Zweites Programm der niederländischen Betreiber - 666 kHz in Litauen eingeschaltet
Wie angekündigt haben jene niederländischen Betreiber, die seit 2022 aus Litauen auf der Mittelwelle 1557 kHz aktiv sind, noch ein zweites Programm hinzugenommen. Dafür wurde am 18. April die Frequenz 666 kHz aktiviert. Das Projekt könnte sich womöglich als Tritt in den Fettnapf erweisen.
Die Frequenz 666 kHz war nicht mehr aktiv, seit der Litauische Rundfunk seine Mittelwellenverbreitung 2009 eingestellt hat. Das beendete die AM-Sendungen der Rundfunkanstalten im Baltikum insgesamt, nachdem dieser Schritt in Estland und Lettland bereits 1998/1999 vollzogen wurde.
Das jetzt auf 666 kHz laufende Radio Signal wendet sich an ein Publikum in Belarus. Der Fettnapf lauert dabei in der durchgängigen Verwendung der russischen Sprache.
Genau dafür wurde die Deutsche Welle massiv angegangen, als sie 2005 mit ergänzender Finanzierung durch die EU-Kommission spezielle Sendungen nach Belarus startete. Diese Programme kamen, außer auf Kurzwelle und der Mittelwelle Grigoriopol 999 kHz, auch schon aus Litauen auf 1557 kHz.
Den Vorwurf, mit dem Verzicht auf die weißrussische Sprache stelle man sich auf die Seite von Lukaschenko, hatte die Deutsche Welle nicht nur formal zurückgewiesen; er sorgte für echte Verärgerung in der Redaktion. Auf weitere derartige Initiativen wurde danach verzichtet.
Das ursprüngliche Programm dieses niederländischen Projekts ist seit August 2022 auf 1557 kHz zu hören, üblicherweise für einige Stunden am Abend. Ob das beim Zweitprogramm auf 666 kHz auch so praktiziert wird, bleibt noch herauszuarbeiten.
Anfangs gab es zum Mutterprogramm einen Youtubekanal, bei dem als Standort „Ukraine“ eingetragen war. Das sorgte unter Beobachtern für große Heiterkeit, weil es ganz offenkundig nicht stimmen konnte.
Merkwürdig ist bereits der verwendete Name, Radio Lenta oder „Nascha Lenta“. Es gibt keine erkennbare Verbindung zu dieser russischen, 1999 gegründeten Onlinezeitung. (Das seit 2014 aus Riga betriebene Projekt Medusa ist seinerseits eine Abspaltung von der echten Lenta.)
Betreiber der auf 1557 und jetzt auch 666 kHz laufenden Programme ist die niederländische Stiftung Next Level. Zitierenswert ist aus deren Präsentation nur die Aussage, man arbeite „ausschließlich mit privaten und philanthropischen institutionellen Spenden“ und akzeptiere grundsätzlich keine staatlichen Finanzierungen.
Rundfunkrechtliche Grundlage der Ausstrahlungen auf diesen Mittelwellen ist eine Zustimmung der niederländischen Medienkommission, die in der gesamten Europäischen Union gilt. Von der litauischen Seite gibt es deshalb nur Frequenzzuteilungen an den Sendernetzbetreiber LRTC (Lietuvos radijo ir televizijos centras), die sich auf die Lizenzen der Niederlande beziehen.
Während über inhaltliche Fragen praktisch nichts bekannt ist, sind – auch das ist typisch für „die Szene“ – fast alle sendetechnischen Details zu haben.
Erstaunlich ist dabei die erneute Nutzung der Sendestation Sitkunai bei Kaunas. Nachdem sie schon bei laufendem Betrieb in eine Ruine verwandelt wurde, warf LRTC bis 2017 alle verbliebenen Nutzer hinaus.
Darunter befand sich kein geringerer als der Auslandsrundfunk der USA. Die amerikanische Seite sah sich deshalb gezwungen, die zuvor vom American Forces Network in Weißkirchen bei Frankfurt am Main genutzte Sendetechnik bereitzustellen, um den Betrieb auf 1386 kHz an einem anderen, noch brauchbaren Standort (Viešintos) fortzusetzen.
Die niederländische Seite erhielt nun auf einmal Gelegenheit, die wiederum von ihr bereitgestellten Sender (LRTC ist nur pro forma deren Betreiber) doch wieder an die Antennen anzuschließen, die in Sitkunai nach wie vor existieren.
Zwar ist und bleibt das alte Stationsgebäude aufgegeben. Die Unterbringung der Technik in einem Container direkt an der Antenne ist aber keineswegs eine neue Idee; so wurde schon ausgangs der 90er Jahre bei fast allen vom Rundfunk der DDR geerbten, seinerzeit noch genutzten Mittelwellen verfahren.
Die Präsentation der technischen Details fügte sogar der Chronik des niederländischen Rundfunks eine Angabe hinzu, die ursprünglich niemand machen wollte: Die Sendeleistung der Großmittelwelle 1008 kHz in der Endphase bis 2018.
Mit dem zuletzt in Zeewolde auf dieser Frequenz betriebenen Sender läuft jetzt in Sitkunai die Ausstrahlung auf 1557 kHz. Es handelt sich (ein nach kurzer Zeit doch lieber wieder dem öffentlichen Zugriff entzogenes Foto bestätigte das) um ein 50 kW starkes Gerät eines kanadischen Herstellers.
Noch etwas bescheidener soll es jetzt auf 666 kHz zugehen: Die Rede ist von 25 kW.
Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 21.04.2024