Brandenburg - Gewalt gegen Politiker im Wahlkampf - in der Härte eine neue Situation

Ein Plakat der Grünen für die Europawahl ist mit weißer Farbe überstrichen worden © picture alliance/dpa | Michael Kappeler
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Faina Dombrowski (Bündnis 90/Die Grünen) kandidiert bei der Kommunalwahl am 9. Juni 2024 für die Gemeindevertretung Neuenhagen. Dass Plakate beschädigt werden, kennt man auch aus vorigen Wahlkämpfen, aber "in der Härte, mit der wir es jetzt aktuell zu tun haben und auch in der Menge, mit der wir es aktuell zu tun haben, das ist eine neue Situation, die uns immer wieder so ein Stück weit fordert", erklärte Faina Dombrowski auf radioeins.

Wer gerade jetzt Wahlkampf macht, Plakate klebt, Infos verteilt, muss mit Anfeindungen rechnen. Nach dem brutalen Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden, ist klar, welches Ausmaß die Anfeindungen annehmen können.

In Brandenburg stehen in diesem Jahr gleich drei Wahlen an: Kommunalwahlen und Europawahl in einem Monat und im September die Landtagswahl. Für alle drei macht auch Faina Dombrowski von den Grünen Wahlkampf. Sie kandidiert ehrenamtlich für die Gemeindevertrateung Neuenhagen in Märkisch Oderland sowie für den Landtag im September.

Unterdessen plädieren die Innenministerinnen und Innenminister von Bund und Ländern dafür, die Strafen für Angriffe auf Politiker und Wahlkampfhelfer zu verschärfen. Wie der Brandenburger Ressortchef Stübgen gestern Abend mitteilte, unterstützen die Minister zwei Bundesratsinitiativen aus Bayern und Sachsen. Sie sehen vor, härter gegen Angriffe auf Politiker, Wahlhelfer und andere politisch Engagierte vorzugehen. Solche Bedrohungen und Nötigungen müssten besser erfasst werden, weil sie eine besonders schädliche Wirkung auf die Demokratie hätten, sagte Stübgen.

Auf einem Plakat bei Ihnen im Landkreis Märkisch-Oderland wurde „Grüne jagen“ aufgesprüht. Mit welchem Gefühl machen Sie gerade Wahlkampf für sich und Ihre Partei?

Dombrowski: Ja, also ganz ehrlich ist es so ein Stück weit ein Wechselbad der Gefühle, was wir gerade hier in Neuenhagen durchleben, weil auf der einen Seite bekommen wir ganz viel Unterstützung, ganz viel Solidarität. Viele, viele Menschen kommen auf uns zu. Gerade in den letzten Tagen gab es hier einige Stadtfeste, auf denen wir unterwegs waren und haben sehr viel Zuspruch bekommen von Menschen, die wir überhaupt nicht kannten, die auch vielleicht gar nicht grünen-nah sind. Auf der anderen Seite werden wir dann auch wieder so ein Stück weit in die Realität zurückgeholt, wenn wir uns anschauen, was mit unseren Plakaten passiert, was ein Stück weit auch normal ist. Das kennen wir aus vorherigen Wahlkämpfen, dass Plakate beschädigt werden, dass Plakate bemalt werden. Aber ich sage mal, in der Härte, mit der wir es jetzt aktuell zu tun haben und auch in der Menge, mit der wir es aktuell zu tun haben, das ist eine neue Situation, die uns immer wieder so ein Stück weit fordert und die auch so ein Stück weit auf die Motivation drücken kann. Aber gleichzeitig auch so ein bisschen, naja, also ich sage mal, Trotz Hervorruf zu sagen und jetzt erst recht.

Es gibt einfach doch einen großen Unterschied zwischen Leuten, die reden wollen, die auch ein Stück weit über ihren Frust reden wollen und die an Lösungen interessiert sind, und Leuten, denen es eigentlich nur darum geht, irgendetwas rauszulassen."

Faina Dombrowski (Bündnis 90/Die Grünen)

Ja, welche Erfahrungen machen Sie denn persönlich, wenn Sie Plakate kleben oder am Infostand Leute ansprechen? Werden Sie dann ja richtig bedroht, beschimpft? Wie reagieren Sie dann darauf? Versuchen Sie vielleicht mit Leuten ins Gespräch zu kommen?

Dombrowski: Also unterschiedlich. Wie gesagt, wenn wir Plakate aufhängen, dann haben wir es tatsächlich häufiger zu tun mit Menschen, die uns beschimpfen. Junge Leute, die am Abend uns sehen und dann solche Sachen rufen wie, schämt ihr euch nicht, das bleibt eh nicht lange hängen, wir holen euch gleich wieder runter. Aber auch tatsächlich Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, also sage mal mittelalte Damen, die beim Kaffee und Kuchen draußen vor einem Café sitzen und uns zurufen, dass solche Leute, wie wir, ins Gefängnis gehören. Es ist natürlich immer schwierig, wenn solche Sprüche kommen, mit den Menschen dann ins Gespräch zu kommen. Wir haben es versucht. Aber es gibt einfach doch einen großen Unterschied zwischen Leuten, die reden wollen, die auch ein Stück weit über ihren Frust reden wollen und die an Lösungen interessiert sind, und Leuten, denen es eigentlich nur darum geht, irgendetwas rauszulassen oder eine Reaktion beim Anderen zu erreichen.

Ihre Partei, Die Grünen, da gibt es ja auch Erhebungen, gerade wird besonders heftig angefeindet und die Politikerinnen und Politiker dazu. Wie reagieren die anderen Parteien darauf? Sind sie da in Kontakt?

Dombrowski: Ja, und das ist ehrlich gesagt auch tatsächlich ein Stück weit ein Wunsch beziehungsweise meine Forderung auch an die anderen, da stärker zu reagieren. Wir haben hier im Ort wirklich einen sehr, sehr guten Zusammenhalt auf demokratischer Seite. Wir haben selbstverständlich Unterschiede, wir haben unterschiedliche Meinungen zu unterschiedlichen Themen. Aber das, was die Menschen, die uns unfreundlich begegnen, immer wieder vergessen, ist, dass wir hier über Kommunalpolitik reden. Wir reden hier über den Spielplatz, der gebaut werden soll, über die Schule, die saniert werden muss, über eine Straße, die zu viele Schlaglöcher hat. Das sind die Themen, die wir hier im kommunalen Jahr behandeln und das sind Themen, die eine direkte Auswirkung auf das Leben der Menschen haben. Und in diesen Themen gibt es ganz, ganz selten ein Rot, Schwarz, Gelb. Da gibt es halt eben einen an der Sache orientierten Diskurs und an dieser Sache müssen wir alle zusammenarbeiten und das tun wir hier auf kommunaler Ebene sehr, sehr gut.

Wir müssen demonstrieren, dass wir miteinander für dieselbe Sache kämpfen, dass wir miteinander die Demokratie stärken, dass wir Schulter an Schulter stehen."

Faina Dombrowski (Bündnis 90/Die Grünen)

Die InnenministerInnen von Bund und Ländern wollen nach ihrer Sonderkonferenz gestern Abend schärfere Strafen für politische Gewalttäter jetzt prüfen, haben wir eben gehört. Also gegen Körperverletzung und Nötigung von Politiker, Wahlhelfern und Ehrenamtliche soll härter vorgegangen werden. Was halten Sie davon?

Dombrowski: Ich halte das für einen sehr, sehr wichtigen Schritt. Ich glaube aber, dass noch mehr getan werden muss. Also auch der einen Seite, ich sagte es ja gerade schon, müssen auch wir aus den Parteien darauf achten, dass wir weniger darauf setzen, gegeneinander zu arbeiten und uns einfach stärker zu differenzieren. Also dieser Differenzierungswahn, würde ich jetzt fast schon mal sagen, der führt halt eben dazu, dass beim Bürger, bei der Bürgerin immer nur ankommt, die streiten ja immer nur, die sind ja gegeneinander. Wir müssen demonstrieren, dass wir miteinander für dieselbe Sache kämpfen, dass wir miteinander die Demokratie stärken, dass wir Schulter an Schulter stehen. Und das wäre in meinen Augen auch tatsächlich ein Aufruf in Richtung CDU, aber auch in Richtung SPD hier in Brandenburg, sehr viel mehr Geschlossenheit zu demonstrieren. Weil es ist nicht nur die AfD, die eine solche Stimmung in der Gesellschaft verursacht, sondern da sind wir alle auch ein Stück weit mit in der Verantwortung drin. Das ist das eine. Das zweite ist, ich würde mir auch wünschen, dass die Menschen da draußen, die Bürgerinnen und Bürger, dass die sehr viel stärker ein Haltsymbol senden. Das ist eben dieser Alltagsrassismus, den wir haben. Das ist etwas, was ich bedrohlich finde. Aber eben auch die Stimmung, die wir hier in der Gesellschaft haben, immer wieder zu hinterfragen, ist eine Aufgabe von uns als Gesellschaft, also von uns Menschen, von meinen Nachbarn, von meiner Familie, von mir selber. Und das ist eine Verantwortung, die können wir nicht an die Politik abgeben, die können wir auch nicht an den Staat abgeben. Es muss dieser Dreiklang sein.

Beschädigtes Wahlplakat © Martin Schutt/dpa
Martin Schutt/dpa

Debatte - Angriffe und zunehmende Aggressivität im Wahlkampf

Nach dem brutalen Angriff auf den SPD-Europaabgeordneten Matthias Ecke in Dresden und weiteren Attacken auf Politiker und Wahlhelfer in den vergangenen Tagen ist die Debatte über besseren Schutz und härtere Strafen wieder aufgeflammt. Heute wollen sich die Innenministerinnen und -minister von Bund und Ländern bei einem Sondertreffen dazu abstimmen. Wir sprechen darüber mit David Kolesnyk, SPD-Generalsekretär in Brandenburg.

Brandenburg © IMAGO/Christian Mang
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