Wilhelmstraße - Streetview

Streetview: Wilhelmstraße in Spandau
Streetview: Wilhelmstraße in Spandau | © radioeins/Warnow

Die Spandauer Wilhelmstraße hat eine historisch bewegte Vergangenheit: in der Trainkaserne war einst die britische Armee stationiert – heute befindet sich in der denkmalgeschützten Anlage unter anderem die bedeutendste geologische Sammlung Deutschlands. Internationale Bekanntheit erlangte die Wilhelmstraße nach dem Zweiten Weltkrieg aber vor allem durch das Kriegsverbrechergefängnis…

Wilhelmstadt

Die Wilhelmstadt ist ein Berliner Ortsteil im Bezirk Spandau, dessen Namen sich von Kaiser Wilhelm I. ableitet. Anlässlich des 100. Geburtstags des Kaisers erhielt die ehemalige Potsdamer Vorstadt im Jahr 1897 ihren heutigen Namen und die Potsdamer Chaussee wurde nördlich der Karolinenhöhe in „Wilhelmstraße“ umbenannt.

Wilhelmstadt
Wilhelmstadt

Den Ortsteil prägen Mietskasernen und nur teilweise sanierte Altbauten genauso wie Parks und Erholungsgebiete direkt am Wasser. Ein Tauchturm mit Europas einziger „nasser“ Tiefenrausch-Simulationsanlage, eine Schiffstankstelle und die Schiffsbunkerstation Spandau sind hier ebenso zu finden wie das Kombi-Bad Spandau.

Ehemaliges (Kriegsverbrecher-)Gefängnis

In der ehemaligen Festungsstadt Spandau wurde zwischen 1878 und 1898 eine Festungshaftanstalt für Militärangehörige gebaut. Nach dem Ersten Weltkrieg saßen hier dann eher verurteilte zivile Kleinkriminelle ein, während Schwerverbrecher in Plötzensee und Tegel untergebracht waren.

Festungsgefängnis
Festungsgefängnis

Nach dem Reichstagsbrand 1933 nutzten die an die Macht gekommenen Nazis das Gefängnis als sogenanntes Schutzhaftlager, um dort überwiegend politische Gegner zu inhaftieren, u.a. Egon Erwin Kisch, Karl von Ossietzky und während des Krieges auch Mitglieder des europaweiten antifaschistischen Netzwerkes „Rote Kapelle“. Viele von ihnen wurden hingerichtet. Nachdem

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges übernahmen die Alliierten das Gefängnis und lieferten nach den Nürnberger Prozessen 7 verurteilte Kriegsverbrecher des NS-Regimes dort ein. Unter ihnen den Architekten Albert Speer und den ehemaligen Reichsjugendführer Baldur von Schirach. Nach deren Entlassung 1966 blieb Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess als einziger Gefangener dort. Er hatte ca. 6 Zellen für sich, eine kleine Bibliothek, durfte Briefe schreiben. Nachdem der zu lebenslanger Haft verurteilte Hess sich am 17. August 1987 selbst getötet hatte, wurde das völlig marode Gefängnis abgerissen, um Neonazis keinen Wallfahrtsort zu hinterlassen. Trotzdem werden jedes Jahr um den 17. August herum Nazidemos angemeldet, die aber meistens von Gegendemonstranten verhindert werden (in diesem Jahr am 18.8.2018).

Ab Mai 1988 wurde dort dann das ehemalige „Britannia Centre Spandau“ für die britischen Streitkräfte gebaut und 1990 eröffnet. Dazu gehörten Einkaufs-, Wohlfahrts-, Arbeits- und Rundfunk-Einrichtungen und auch einen Cinema-Complex für die britische Militärgemeinde in Berlin.

Nachdem die Berlin Infantry Brigade Mitte 1994 aufgelöst wurde, verlor das Britannia Centre Spandau seinen Namen und wurde dadurch das einzige nahmenlose Einkaufszentrum Berlins. Heute ist auf dem Gelände ein Kaufland.

Ehemaliges Gefängnis in der Wilhelmstadt
Ehemaliges Gefängnis in der Wilhelmstadt

Die einzigen Überbleibsel, die an das architektonisch beeindruckende Gefängnis erinnern, sind einige zweistöckige Häuser aus rotem Backstein, die früher als Beamtenwohnungen dienten.

Mehr dazu in dem Buch „Das Gefängnis Spandau 1918–1947. Strafvollzug in Demokratie und Diktatur“ von Dr. Johannes Fühlberth, Leiter des ZLB, Zentrum für Berlin-Studien

Rezension unter:
https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-23928

Möbelladen „Casa Innatura“

Öffnungszeiten:
Montag - Freitag 10:00 - 18:00 Uhr  
Samstag            10:00 - 16:00 Uhr

In einem dieser historischen Backsteingebäude mit Kreuzgewölben und gusseisernen Säulen eröffnete Mitte der 1990er Jahre der Möbelladen „Casa Innatura“, spezialisiert auf Massivholzmöbel im Landhausstil. Wer genauer hinschaut, dem wird auffallen, dass einige Räume wie ein Studio ausgestattet sind: mit extra schalldichten Türen und Fenstern. Und genau das gab es hier: Ein Radiostudio des British Forces Broadcasting Service (BFBS). Der nahm seinen Dienst 1946 in Berlin auf, zunächst mit einer kleinen Sendeanlage in der Stallupöner Allee 19–23 in Westend. Von dort wurde allerdings kein eigenes Programm ausgestrahlt. Man verbreitete Sendungen, die vom BFBS in Hamburg produziert wurden, wo ab 1948 Chis Howland als Chefsprecher und Chef der Musikabteilung tätig war.

Casa Innatura
Casa Innatura

1961 wurde eine „Zweigstelle“ des Haupthauses in Köln gegründet – und zwar in der Spandauer Wilhelmstraße. Bis 1969 handelte es sich jedoch nur um ein „Beitragsstudio“. Hier wurden in der Regel drei Nachrichtenblöcken pro Woche und tägliche, lokale Meldungen und News produziert. Erst mit dem Umzug in größere und bessere Räumlichkeiten an den Theodor-Heuss-Platz ist nach und nach aus dem BFBS eine richtige und ernstzunehmende Radiostation geworden. Anfang der 1990er wurde Spandau dann auf ein Neues Heimat des BFBS...

Prof. Dr. Oliver Zöllner ist Medienwissenschaftler an der Hochschule für Medien in Stuttgart und hat ein Buch über den BFBS geschrieben – Titel: „BFBS – Freund in der Fremde“.

Ehemalige Kasernen Wilhelmstraße

Die Stadt Spandau wurde mit dem Bau der Zitadelle 1557-1584 zunächst Festungs- und im Dreißigjährigen Krieg auch Garnisonsstadt, 1722 mit dem Bau der ersten Gewehrmanufaktur dann die Waffenschmiede Preußens. Im 18. und 19. Jahrhunderts kamen weitere Kriegsmaterialfabriken hinzu und es wurden erste Kasernen für die Soldaten errichtet, so auch in der damals dünn besiedelten Wilhelmstadt im Süden Spandaus. Die Kaserne war für das Brandenburgische Train-Bataillon Nr. 3 bestimmt. 1948 wurde sie von den britischen Streitkräften besetzt und nach Feldmarschall Jan Christiaan Smuts “Smuts Barracks” benannt. Zahlreiche historische Gebäude der ehemals architektonisch geschlossenen Anlage mit reich gestalteter Bauverzierung wurden später abgerissen und durch Neubauten ersetzt. Nur noch einzelne erhaltene und inzwischen unter Denkmalschutz stehende Gebäude lassen erahnen, wie beeindruckend die einstige Kaserne aussah: die Wache, das Offiziers- und Verwaltungshaus an der Wilhelmstraße, die Kantine, die Stallungen und die im ehemaligen Wohnhaus des Kommandanten untergebrachte Officers Mess.

Wilhelmstadtschulen
Wilhelmstadtschulen

In der Smuts-Kaserne waren damals 18 Panzer stationiert, die im Ernstfall sie (Versuch der Sowjetunion, West-Berlin zu annektieren) eingesetzt werden sollten. Die Alarmbereitschaft wurde meist nachts mit überraschenden Übungseinsätzen unter dem Codenamen „Schaukelpferd“ (Rocking Horse) überprüft. Dann musste die Besatzungen mit ihren Panzern auch schon mal im Winter bei 20 Minusgraden um Mitternacht zum Havelufer rollen und den Fluss auf Spezialfähren überqueren, so als wären die Brücken gesprengt worden.

1993 räumten die Britischen Streitkräfte die Smuts Barracks. 1997 wurde das Gebäude nach mehrjährigem Lehrstand vom damaligen Bundesvermögenamt für zehn Jahre an das in der Hotelbranche erfahrene Ehepaar Sch. aus Friedrichshain vermietet.

Kasernenkomplex
Kasernenkomplex

2012 verkaufte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) gut die Hälfte des rund 160.000 Quadratmeter große Areals der ehemaligen Smuts-Kaserne an den deutsch-türkischen Verein TÜDESB, der dort die Wilhelmstadt-Schulen mit Gymnasium, integrierter Sekundarschule, Grundschule und Kita betreibt. Der Rest des Areals wird unter anderem von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe genutzt mit – nach Eigendarstellung – der bedeutsamsten geologischen Sammlung in Deutschland.

Der Komplex der Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne wurde erst während des Ersten Weltkrieges zwischen 1914 und 1918 erbaut und in den 1930er Jahren durch weitere Gebäude ergänzt. Sie erhielt nach der Übernahme der Kasernen durch die britischen Aliierten den Namen “Brooke Barracks” – benannt nach Feldmarschall Alan Francis Brooke, der ab 1941 der wichtigste Berater Winston Churchills und der Alliierten war. Nach Abzug der Briten wurde das Gelände vorwiegend von Gewerbetreibenden genutzt, auch ein Supermarkt steht dort.

Kasernenkomplex
Kasernenkomplex

2015, als die große Flüchtlingswelle auch Berlin überrollte, richtete der Senat praktisch über Nacht eine große Unterkunft in Teilen der ehemaligen Schmidt-Knobelsdorf-Kaserne ein und brachte dort ca. 1.500 Menschen unter. Heute leben dort noch ca. 500 Flüchtlinge, die nach jüngsten Plänen des Senats nach und nach aber umgesiedelt werden sollen. Denn eigentlich hatten Senat und Bezirk geplant, hier ein neues Stadtquartier entstehen zu lassen, mit 1000 Wohnungen, Gewerbeflächen, Schule, Kita und Einkaufsmöglichkeiten. Nun lässt der Bund allerdings prüfen, ob genau hier ein neues Quartier für die Antiterroreinheit der Bundespolizei GSG 9 gebaut werden soll.

Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)

Die BGR ist eine Forschungseinrichtung auf den Gebieten Geologie, Rohstoffe, Polarforschung und Geodatenverwaltung. Außerdem fungiert die BGR als zentrale geowissenschaftliche Beratungseinrichtung der Bundesregierung und gehört zum Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi).

Als geowissenschaftliches Kompetenzzentrum berät und informiert sie die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft in allen geowissenschaftlichen und rohstoffwirtschaftlichen Fragen.

Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe
Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe

Mit der Deutschen Rohstoffagentur (DERA), die ebenfalls auf dem Gelände der früheren Trains-Kaserne sitzt, berät die BGR seit Oktober 2010 die deutsche Wirtschaft in Fragen der Verfügbarkeit und nachhaltigen Nutzung von Rohstoffen sowie zu aktuellen Marktentwicklungen.

In den ehemaligen Stallungen der Trains-Kaserne befinden sich die bedeutenden und sehr umfangreichen geowissenschaftlichen Sammlungen der BGR. Sie sind nicht für die Öffentlichkeit zugänglich, werden aber von Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland für Forschungszwecke genutzt.

Melanchtonkirche

Die evangelische Kirche im Spandauer Ortsteil Wilhelmstadt wurde am 15. Dezember 1893 eingeweiht. Entworfen vom Königlichen Baurat Heinrich von Lancizolle, geht der Baustil der denkmalgeschützten Kirche auf die norddeutsche Backsteingotik zurück. Der Reformator und Lutherianer Philipp Melanchthon hatte sich mehrere Wochen in Spandau aufgehalten, weshalb er als Namensgeber für das Gotteshaus ausgewählt wurde.

Melanchtonkirche
Melanchtonkirche

Die besondere Geschichte der Melanchtonkirche ist mit der Zeit des Faschismus verbunden, denn die Melanchthongemeinde galt als eine „Hochburg“ der regimetreuen Deutschen Christen. Doch es gab auch eine Minderheit von Laien der oppositionellen Bekennenden Kirche. Die Gruppe bekam die Melanchthonkirche aber nur selten  überlassen. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche dann beschädigt und in den 1950er Jahren restauriert.