Irland - RTÉ schaltet Langwelle ab

Sender Summerhill
Langwellensender Summerhill bei Dublin | © Telefunken Sendertechnik

Eine Hängepartie von einem Jahrzehnt findet ihr Ende. Am [Nachtrag: 14. April 2023 beendete] der irische Rundfunk RTÉ seine Ausstrahlungen auf der Langwelle 252 kHz.

[Nach den Nachrichten um Mitternacht wurde das Programm durch eine Hinweisschleife ersetzt. Die endgültige Abschaltung des Senders erfolgte am Vormittag des 18. April.

Verfügbar ist auch eine Aufnahme der ersten Sendeversuche, noch mit klassischem AM-Klang ohne extreme Präsenzanhebung und Dynamikkompression.]


Die Frequenz hatte Irland zwar schon auf der Genfer Wellenkonferenz von 1975 reserviert, jedoch erst 1989 in Betrieb genommen. Dazu führte ein Gemeinschaftsprojekt mit RTL, das primär auf Großbritannien zielte und bei seinem Start von den dortigen Rundfunkveranstaltern als Pirat gebrandmarkt wurde: Der Popsender Atlantic 252.

Dafür realisierten US-amerikanische Lieferanten eine Sendeanlage mit Standort Summerhill und einem 249 Meter hohen Mast. Das Programm kam nicht aus dem Funkhaus Dublin, sondern aus Studios in der wenige Kilometer vom Sender entfernten Ortschaft Trim.

Auf Dauer konnte sich dieses Musikformat auf Langwelle nicht halten. Das mündete 2001 in die Schließung. Ein 2002 gestarteter Versuch, auf der Frequenz mit Teamtalk 252 ein Sportprogramm zu etablieren, wurde nach wenigen Monaten umstandslos abgebrochen.

Danach gab es auf 252 kHz ein reichliches Jahr nur sporadische Tests der Sendeanlage. 2003 begann RTÉ schließlich mit einer Ausstrahlung der damaligen Mittelwellenversion von Radio 1 und ersetzte 2007 die Röhrensender durch einen neuen Transistorsender.

Eigentlich wollte RTÉ sich schon sieben Jahre nach dieser Modernisierung von der Langwelle verabschieden. Nach massiver Kritik wurde der Abschaltplan jedoch zurückgestellt.

Ein Politikum war diese Frage wegen der nach damaligem Stand rund 600.000 Migranten aus Irland, die in Großbritannien lebten. Vielfach handelte es sich um Personen mit niedrigem Bildungsniveau, die vor Jahrzehnten ausgewandert waren und nun ihren Lebensabend unter prekären Umständen verbrachten.

RTÉ Lyric FM
RTÉ-Studio Limerick vor dem Abzug der Redaktion von Lyric FM | © William Murphy, CC-BY-SA

Intern war das Verständnis für die Weiterführung des Langwellenbetriebs erschöpft, als RTÉ sich 2019 gezwungen sah, andere Sparmaßnahmen im Volumen von 60 Millionen Euro zu beschließen.

Zu spüren bekam das ein Politiker der Partei Fine Gael, der in einem Interview zur dramatischen Finanzlage von RTÉ nur Allgemeinplätze zu bieten hatte. Nichts entgegensetzen konnte er dem Verweis auf, so wörtlich, „verrückt spielende“ Parteifreunde, die ungerührt weiter für die Aufrechterhaltung des Langwellendienstes trommelten.

Ein so großes Ausmaß nahm der Unmut an, weil die Sparzwänge fast zum Untergang des in seiner vollen Ausprägung erst seit 1999 bestehenden Lyric FM geführt hätten. Gerade noch so kam es letztlich „nur“ zum Abzug der Redaktion des Kulturprogramms aus Limerick.

Um die Kosten wenigstens einzuschränken, betreibt RTÉ den Langwellensender nur noch mit reduzierter Leistung. Wegen der Brisanz des Themas gibt es dazu keine offiziellen Angaben. Hinter vorgehaltener Hand war einmal von 150 kW tagsüber und 60 kW abends/nachts zu hören.

Parallel wurde dazu übergegangen, den Sender so oft unter Verweis auf „Wartungsarbeiten“ auszuschalten, wie es möglich war, ohne den Argwohn von Laien zu erregen. In größeren Abständen geschah das für gleich einen Monat am Stück, wesentlich öfter für mehrere Stunden tagsüber.

From Friday 14th April, RTÉ Radio 1 will no longer be available on Long Wave.
© RTÉ

Ein Regierungspapier von 2022 bezifferte die jährlichen Betriebskosten auf 250.000 Euro. Für einen längerfristigen Weiterbetrieb der Anlage seien Investitionen im Volumen von 2,6 Millionen Euro erforderlich.

Zugleich gibt es keine Zahlen darüber, in welchem Umfang die Ausstrahlung auf Langwelle tatsächlich noch von den seit 2014 ins Feld geführten Aussiedlern in Großbritannien gehört wird. Das inzwischen in den Vordergrund gerückte Argument Klimaschutz ließ die Forderungen aus den Reihen der Fine Gael wohl endgültig verstummen.

Folglich wird RTÉ die Langwelle 252 kHz zum 14. April stillsetzen. Wie es dazu weiter hieß, würden sich nach der bekannten Entwicklung der Strompreise die aufs Jahr hochgerechneten Betriebskosten mittlerweile auf 400.000 Euro belaufen.

Interessant ist, was RTÉ in einer Kurzfassung für Großbritannien (in der Republik Irland ist Radio 1 ohnehin flächendeckend auf UKW zu empfangen) empfiehlt: An erster Stelle die Nutzung des mit Astra 28,2 °Ost oder Virgin-Kabelnetz verbundenen Fernsehgeräts, an zweiter Stelle die Radio-App von RTÉ.

Es ist durchaus nicht erforderlich, solche zusätzliche Software zu installieren: Die Radioprogramme von RTÉ können ohne weiteres über diese Seite gehört werden.

Wie bereits erwähnt, läuft auf 252 kHz die einstige Mittelwellenversion von Radio 1. Wegen der hier ausgestrahlten Gottesdienste stand die geplante Abschaltung des Langwellensenders auch in der Kritik der katholischen Kirche. Folglich geht die ausführliche Informationsseite besonders auf diesen Aspekt ein.

Auf Mittelwelle sendet RTÉ schon seit 2008 nicht mehr. Als letzter abgeschaltet wurde seinerzeit der Sender Tullamore. Er arbeitete auf 567 kHz mit 500 kW starker Technik eines Lieferanten aus Japan, wie sie in dessen Heimatland auch NHK an sechs Standorten einsetzt.

Bereits seit 2004 außer Betrieb ist der alte Sender Athlone. Nach dessen Ablösung durch die Anlage Tullamore hatte RTÉ sich hier 1979 mit 612 kHz eine neue Frequenz für ein zweites englischsprachiges Programm erschlossen, um den in Irland grassierenden Piraten etwas entgegenzusetzen: Das heutige 2 FM.

Monaghan
© University of Texas

Offen ist noch, ob am 13. April der AM-Rundfunk in der Republik Irland insgesamt sein Ende findet. Das hängt davon ab, ob Spirit Radio noch einmal auf 549 kHz auf Sendung gehen wird.

Der Sender bei Monaghan, wenige Kilometer vor der Grenze zu Nordirland, entstand in den 90er Jahren ebenfalls als Pirat. Genutzt wurde er ursprünglich vom britischen United Christian Broadcasters, das um 1997 auch über den Hochleistungssender Bolschakowo im Gebiet Kaliningrad zu hören war.

Ab 1999 betrieb UCB einen Ableger in der Republik Irland, nachdem es auf die Konsequenzen hingewiesen wurde, welche die Piratensendungen für die britische Lizenz haben könnten. 2006 wurden sie schließlich eingestellt, um sich an einer offiziellen Frequenzausschreibung zu beteiligen.

Zur Vergabe standen Mittelwellen für ein Religionsprogramm. Dabei fiel UCB schon in der Vorauswahl durch. Auch die irische Dependance wurde nicht berücksichtigt.

Den Zuschlag erhielt stattdessen East Coast FM für sein Spirit Radio. Aus der Ankündigung, es ab 2008 auf 612 kHz zu senden, ist nichts geworden.

Zum Einsatz kam ab 2012 lediglich der noch von UCB vorhandene Sender Monaghan. Aus Kostengründen arbeitete die dortige Technik in der Regel nur mit 11 kW.

Letztlich handelte es sich um ein Alibi, das den Aufbau eines ganzen Zoos angeblicher Stützfrequenzen auf UKW ermöglichte. Entsprechend gab es seit 2021 nur noch kurze Aktivitätsperioden, zwischen denen der Sender jeweils drei Monate am Stück ausgeschaltet blieb.

Sofern nichts überhört wurde, herrscht seit Mitte Oktober nun durchgehend Funkstille. Facebook-Einträge von Spirit Radio deuten auf erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Verbreitung über die irische Radioplayer-Plattform ist bereits eingestellt.

 

Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 01.04.2023