Radio Free Europe / Radio Liberty - Sender Biblis testet auf 3975 kHz

Radio Free Europe / Radio Liberty scheint derzeit alle erdenklichen Optionen in Betracht zu ziehen: In der Nacht zum 27. Januar testete die Sendestation bei Biblis (Hessen) ihre Abstrahlmöglichkeit im 75-Meterband, von der regulär seit den 90er Jahren kein Gebrauch mehr gemacht wird.
Aufgefallen ist das Signal um 1.44 Uhr. Wie aus dem Umfeld des US-Kurzwellenexperten Glenn Hauser gemeldet wird, blieb der Sender bis genau 9.00 Uhr eingeschaltet.
Der Betriebsversuch lief auf 3975 kHz. Übertragen wurde die Ansageschleife, die RFE/RL auf seine gerade nicht genutzten Sendeleitungen gibt (zu hören über Hotbird-Satellit, meist auch in zumindest einem dieser Fragmente).
Von den heute noch existierenden Sendeanlagen des Auslandsrundfunks der USA verfügt nur die Station bei Biblis über die Möglichkeit, im 75-Meterband zu arbeiten. Der beobachtete Test kam also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von dort.
Einen Zusammenhang mit dem auf 3975 kHz aktiven Liebhabersender dürfte es nicht geben. Im Zweifelsfall wird die Station Biblis dessen Signal mit ihrer hundertfachen Sendeleistung umstandslos auslöschen.
Das 75-Meterband ist eine Ergänzung des 49-Meterbandes, das sich tagsüber für die Versorgung des Umkreises bis etwa 1000 Kilometer eignet, was Radiohersteller zu dem Werbebegriff „Europaband“ inspirierte. In Winternächten funktioniert das jedoch kaum, da sich dann auch in diesem Frequenzbereich um 6 MHz eine beträchtliche „tote Zone“ ausbildet.
Als Ausweichmöglichkeit wurde deshalb auch in Europa der Frequenzbereich von 3950 bis 4000 kHz zusätzlich für den Rundfunk reserviert. RFE/RL nutzte ihn aus Biblis einst für seine Programme in Russisch (3960 kHz), Tschechisch und Slowakisch (3970 kHz) sowie Polnisch (3990 kHz).
Aus Ismaning bei München wiederum sendete auf 3980 kHz jene amerikanische Stimme, die in den Nachkriegsjahren zur deutschen Rundfunklandschaft gehörte:

Tatsächlich richtig war in diesem Programmheft die Ausweisung der Kurzwelle 48,47 Meter (6190 kHz) unter Frankfurt: Hier sendete von 1948 bis 1954 der Hessische Rundfunk, da dessen einstige Hauptfrequenz 1195 kHz für Ausstrahlungen der VOA aus Ismaning beschlagnahmt wurde.
Schon wenige Jahre später war es nicht nur mit diesen Übernahmen durch die ARD-Anstalten in der amerikanischen Besatzungszone, sondern mit den deutschen Sendungen aus Washington insgesamt vorbei. Sie galten als überflüssig, da die damalige U.S. Information Agency mit dem RIAS auch in Berlin aktiv war.
Mit dem Rückzug der USIA aus dem RIAS kam es 1991 zu einer Wiederaufnahme. Diesmal blieben der VOA dafür nur ihre eigenen Sendekapazitäten, wobei sie parallel auch den Betrieb der sehr alten, größtenteils noch von der Reichsrundfunkgesellschaft stammenden Kurzwellentechnik in Ismaning beendete.
Ersetzt wurde sie durch eine Mitnutzung der primär für die Deutsche Welle bestimmten Sendestation Wertachtal bei Buchloe. Davon ausgenommen blieb jedoch die Frequenz 3980 kHz: Deren Betrieb übernahm die Station Biblis und übertrug damit erstmals auch Programme in deutscher Sprache.
Neben den Frequenzen 1197 und 3980 kHz aus Ismaning bzw. Biblis setzte die VOA für die deutschen Sendungen noch eine dritte Frequenz ein. Auch dafür nutzte sie, im Vorgriff auf die 1994 vorgenommene Zusammenlegung der sendetechnischen Infrastrukturen, bereits Kapazitäten von RFE/RL.
Dabei handelte es sich um die Sendestation Glória in Portugal. Die dortige Ausstrahlung der deutschen VOA-Sendung lief zeitweise auf 6030 kHz, der seinerzeit vom Süddeutschen Rundfunk genutzten Kurzwellenfrequenz. Hinter vorgehaltener Hand fiel in Stuttgart dazu der Kommentar „Besatzungsmacht“.

Die Wiederaufnahme der deutschen VOA-Sendungen blieb ein Strohfeuer. Schon 1993 landeten sie endgültig, wie es in der letzten Ausgabe hieß, im Sparschwein des amerikanischen Fiskus.
Dorthin folgte ihnen 1996 die Station Glória. Einige ihrer früheren Sender sind in Griechenland (ERT, 9420 kHz), in Kuwait sowie in den USA (Radio Martí) bis heute im Einsatz. Die Antennen wurden 2005 abgerissen, das ausgeräumte Technikgebäude blieb in verwüstetem Zustand zurück.
Autor: Kai Ludwig; Stand vom 27.01.2022