In die Stille um Domradio hinein - Ein Grundsatzkommentar zur katholischen Medienarbeit

Kölner Dom
Der Kölner Dom | © Kai Ludwig

Der Wirbel des Jahres 2024 um das Domradio des Erzbistums Köln scheint sich im Sande verlaufen zu haben. In diese Stille hinein meldete sich jetzt die Chefredakteurin des „Pfarrblatts“ der katholischen Kirche in Bern mit einem Grundsatzkommentar.

Darin heißt es:

„Mehrheitlich versteht man unter Kirchenjournalismus nach wie vor eine höchstens pseudokritische Hofberichterstattung. [...] Wenn [kirchliche Medien] Missstände thematisieren, wird gerne ein Loyalitätskonflikt herbeigeredet. [...] Mit dieser Einstellung aber schadet sich die Kirche langfristig selbst.“


Zur Begründung verweist die Autorin Annalena Müller auf das Ende der Zeiten einer Volkskirche mit allgemeiner Kenntnis ihrer Gepflogenheiten. Das Ergebnis:

„In den Mainstreammedien taucht die Kirche heute primär bei Skandalen und «Prominews» auf – Missbrauch, Papst, Bischöfe und Ordensfrauen generieren nach wie vor verlässlich Klicks. Für alles, was darüber hinausgeht, fehlen den Medienhäusern die Ressourcen und die fachlichen Kenntnisse.“


In der Tat kann zum Beispiel an dieser Stelle nur offengelassen werden, was die unten erwähnte „Diözesanstelle für Berufungspastoral“ eigentlich macht. Andere Veröffentlichungen zum Thema Domradio setzten den für Außenstehende unverständlichen Begriff von vornherein in Anführungszeichen.

Zur ganzen Wahrheit gehört weiterhin die Arbeit des Portals Katholisch.de. Dort schreckt ein Beitrag mit der Überschrift „Theologin: Katholische Kirche trägt Mitschuld an religiösem Trump-Kult“ nicht vor der Wiedergabe folgender Meinung zurück:

„Diese Entwicklung sei eine Schande für das Christentum, das nun die Früchte ernte, die es selbst gesät habe, so Haker. Nicht zuletzt die Aussage von Papst Franziskus, Katholiken sollten sich bei der US-Wahl 2024 für das »kleinere Übel« entscheiden, habe die katholische Kirche zur Komplizin des christlichen Trump-Nationalismus gemacht.“


(Ähnlich auch: „Theologe kritisiert religiöse Inszenierung bei Trump-Einführung“. Einen Teil dieser Berichterstattung hat Radio Vatikan / Vatican News aufgegriffen, geht dabei über die Rolle des Papstes hinweg und weicht darauf aus, die US-Bischofskonferenz zu zitieren.)

Von der katholischen Kirche unterstützt wurden auch die Dreharbeiten einer ausgesprochen kritischen NDR-Produktion über das Missbrauchssujet: Dem Tatort „Schweigen“.

Stand vom 26.01.2025



Die Berichterstattung bis zum November 2024:


Nach jahrelangen kritischen Diskussionen über sein Logo hat sich Domradio auf einmal davon getrennt. Die Entscheidung fiel, nachdem das auf der Spitze stehende rote Dreieck in der Übertragung eines Friedensgottesdienstes für den Nahen Osten in besonders prekärer Weise an die Hamas erinnert hatte.

Dort, wo das überhaupt sofort umsetzbar war, ist das Dreieck entfernt worden. Als Torso des bisherigen Logos verblieb ein Feld mit der Internetadresse des „Multimediasenders“ in Negativschrift. Ein neues Design soll im kommenden Halbjahr fertig sein.

Bei der Einführung des Logos im Jahre 2017 hieß es, in ihm solle die Dreifaltigkeit zum Ausdruck kommen. Kopfschütteln gab es schon seinerzeit, weil politische Häftlinge in den Konzentrationslagern der SS mit eben solchen roten Dreiecken gekennzeichnet wurden.

Nach den Schlagzeilen des Frühjahrs und Sommers war es in den vergangenen Monaten ruhig geworden um Domradio. Nach wie vor aktuell sein könnte die Aussage, die umstrittene Herauslösung aus dem Bildungswerk des Erzbistums sei bislang nicht offiziell der Landesanstalt für Medien angezeigt worden.

Sollte dem so sein, hätte das zuletzt gemeldete Schreiben des Programmbeirats an die LfM keinen Bezug. Eine Einschätzung, ob die vorgenommenen personellen Veränderungen bereits, wie befürchtet, auf das publizistische Profil von Domradio durchgeschlagen haben, kann von dieser Stelle aus nicht geleistet werden.

Nach Ansicht des Kölner Stadt-Anzeigers ist der neue Chefredakteur Renardo Schlegelmilch nicht als linienkonform bekannt, wenn auch „weniger kantig in der kirchenpolitischen Positionierung“ als sein Vorgänger. Nun sei „gewaltiger Druck von oben zu erwarten“ und „unklar, wie der neue Mann dem gewachsen sein“ werde.



In dem im Juli verschickten Schreiben hieß es:

„Noch bis vor wenigen Wochen [war] von Rücktrittsabsichten oder Vertragsauflösung nicht die Rede. Dem Vernehmen nach soll Herr Brüggenjürgen sich in den Wochen danach über die Einmischung in redaktionelle Inhalte durch den neuen zweiten Geschäftsführer nachhaltig in seiner Unabhängigkeit beeinträchtigt gesehen haben.“


Gemeint ist der Gründungs-Chefredakteur von Domradio, der seine berufliche Tätigkeit mit Ablauf des August beendet hat; im Alter von nur 62 Jahren und, was besonders verwundert, kurz vor dem 25. Jahrestag seines Antritts. Dazu war die Rede von „Brüskierung und Demütigung“.

Der neue zweite Geschäftsführer, Gerald Meyer, war zuvor Leiter der Diözesanstelle für Berufungspastoral und ist vom Erzbistum zusätzlich in die Geschäftsführung von Domradio geschickt worden. Sein erster Auftritt habe, so hieß es, bestehende Bedenken „zu 99,9 Prozent bestätigt“.

Meyer soll von einem „Gegensatz“ zwischen Domradio und dem Erzbistum gesprochen haben, den es „aufzulösen“ gelte. Mitglieder des Beirats hätten erbost reagiert, so mit der Bemerkung, es bestehe allenfalls ein Gegensatz zu einer Person: Dem Kardinal.

Zuvor war die Vorsitzende des Bildungswerks, Petra Dierkes, im Juni zurückgetreten und beendete parallel zum Ausscheiden von Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen auch ihre Tätigkeit als Bereichsleiterin Erwachsenenseelsorge. Für jegliche Fragen zu diesem Rückzug ins Private mit nur 60 Jahren verwies sie auf den Generalvikar.

Dierkes war von Kardinal Woelki vor einem Jahrzehnt als erste Frau überhaupt in sein Führungsteam geholt worden. Nach einer immer weiteren Abkühlung des Verhältnisses sei sie, so der Kölner Stadt-Anzeiger, schließlich entmachtet worden, noch bevor das mit fast allen bisherigen Hauptabteilungsleitern geschah.

Ins Bistum Limburg verabschiedet hat sich die zweite einst von Woelki eingesetzte Frau, Bernadette Schwarz-Boenneke. Sie gehörte zu den fünf Kuratoriumsmitgliedern des Katholisch-Sozialen Instituts in Siegburg, die im Juni zurückgetreten waren, nachdem sie bei Entscheidungen zur Leitung des Hauses übergangen wurden.

Die bei Domradio recht intensiv diskutierte Problematik ist dabei kein Einzelfall, sondern betrifft auch Bistumszeitungen (mehr zu diesem Thema siehe ganz unten auf dieser Seite). Wie einem Kommentar des Pressesprechers der katholischen Kirche in Bremen zu entnehmen ist, betonen bestimmte Bistumsleitungen (Mehrzahl) den Tendenzschutz und halten einen direkten Durchgriff in die Arbeit der Redaktionen für angemessen.


Im März hatte der Kölner Stadt-Anzeiger aus einer Mitgliederversammlung des Bildungswerkes berichtet. Dort sei plötzlich der Generalvikar Guido Assmann erschienen, von Dierkes eingeführt mit den Worten, es gebe „etwas mitzuteilen“: Den Plan, Domradio in eine gemeinnützige GmbH auszugliedern.

Der Geschäftsführer des Diözesanrats, Norbert Michels, sagte der Zeitung, er habe „einen solchen Überfall wie in dieser Sitzung in fast 26 Jahren Tätigkeit noch nicht erlebt“. Eine schlüssige Begründung sei nicht gegeben worden („da kam nichts“). Assmann habe eine „äußerst unglückliche Figur gemacht“ und selbst „wie ein Getriebener gewirkt“.

Einen „hochrangigen Bistumsmenschen“ zitierte die Zeitung mit der Bewertung „desaströs und schizophren“:

„Unsere Kirche verliert rasant an Vertrauen, das Erzbistum ebenfalls, der Kardinal sowieso, und dann geht Woelki hin und legt die Axt an einen Außenauftritt, der als glaubwürdig gilt und mit dem wir Menschen in relevanter Größenordnung erreichen.“

Auch der Vorsitzende des Programmbeirats von Domradio, Jürgen Wilhelm, äußerte sich:

„Unter dem eher durchsichtigen Vorwand einer bloßen Umorganisation der Trägerstruktur und der unnötigen Vergrößerung des Managements ist jetzt offenbar die Degradierung zu einem reinen Verkündigungssender des Erzbistums beabsichtigt.“

Das Erzbistum hat diese Interpretationen zurückgewiesen. Der Mitteilung folgte ein Interview des Amtsleiters Frank Hüppelshäuser mit dem Deutschlandfunk. Darin sagte er (geglättet):

„In dieser Diskussion, die man gerade führt, sind unglaublich viel Unwissenheit und Spekulationen. Ich muss ehrlicherweise sagen, das ist traurig, aber es ist fast ein Ritual, dass dann doch vieles auf die berühmte Agenda von Kardinal Woelki reduziert wird. Das ist schade, traurig, aber auch irgendwo langweilig.“

Das Vorgehen selbst begründete Hüppelshäuser so:

„Wenn wir mit dem Bildungswerk bestimmte Vereinbarungen treffen, ist das Domradio immer ein Anhängsel. Ich glaube, das ist dem Medium nicht adäquat. Deshalb die Idee, die wir unter anderem diskutieren, ob es nicht eine viel bessere Lösung ist, das ganze auch viel höher zu heben und es beispielsweise in eine Stiftung zu packen.“
Domradio: Im Kabel + über Satellit + www.domradio.de
2003 an den Räumen von Domradio: Das damalige Logo und Werbung für die ursprünglichen Verbreitungswege | © Kai Ludwig

Domradio war im Jahre 2000 als Kabel- und Satellitenradio gestartet. Inzwischen sind die ursprünglichen Verbreitungswege ebenso aufgegeben wie die DAB-Ausstrahlung in Nordrhein-Westfalen, Berlin und Brandenburg. Die Nutzung klassischer Rundfunktechniken beschränkt sich jetzt auf eine Stadtfrequenz in Köln.

Um diese UKW-Lizenz geht es bei einem Aspekt, den bereits der Programmbeirat andeutete und auch der Deutsche Journalisten-Verband in Nordrhein-Westfalen in seiner Stellungnahme aufgriff:

„Es ist nicht nur stillos, den langjährigen Träger ohne Vorwarnung vor vollendete Tatsachen zu stellen [...] – es ist in Bezug auf die Sendelizenz auch rechtlich fragwürdig, denn die Landesanstalt für Medien NRW hat bei solchen Umstrukturierungen ein gewichtiges Wort mitzureden.“

Der Kölner Stadt-Anzeiger zitiert nicht näher beschriebene Insider mit der Einschätzung, die angestrebte Umstrukturierung könnte eine Neuausschreibung der Frequenz mit ungewissem Ausgang nach sich ziehen.

In den letzten Jahren kursierten immer wieder Gerüchte über eine Schließung von Domradio. Das ist, wie die Diskussion aufzeigt, kein aktueller Plan des Erzbistums.

Nach Angaben der Zeitung kommen rund 90 Prozent des Jahresetats von 5 Millionen Euro aus Kirchensteuermitteln. Die Eigeneinnahmen von Domradio, etwa aus Fernsehproduktionen für Dritte, belaufen sich auf eine halbe Million Euro pro Jahr.

Kölner Dom
Noch ein Blick durch den Kölner Dom | © Kai Ludwig

2022 hatte der Kölner Stadt-Anzeiger bereits über Strategien zur Öffentlichkeitsarbeit des Erzbistums berichtet. So wurde versucht, den FAZ-Journalisten Daniel Deckers mit dem Angebot exklusiver Informationen als „glaubwürdigen Fürsprecher“ zu gewinnen.

Das Ergebnis zeigt ein Kommentar mit der Überschrift „Moralischer Bankrott“. Darin thematisierte Deckers mit drastischen Worten (mit Bezug auf den Papst: „ein Fliegenschiss auf seiner blütenweißen Soutane“), wie Woelki trotz angebotenem Rücktritt vom Vatikan im Amt belassen wird.

Der Bericht des Deutschlandfunks über die Beauftragung einer PR-Agentur bot Einschätzungen der damaligen Kirchenredakteurin Christiane Florin. 2023 meldete sie sich mit wiederum scharfen Worten zur Rekordzahl an Austritten aus der römisch-katholischen Kirche:

„Der Vatikan bemüht ganz gern das Schreckbild von der Spaltung. [...] Die gute Nachricht in Richtung Rom lautet: Wenn das so weitergeht, ist in 20 Jahren in Deutschland nichts mehr zum Spalten da.“

Christiane Florin, die inzwischen eine neue Aufgabe im Sender übernommen hat, gehörte selbst zu diesen 522.821 Menschen. Dazu hat sie sich ausführlich erklärt und kam dabei wiederum auf die Kommunikation im Erzbistum Köln zu sprechen:

„Einige Wochen nach dem Kirchenaustritt bekam ich Post vom für mich zuständigen Kirchengemeindeverband, offenkundig ein Serienbrief, mein Name war per Hand auf eine gestrichelte Linie geschrieben wie früher in der Grundschule in einem Lückentext.“
Katholische Kirche
In Elsterwerda | © Kai Ludwig

Einen weiteren Akzent in Sachen katholischer Kommunikation setzte im März der St.-Benno-Verlag in Leipzig. Er teilte mit, die katholische Kirche sei „nun mit einem eigenen Streamingportal auf dem deutschen Markt vertreten“. Eine Variante der Meldung nannte es zusätzlich „neu“.

„Yesflix“ existiert bereits seit 2019. Ursprünglicher Betreiber war Bibel TV, dessen Gesellschafter überwiegend protestantischen Hintergrund haben (neben den Landeskirchen vor allem evangelikal und freikirchlich).

Weitere Berichte zum Start des Portals finden sich auf Standard.at und auf Jetzt.de (Süddeutsche Zeitung). Soweit auf den ersten Blick erkennbar, sind die damaligen Schilderungen von Abonnementpreis und Umfang des Angebots nach wie vor aktuell.

Außer dem St.-Benno-Verlag und dessen Onlinehandel beteiligt sich am Betrieb von „Yesflix“ jetzt noch die Tellux-Gruppe, mit ihrer Firma Astratel zugleich der katholische Gesellschafter von Bibel TV.

Neben Büchern hat der St.-Benno-Verlag von 1951 an eine Wochenzeitung für die Diözesen Dresden-Meißen, Erfurt, Görlitz und Magdeburg herausgegeben. 2014 kam noch das Erzbistum Berlin hinzu, das dafür auf seine eigene Zeitung verzichtete. Mit dem erweiterten Verbreitungsgebiet erreichte der „Tag des Herrn“ eine Auflage von 17.000 Stück.

Ostern brachte hier sowie in den Diözesen Fulda, Hamburg, Hildesheim, Limburg, Mainz, München-Freising, Osnabrück, Paderborn und Würzburg eine wesentliche Änderung: Unter den Namen der bisherigen Bistumszeitungen erscheint fortan aller zwei Wochen ein gemeinsames Magazin.

Die überregionalen Teile werden in Osnabrück produziert und alle Ausgaben zentral in Paderborn gedruckt. Beim „Tag des Herrn“ bedeutete das die Umstellung von einer Wochenzeitung mit 20 Seiten auf ein zweiwöchentliches Heft mit 64 Seiten, von denen „mehr als die Hälfte“ weiterhin regionale Inhalte bieten sollen.

 

Beitrag von Kai Ludwig