Die Schöne Lesung zum Nachhören:

Heike Steinweg

Was für ein gewagtes Buch! Daniel Kehlmann nähert sich in seinem Roman "Lichtspiel" der Nazi-Diktatur nicht von der Seite der moralischen Schuld, sondern zeigt – in der Tradition von Filmen wie Lubitsch' "Sein oder Nichtsein" und Charlie Chaplins "Der große Diktator" – ihre Lächerlichkeit, zeigt die absurden Verrenkungen, die die Zeitgenossen eingingen, als sie sich der Diktatur anpassten. So erinnert Kehlmann auch daran, wie leicht Menschen zu Mitläufern werden – aus vermeintlich "guten Absichten".

Thomas Böhm zusammen mit Daniel Kehlmann © radioeins
Thomas Böhm zusammen mit Daniel Kehlmann | © radioeins

Im Mittelpunkt des Buches steht G. W. Papst, einer der bekanntesten Regisseure der Weimarer Republik. Er hatte als Filmpionier und Entdecker von Schauspielerinnen wie Greta Garbo und Louise Brook großen internationalen Ruhm errungen. Als die Nazis an die Macht kamen, ging er nach Hollywood. Als er dort erfolglos blieb, kehrte er nach Deutschland zurück – und drehte Filme für die Nazis.

Daniel Kehlmann erzählt in seinem Roman "Lichtspiel" die Geschichte von G. W. Papst und entwirft zugleich ein Gesellschaftsportrait der Nazizeit - mit den Mitteln der literarischen Komik, die Kehlmann so beherrscht, wie kein zweiter deutschsprachiger Autor der Gegenwart. So erwartet uns eine Geschichtsstunde der anderen Art: voller erzählerischer Kabinettstücke und erhellender Einsichten. Und nicht nur das: Die Idee eines Filmprogramms aufgreifend stellt Daniel Kehlmann dem Hauptfilm "Lichtspiel" noch zwei weitere literarische "Kurzfilme" an die Seite – wir dürfen gespannt sein, welche das sind.

Die Schöne Lesung in Kooperation mit dem Rowohlt Verlag wurde moderiert von radioeins-Literaturagent Thomas Böhm und live auf radioeins und radio3 übertragen.

Daniel Kehlmann: "Lichtspiel" © Rowohlt
Daniel Kehlmann: "Lichtspiel" | © Rowohlt
Daniel Kehlmann Lichtspiel Heike Steinweg
Heike Steinweg