Brasilien - Kurzwelle in Ribeirão Preto noch einmal eingeschaltet

Ribeirão Preto
Blick auf Ribeirão Preto | © Marco Aurélio Esparz, CC-BY-SA

Noch einmal auf Sendung gegangen ist in Ribeirão Preto, einer Stadt im brasilianischen Bundesstaat São Paulo, die Kurzwelle 15415 kHz. Mit weiteren derartigen Reaktivierungen könnte zu rechnen sein. Das ist aber keine Trendwende, sondern nur ein letzter Schachzug.

Dahinter steckt eine neue Möglichkeit, in das bestehende Verfahren zum Umzug von der Mittelwelle auf UKW auch Kurzwellenlizenzen einzubringen. Das setzt natürlich voraus, so zu tun, als würde man diese Frequenzen bis heute nutzen. Dies macht die Mediengruppe Clube in Ribeirão Preto jetzt.

Somit noch einmal etwas zu hören gibt es, abends mit schwachem Signal mitunter auch in Europa, auf 15415 kHz. Zumindest bei einer Stichprobe lief nicht, wie es bis zur Abschaltung im vorletzten Jahrzehnt der Fall war, das Programm mit der Hauptfrequenz 100,5 MHz, sondern Clube 1.

Stand vom 25.02.2024


Radiobrás
Auf der Kurzwellenstation bei Brasília | © EBC

Kein solcher Schachzug, sondern ein echter Programmdienst ist nach wie vor das, was vom Kurzwellenbetrieb auf der Sendestation des staatlichen Rundfunks bei Brasília noch übrig ist.

Von einem Lieferanten aus der Schweiz aufgebaut und 1979 in Betrieb genommen wurde dort Mittelwellentechnik mit 300 kW und ein Kurzwellenkomplex mit sechs jeweils 250 kW starken Sendern. Damit konnte Brasilien für sich in Anspruch zu nehmen, über die leistungsfähigste AM-Anlage in Lateinamerika zu verfügen.

Die damalige Radiobrás bot ausländischen Interessenten eine Mitnutzung an. Gebrauch davon machten für einige Jahre die Deutsche Welle, Schweizer Radio International, die BBC sowie, in diesem Fall für Europa, Omroep Suriname. Das heutige China Radio International blieb dem Standort sogar bis ins vergangene Jahrzehnt treu.

Selbst hörte die Radiobrás hingegen 1999 damit auf, an das Publikum in Europa zu denken, und stellte ihren Auslandsdienst ein. Stattdessen wurde bis ins vergangene Jahrzehnt einer der Sender dafür herangezogen, auf 5990 kHz Parlamentsdebatten zu übertragen.

Rádio Nacional da Amazônia, OC 11780 kHz e 6180 kHz
© EBC

Heute nutzt die nunmehrige EBC (Empresa Brasil de Comunicação) den Standort nur noch für ihr Rádio Nacional. Dessen Stammprogramm läuft auf Mittelwelle, bei Dunkelheit für überregionalen Empfang nach den letzten bekannten Aussagen mit immer noch 230 kW.

Auf Kurzwelle übertragen wird die Variante für das Amazonasbecken. Das soll fast ganztags, unterbrochen nur von einer nächtlichen Sendepause (nach MEZ ungefähr von 4.00 bis 9.00 Uhr) auf zwei Frequenzen geschehen, 6180 und 11780 kHz. Sendeausfälle sind allerdings keine Seltenheit.

Über Rádio Nacional da Amazônia gibt es einen ausführlichen Film des EBC-Fernsehens. Darin wird das Programm als Lebensader der abgelegensten Wohnplätze im Urwald präsentiert.

Dieser Darstellung bediente sich auch Radio Vatikan, als es 2019 nach Jahren wieder auf Kurzwelle nach Brasilien zu senden begann. Die Frage, warum man die Sendungen dann vorher eingestellt hat (das überhaupt zu erwähnen, zählt schon zu den besonderen Leistungen der deutschen Redaktion), blieb unbeantwortet.

Rádio Trans Mundial Brasil
Die Kurzwellenanlage bei Santa Maria | © Rádio Trans Mundial Brasil

Die Ausstrahlungen auf Kurzwelle beendet hat 2018 hingegen die brasilianische Filiale von Trans World Radio, Rádio Trans Mundial. Auch sie kamen aus dem Südzipfel des Landes, konkret der landeinwärts liegenden Stadt Santa Maria.

Bonaire 800 kHz
Die schaltbaren Antennendiagramme des hochgerüsteten TWR-Senders 800 kHz

Diese Abschaltung entsprach der fast weltweiten (mit Ausnahme von Nordamerika sowie West- und Mitteleuropa) Strategie von TWR, wo immer möglich auf Mittelwelle zu senden und dafür auf die Kurzwelle zu verzichten.

Dazu hatte die Mittelwellenstation auf der Antilleninsel Bonaire einen neuen Sender erhalten. Zu dessen möglichen Betriebszuständen gehört eine Ausstrahlung nach Brasilien mit fast 500 kW.

Zuvor hatte man sich ab 1999 für zwei Jahrzehnte mit 100 kW begnügt, nachdem die Betriebskosten der Bestandsanlage nicht mehr tragbar waren.

Super RBV, Porto Alegre – 1300, 6160, 9550, 11895 kHz
© Sammlung Ian José Silva

Auch andere religiös orientierte Programmveranstalter – also jene, die auf der ganzen Welt am treuesten zur Kurzwelle halten – sind in Brasilien auf dem Rückzug aus diesem Verbreitungsweg.

So verschwanden erst am 29. Januar die Kurzwellensignale von Super RBV (Super Rede Boa Vontade de Rádio). Auf Anfrage wurde das eben mit einem in Porto Alegre, dem Standort dieser Sender, vollzogenen Umzug auf UKW begründet.

Das betraf auch Frequenzen im 31- und 25-Meterband bei 9 bzw. 11 MHz. Sie waren, abgesehen vom Nahbereich um die Sendeanlage, in der Region selbst kaum zu empfangen.

Mit solchen Frequenzen werden vielmehr Gebiete in etwa 500 bis 2000 Kilometer Entfernung vom Sender bedient. Weiter auf die gesamte räumliche Ausdehnung von Brasilien hinaus verschiebt sich das beim 19-Meterband. In Ribeirão Preto hat die Kurzwellenfrequenz also noch weniger mit örtlichen UKW-Sendungen zu tun.

Brasilien
© Sammlung University of Texas

Nicht nur als Alibi, sondern zumindest halbwegs regelmäßig auf Kurzwelle aktiv waren in letzter Zeit neben der EBC noch die folgenden brasilianischen Privat- oder Missionssender:

Rádio Clube do Pará in Belém auf 4885 kHz,

Rádio Brasil Central in Goiânia (in der weiteren Umgebung von Brasília) auf 4985 und 11815 kHz,

Rádio Voz Missionária in Camboriú (an der Küste im Süden Brasiliens) auf 5940, 9665 und 11750 kHz,

Rádio Inconfidência in Belo Horizonte auf 6010 und 15190 kHz sowie

Rádio 9 de Julho in São Paulo auf 9820 kHz.

 

Beitrag von Kai Ludwig mit Informationen von Manuel Méndez