Wegen Äußerungen zur Hisbollah - Kontroverse um frühere Direktorin des BBC World Service

BBC, London
Die Zentrale der BBC in London | © Stuart Pinfold, CC-BY-SA

Der „Telegraph“ meldete sich mit einem kritischen Beitrag über Liliane Landor, die zurückgetretene Direktorin des BBC World Service. Es geht um Äußerungen auf X, für die Landor, so die Zeitung, „beschuldigt wird, die Hisbollah zu verteidigen, indem sie die Präsenz der Terrorgruppierung in Beirut als geringfügig darzustellen sucht“.

Nicht näher genannte Kritiker zitiert der Beitrag mit der Meinung, es sei jetzt erforderlich, das Verfahren zu hinterfragen, mit dem Landor 2021 als Direktorin des World Service eingesetzt wurde.

Liliane Landor wird beschrieben als „Tochter eines Libanesen und einer Kubanerin, geboren und aufgewachsen im Libanon, mit anschließendem Bildungsweg in Frankreich und der Schweiz, 1989 erstmals durch die BBC eingestellt“. Besonders betont der „Telegraph“ die Vergütung, die sie als Direktorin erhielt: Mehr als 215.000 Pfund (257.000 Euro) im Jahr.

In den monierten Tweets kritisierte Landor einerseits eine Aussage, die Hisbollah habe sich im Libanon „eingenistet“, und nannte sie einen zentralen Bestandteil des gesamten libanesischen Systems. Außerdem sei es nicht richtig, von „Hochburgen“ der Hisbollah zu sprechen, da sie in keiner Region die alleinige Kontrolle ausübe.

Landor wies die Vorwürfe scharf zurück. Es sei „irreführend und verantwortungslos“ (das erste Wort ist die zurückhaltendste der möglichen Übersetzungen von „pervert“), ihre Äußerungen als Unterstützung der Hisbollah zu deuten.

Die Zeitung brauche, so die frühere Direktorin, nur den Beitrag ihres eigenen Korrespondenten zu lesen, den sie am 21. September abgedruckt habe: „Seit dem Kollaps des Staates ist die Hisbollah so ziemlich die einzige funktionierende Organisation, die es [im Libanon] noch gibt.“

Das Funktionieren bezog sich auf die Absicherung von Leistungen grundlegender Daseinsvorsorge. Die Einschätzung, der Libanon sei nach fast allen Kriterien ein gescheiterter Staat, formulieren auch andere Stimmen.

Im Zentrum der Kontroverse steht Landors weitere Aussage, weder Dahieh bei Beirut noch der Süden des Libanon seien unzugänglich. Gerade erst hätten westliche Reporter sich live aus dem Vorort gemeldet. Die Kritiker verweisen auf den Widerspruch, in dem diese Darstellung zu jüngsten Äußerungen der Leiterin des Bereichs BBC News steht.

Liliane Landor hat seit August nichts mehr damit zu tun. Ihren (noch vor den britischen Parlamentswahlen erklärten) Rücktritt begründete sie damit, durch Budgetkürzungen zu Entscheidungen gezwungen worden zu sein, die „Schritt für Schritt unsere Reichweite und die Breite unseres Angebots reduziert“ haben.

Zu diesen seit 2022 umgesetzten Sparmaßnahmen gehörten die Einstellung der Hörfunkprogramme für die arabische Welt, den Iran, Pakistan, Bangladesch und Indonesien sowie deutliche Kürzungen der Sendezeit für Koreanisch und Burmesisch.

Auch die technische Verbreitung des englischsprachigen Radioprogramms wurde weiter eingeschränkt. Dem Wegfall der letzten Kurzwellenfrequenzen für Nahost und Ostasien folgte im vergangenen Frühjahr eine erhebliche Reduzierung der Ausstrahlung in Afrika.

Auf inhaltlicher Seite wurden die Einschnitte in den Programmen für Afrika zum Thema eines Beitrags der migrantischen Zeitung „The Voice“. Aus dem Zielgebiet stammende Redaktionsmitglieder sprachen darin von „institutionalisiertem Rassismus“, was Landor als persönlichen Angriff nahm.

Gestritten wurde auch über die Zahl der abgebauten Arbeitsplätze. Den von den migrantischen Kreisen behaupteten „mehr als 600“ stellte die BBC ihre offizielle Angabe 382 entgegen, während eine Gewerkschaft von „rund 400“ sprach.

Allseits anerkannt sind die drastischen Zahlen zur Entwicklung der Nutzung von 2022 zu 2023. Der World Service insgesamt hatte innerhalb dieses einen Jahres einen Rückgang um 12 Prozent hinzunehmen, dabei speziell der Hörfunk um 24 Prozent.

Noch dramatischer sehen, dies wieder über alle Mediengattungen, die Ergebnisse bei verschiedenen Sprachdiensten aus: Burmesisch -45 Prozent, Paschtunisch und Dari (Afghanistan) -57 bzw. -64 Prozent, Nigeria-Pidgin -71 Prozent, Indonesisch -73 Prozent, Yoruba (wiederum Nigeria) -77 Prozent.

Jetzt erwartet die BBC eine Positionierung der seit Juli amtierenden Labour-Regierung, in welchem Umfang künftig Geld aus dem Staatshaushalt für den World Service bereitgestellt werden soll. Weitergemacht wird mit den Sparmaßnahmen deshalb zunächst an anderen Stellen.

London, Bush House
1981: Blick zum Funkhaus des World Service | © E. Gammie, CC-BY-SA

Über Jahrzehnte wurde das britische Auslandsradio vom Außenministerium finanziert. Bis 2012 zeigte sich die Abgrenzung auch äußerlich mit einem separaten Funkhaus. 2010 ließ die BBC sich unter dem Druck der Torys darauf ein, auf die staatlichen Mittel zu verzichten und den Bereich World Service mit aus den Rundfunkgebühren zu bestreiten.

Der zum Umfeld von Boris Johnson gehörende BBC-Vorsitzende Richard Sharp unternahm bereits Versuche, das zurückzudrehen. Mit seinem Rücktritt fanden diese Bemühungen 2023 ein abruptes Ende.

Hierzu gibt es eine Argumentation der BBC, zu der kein Widerspruch der Politik bekannt ist: Man könne nicht das ganze Geld der Gebührenzahler in Auslandsdienste stecken und sie dann mit drastischen Sparmaßnahmen in den Inlandsprogrammen konfrontieren.

 

Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 20.10.2024