Witwe weitergeführt. An den Ausstrahlungen aus Anguilla hielt sie noch bis 2020 fest.

Nach dem Rückzug von Gene Scott traten zwei neue „Macher“ in Erscheinung: Ted Randall und George McClintock. Letzterer ist vor allem dafür bekannt, in Tennessee die berüchtigte Station WWCR (zu deren Klienten wiederum Melissa Scott gehört) aufgebaut zu haben.

Die neuen Betreiber knüpften an den „Erfolg“ der Trägerschaft von KCBI an: Als 2008 die Sender abgeschaltet wurden, fiel das nicht einmal Hobbykreisen auf. Erst die Mitteilungen eines Lobbyverbandes machten die Einstellung des Sendebetriebs bekannt.

Nächster Schritt war eine Umsetzung der Anlagen nach Tennessee. Dort wurden 2010 die Sendungen unter der neuen Kennung WTWW wieder aufgenommen. Wirkliche Erklärungen zu dieser Rochade gab es nicht.

Ted Randall Show
Jetzt nicht mehr auf 5085 kHz | © WTWW

Nach einem (knappen) Jahrzehnt begann der Betrieb, Schritt für Schritt wegzubrechen. Ted Randall machte schließlich den 10. November 2022 zum Tag des Abschieds und verbündete sich fortan mit Jeff White: Als „WRMI Legends“ bekam das weiterhin produzierte Programm einige Sendeplätze in Florida.

Pastor Pete Peters
Undatiertes Bild von Peters | © Youtube

Danach verbreitete McClintock Schmuddelgeschichten über seinen früheren Partner und ging daran, die Sender wieder in Betrieb zu nehmen. Geld und Programm dafür liefern sollte das Erbe des 2011 verstorbenen „Pastor Pete Peters“, der weiterhin wie eine lebende Person vermarktet wird.

Unter dem Schafspelz des Evangelisten steckte ein rechtsextremer Hetzer, gegen den, so heißt es, „Alex Jones fast noch vernünftig wirkt“. Die Polemik formuliert eine ausdrückliche Warnung an Christen mit Glaubenszweifeln: „Vorsicht – er könnte Sie dazu bringen, nichts mehr damit zu tun haben zu wollen.“

Wie McClintock jetzt den Kurzwellenexperten Glenn Hauser wissen ließ, habe er WTWW verkaufen wollen. Das scheiterte jedoch. Deshalb werde es mit den bereits zitierten 98 Prozent Wahrscheinlichkeit zur Verschrottung aller Anlagen und einer Veräußerung des Grundstücks in beräumtem Zustand kommen.

McClintock fügte noch eine dunkle Andeutung hinzu:

„Einige andere Kurzwellenstationen in den USA werden möglicherweise auch nicht mehr lange überleben.“
WWRB
Ende 2021 abgeschaltet: Die Kurzwellenstation WWRB mit dem weiterhin aktiven Flugplatz

Bereits verschwunden ist (nach einer längeren Reihe früherer Abgänge in anderen US-Bundesstaaten) die dritte der Kurzwellenstationen in Tennessee, WWRB.

In deren Fall begann alles 1995 als WGTG und später WWFV in diesem Waldstück am Dreiländereck von Georgia, Tennessee und North Carolina. Noch vorhanden ist dort das Sendergebäude. 2002 zog der Betreiber um.

In Tennessee setzte er sein erratisches Treiben fort. Mal sendete er ohne Skrupel rechtsextreme Programme, dann zeigte er sich enttäuscht von dieser Klientel und biederte sich bei Evangelisten an, nur um dann auch von diesem Kundenkreis enttäuscht zu sein und wieder in die politische Hetze einzusteigen.

Zugleich hatte jener David Frantz auf dem Grundstück ausreichend Platz für seine andere Leidenschaft: Die Fliegerei.

2018 verlor Frantz den mit Abstand größten Sendekunden: Den Sektenführer Ralph Gordon Stair, dessen über Jahrzehnte begangene Straftaten sich kurz vor dem Ende seines Lebens nicht mehr unter den Teppich kehren ließen.

Damit verblieben nur noch wenige Programmstunden pro Woche. An den Wochenenden sendete Frantz abends im 90- oder 60-Meterband bizarre, von Verschwörungstheorien geprägte Produktionen verschiedener Radioprediger, ergänzt um Alleingänge, in denen er sich seinen Frust von der Seele redete.

Wie Frantz dabei wissen ließ, seien die Sendungen nur noch eine Liebhaberei, die vor dem Hintergrund steigender Strompreise jederzeit ihr Ende finden könnte. So kam es schließlich auch, wahrscheinlich mit dem 19. Dezember 2021 als letztem Sendetag.

Dem folgte eine tragische Eskalation: Frantz erlitt einen schweren Schlaganfall, an dessen Folgen er am 2. Januar 2022 verstarb. Zu diesem Zeitpunkt war der Internetauftritt seines Rundfunksenders bereits gelöscht. Online verbleibt somit nur die vom Bestattungsunternehmen gestaltete Gedenkseite.

Für Verwirrung sorgte die Weiterführung des Flugbetriebs: Sie läuft in der Verantwortung des ebenfalls David genannten Sohns, der die Sendekunden seines Vaters hingegen abgewimmelt hat.

 

Beitrag von Kai Ludwig;
zuletzt aktualisiert am 25.06.2023