Sendegebiet Gaza - BBC wieder mit Arabisch auf Mittelwelle

Zypern, Sender Akrotiri
Die Sendeantenne 639 kHz auf Zypern | © Alexander Sawin

Ende Januar hatte die BBC ihr arabisches Hörfunkprogramm eingestellt. Jetzt gibt es schon die zweite Ausprägung einer Neuauflage: Auf Kurzwelle ausgestrahlten Sendungen für den Sudan folgte eine erneute, für den Gazastreifen bestimmte Nutzung der Mittelwelle.

Begonnen wurde am 1. November mit einer täglichen Sendung von 16.00 bis 16.30 Uhr MEZ. Vom 10. November an soll noch eine Morgensendung um 6.00 Uhr folgen.

Abgestrahlt wird auf der Mittelwelle 639 kHz aus Zypern. In Mitteleuropa ist davon so gut wie nichts zu hören, da die aus vier Türmen bestehende Antenne das Signal nach Süden richtet.

We are working on reactivating 639 kHz from Cyprus. If it works it’ll be a programme in Arabic
© @AbdallaBBC

Im Vorfeld ließ ein Mitarbeiter der BBC auf der früher als Twitter bezeichneten Plattform wissen, man arbeite an einer „Reaktivierung“ dieser Frequenz und wolle, „falls es funktioniert“, hier erneut arabische Sendungen übertragen.

Offensichtlich glaubte man, die Sendeanlage sei außer Betrieb. Doch dem war nicht so, denn das Unternehmen Encompass, das nach der Privatisierung für das einstige Sendernetz des BBC World Service verantwortlich zeichnet, konnte in der Zwischenzeit einen neuen Kunden gewinnen.

Seit Juli sendet auf 639 kHz abends, nach MEZ jetzt von 20.00 bis 22.00 Uhr, das saudische Al Arabiya.

Ursprünglich zielte das auf den Sudan, bis der Inhalt der Sendungen quasi automatisch auf den Nahen Osten umschwenkte. Dabei enthält das gerade erst geschaffene, bislang hauptsächlich in Saudi-Arabien auf UKW ausgestrahlte Radioprogramm von Al Arabiya zumindest während der Mittelwellen-Sendezeit nur noch den Fernsehton.

Radiostudio für arabisches BBC-Programm
Heutiges Studio des arabischen Radioprogramms der BBC im ursprünglichen Zustand | © Stuart Pinfold, CC-BY-SA

Spezielle Sendungen für den Sudan hatte die BBC bereits am 2. Mai gestartet, in diesem Fall auf Kurzwelle. Das Format entsprach weitgehend den jetzigen Gaza-Sendungen, deren Ankündigung folglich in identischem Sound daherkam.

Einziger Unterschied in der Kommunikationsstrategie: Durfte der zuständige Redakteur damals einen anmutigen Text für die „Sunday Times“ verfassen („Seven days to build a BBC radio lifeline for the people of war-torn Sudan“), gab es diesmal ein Statement im eigenen Programm.

Der Sudan-Dienst verschwand zum 29. Oktober kommentarlos von der Bildfläche. Es bleibt das Geheimnis der Verantwortlichen, wie man das begründen will, ohne die ganze Initiative als reinen PR-Stunt kenntlich zu machen. Der Bedarf für sie ist keineswegs entfallen, was man auch der Berichterstattung der eigenen Redaktion hätte entnehmen können.

Die BBC fand hier noch einen Nachahmer: Im Juni begann auch die Deutsche Welle mit solchen Sendungen. Sie sollen nach derzeit bekanntem Stand zum Ende des Jahres entfallen.

BBC, 27. Januar 2023
Die letzten Sendeminuten | © BBC

Ihr reguläres arabisches Hörfunkprogramm hatte die BBC am 27. Januar 2023 abgeschaltet. Wie emotional sich das gestaltete, war parallel auch im Fernsehen zu sehen.

BBC Arabic: Trending
PR-Foto zum Start der Sendung | © BBC

Eben dieses Fernsehprogramm stand bereits im Fokus einer kritischen Diskussion, und zwar mit der 2017 gestarteten Sendung „Trending“, die in den Worten der BBC „die beliebtesten und interessantesten Geschichten aus sozialen Netzwerken auswählt und tiefer einsteigt“.

Die „Daily Mail“ beschuldigte die BBC, in dieser Sendung kritiklos Äußerungen zitiert zu haben, laut denen „das Coronavirus ein Ergebnis von Homosexualität sei, Gays lebenslang inhaftiert werden sollten und die Regenbogenflagge ‚ein Zeichen des moralischen Niedergangs‘ sei“.

„The Jewish Chronicle“ erweiterte die Vorwürfe:

„BBC Arabic gab Social-Media-Einträgen, die ‚zionistischen Terrorismus‘ attackierten und Phantasien über eine Zerstörung von Israel bejubelten, eine Plattform.“

In den zu diesen Vorwürfen zitierten „Trending“-Ausgaben von 2019 und 2020 ging es in einem Fall bereits um Vorgänge in Berlin. Dort geriet kurz danach auch die arabische Redaktion der Deutschen Welle in schweres Fahrwasser.

Schaut man sich deren Programm heute an, vermittelt die aktuelle Berichterstattung eine Anmutung großer Vorsicht bis hin zu spürbarem Unbehagen der Art, es eigentlich lieber sein lassen zu wollen. Dieser Eindruck steht natürlich unter dem großen Vorbehalt, ohne Sprachkenntnisse die Inhalte der Sendungen nicht weiter einschätzen zu können.

Souvenir mit zwei Fotos der 2015 stillgelegten Sendestation (Standort in der Kartenskizze rechts; links der weiterhin auf 639 kHz aktive Sender)

Bei der BBC wiederum offenbarte sich 2013 ein spezieller Bezug zu Israel: Von dort kamen Beschwerden, weil die Ausstrahlung des englischen Hörfunk-Weltprogramms auf Mittelwelle eingestellt wurde. Es galt, ganz im Gegensatz zu den später geäußerten Vorwürfen, als wichtige objektive Informationsquelle.

Die Resonanz hatte ein Ausmaß, das die BBC zur Veranlassung nahm, die betreffende Frequenz 1323 kHz noch einmal einzuschalten, bis es ab 2015 nicht mehr möglich war, den Betrieb noch weiter fortzusetzen.

Diese Mittelwelle kam aus der alten, auf die 50er Jahre zurückgehenden Sendestation östlich von Limassol, die nun eliminiert werden sollte. Schwerpunkt war hier der Kurzwellenbetrieb mit zehn Sendern, der 2013 durch den schrittweisen Rückzug der BBC aus diesem Verbreitungsweg sein Ende fand.

Bis 2008 hatte die BBC den Standort ergänzend auch dafür genutzt, einige Programme – eingeschlossen die bereits 1999 eingestellten deutschen Sendungen – zurück nach Europa abzustrahlen.

 

Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 05.11.2023