Harald Martenstein - Warum mich ein Baum an meinen Großvater erinnert
Wie geht man damit um, wenn nur noch man selbst sich an einen lieben Menschen erinnert? Unser Kolumnist setzt die Hoffnung auf einen Straßenbaum – und auf seinen Sohn.
Einer von Martensteins Großväter war dreißig Jahre lang Hausmeister. Seine Karriere hatte in der Weimarer Republik als Hilfsarbeiter bei der Bahn begonnen. Krönung seiner Laufbahn war Anfang der Fünfzigerjahre die feste Anstellung bei einer Bank. Er war jetzt nicht mehr Arbeiter mit wöchentlicher Lohntüte, sondern Bankangestellter, ein sozialer Aufstieg, auf den er stolz war. Am Ende verfügte er sogar über einen Dienstwagen, anfangs einen Fiat 500, später einen Opel Kadett, mit dessen Hilfe er in den Geschäften der Stadt die Tageseinnahmen abholte. Das Geld steckte in dicken Kuverts, deren Inhalt er sorgfältig nachzählte, bevor er das Kuvert in eine ausgebeulte Ledertasche packte und zur Bank brachte...