HappySad - The Spell von Ira May

The Spell von Ira May
The Spell von Ira May

Eigentlich ist die Zeit vorbei, dass jeder neuen, artverwandten Künstlerin der Stempel ‚Next Amy‘ aufgedrückt wird. Lana Del Rey, Adele, Rebecca Ferguson – sie haben es überlebt. Ausgerechnet aus der Schweiz kommt nun eine, die nahezu alle signifikanten Winehouse Zutaten dabei hat, inklusive einer Stimme, die die einen als Stimmwunder, die anderen als schwierig einordnen. Stark ist sie auf jeden Fall.

Alles, was ich immer wollte, war schreiben und singen, heißt es – auf englisch –im Opener, und die elf Songs dieses Debütalbums zeigen, dass die 26 jährige ihr Handwerk sowohl auf der Musikakademie und der Jazz Schule als auch beim Radio hören gelernt hat. Etwas Abgeklärtes liegt über dem Werk. Das bereits als Single veröffentlichte Let You Go, wird von einem wuchtiger Groove getragen, gefolgt vom großen Orchester, die Stimme im Sehnsuchtsmodus, intensiv und heartbroken.

Im Video dazu spaziert die Sängerin durch London. Und genau dort hat man sich scheint‘s auch die Zutaten für The Spell zusammengesucht: HipHop, Rocksteady, süßen Doo Wop, einen anständigen Rapper namens Ty, eine kuschelige Hammondorgel und kraftvolle Bläser, die natürlich nicht fehlen dürfen, Motown lässt grüßen.

Dieses totsichere und kaum originelle Rezept aber geht auf, denn Ira May, im normalen Leben Iris Bösinger, macht ihre Sache als Sängerin und Songwriterin beeindruckend gut. Sie klingt reif, sie ist sich ihrer Sache sicher, koloriert nicht planlos und hat – vergleichbar mit Alice Russell – nicht den zwanghaften Drive zum Sexysein. Oh wie wohltuend.

Die Ästhetik des Covers signalisiert zwar, dass sie eine der zahllosen Songwriterelfinnen ist, ohne das Powerpaket dahinter ahnen zu lassen, aber der Coup glückt: Ira May wirkt weniger bieder als solide. Die Produzenten hier heißen Shuko, Jules Kalmbacher und Carl Crinx, also Deutsch Rap Experten, die u.a. zu Cro, Fler und Xavier Naidoo (autsch) führen. Da geht also noch was in puncto innovative Einfälle. Und wenn sich Ira May schon Marvin Gaye als Vorbild sucht, wie besungen in Bigger Plan, warum dann Soul nicht nur als Sound, sondern als Berufung: es darf auch mehr Gefühl sein. Insgesamt aber stellen sich die Ohren auf bei diesem tollen Debüt.

Christine Heise im TIP-Magazin