radioeins feiert Östern - Gebrauchsanweisung für Österreich

Östern: Gebrauchsanweisung für Österreich
Östern: Gebrauchsanweisung für Österreich | © IMAGO/imagebroker

Vermeintlich sind Deutsche und Österreicher aus einem ähnlichen Holz geschnitzt. Aber Obacht! Es gibt dann doch besondere Feinheiten zu beachten. Wer zur besseren Einfühlung in die österreichische Seele vor seinem nächsten Trip in die entsprechenden Lande sich etwas Lektüre zuführen will, dem sei die "Gebrauchsanweisung für Österreich" von Heinrich Steinfest empfohlen. Einige Ausschnitte daraus finden Sie am Östertag hier.

1. Schönheit vs. Giftigkeit

Im Umgang mit Österreichern empfiehlt es sich, ob deren »Schönheit« nicht deren »Giftigkeit« zu übersehen. Diese Warnung gilt vor allem für den deutschen Reisenden, der sich nicht selten eine Artverwandtschaft einredet, mitunter sogar eine Blutsverwandtschaft, und sich darum eine Nähe und Vertraulichkeit erlaubt, die unvernünftig ist. Man würde ja auch nicht mit einer hochgiftigen Staatsqualle in Berührung treten, nur weil man selbst zufälligerweise ebenfalls zum Stamm der Hohltiere zählt.

2. Kleinstaatlichkeit

Der Österreicher schätzt es gar nicht, auf seine Kleinstaatlichkeit heruntergestuft zu werden. Vielmehr sieht er sich als »Kulturmensch«, ja als der Kulturmensch. Und weil sein Selbstbewusstsein in Bezug auf die Kultur enorm ist, widerstrebt es ihm, genaue Definitionen vorzunehmen. So wenig ein Engel erklärt, warum er ein Engel ist. Engel wird man einfach. Jedenfalls ist der Kulturbegriff der Österreicher sehr viel weniger konkret, als man das bei anderen Europäern erlebt. Für den Österreicher ist praktisch alles Kultur. Und alles ist sein eigenes Verdienst. Selbst die Natur. Der Österreicher hält die Natur in seiner Umgebung für einen Ausdruck der eigenen Kulturleistung.

3. Kein Formelmensch

Glauben Sie bitte nicht, der Österreicher würde sich von der Stichhaltigkeit eines Arguments beeindrucken lassen. Er ist kein Formelmensch, allerdings auch kein Bauchmensch, sondern eben ein Kulturmensch, für den die Art, wie ein Argument vorgetragen wird, mehr zählt als das Argument selbst. Wenn Sie ihn überzeugen wollen, dann achten Sie also auf Ihre Fabulierkunst, bemühen Sie sich um Witz und Charme und Eleganz, und vernachlässigen Sie das Prinzip exakter Wissenschaft. Lieber ein schöner falscher Satz als ein richtiger Satz, der den Verdacht nährt, Sie seien fade, kleinmütig und phantasielos. Das aus der experimentellen Mathematik bekannte Prinzip, nach dem einfache Lösungen die schönsten sind, gilt dem Österreicher wenig. Man kann sagen, er ist ein Meister des Umständlichen, ein Meister der Umwege und der Verwicklungen. Wenn man etwas kompliziert sagen kann, wieso einfach?

4. Dazu lernen, nein danke!

Das Dazulernen ist sowieso unösterreichisch. Es gilt als unsportlich, defätistisch und stillos. Es ist etwas, was man gerne den Deutschen zuordnet. Die Deutschen sollen aus der Geschichte lernen, gleich Versuchstieren, die durch Bestrafung und Belohnung beim nächsten Mal einen besseren Weg aus dem Labyrinth finden. Die Österreicher aber sehen sich selbst als Labyrinth. Was also sollten sie lernen?

5. Schwedenbombe

Nein, nicht die vielgerühmte oder auch nur berühmt-berüchtigte Sachertorte sollten Sie als erstes zu sich nehmen, wenn Sie auf dem Planeten Österreich landen, sondern in den nächsten Supermarkt gehen und eine Packung Schwedenbomben erstehen … Wenn man will, kann man sagen, sie symbolisieren Österreich: nicht größer als nötig. Ein einziger Biss macht den Unterschied klar. Kein schwerer Schaum, sondern eine leichte Creme. Keine zuckrige Gewalt, sondern eine milde Süße wie ein warmer Wind. Geschlagenes Eiklar und fetthaltiger Kakao im stabilen Miteinander, erneut das Prinzip des Walzers und Landlers anwendend, bei dem die Tänzer immer die richtige Distanz wahren, das Miteinander nicht übertreiben.

6. Suppe

Und damit sind wir beim heikelsten Thema überhaupt angelangt: der österreichischen Suppe. Wenn man nämlich eine Verbindung zwischen Magie und Essen herstellt und daran glaubt, dass manche Speise sich besser eignet als andere, Abhängigkeiten zu schaffen, Liebe oder Hass zu erwecken, Zungen zu lösen oder Münder zu verschließen, das Beste und das Schlechteste aus einem Menschen herauszuholen – also Hexerei zu betreiben –, dann ist die österreichische Suppe das herausragende Medium. Gerade weil sie nicht so dramatisch oder dramatisch bescheiden daherkommt wie irgendeine neue Küche, irgendeine Präsentation des Exotischen oder Wiederentdeckten. Und das ist wohl der Grund, dass, sobald Österreicher vor einer Suppe sitzen, sie vollkommen konzentriert sind. Als ahnten sie, dass mit dem Genuss dieser Suppe etwas Entscheidendes mit ihnen geschieht. Sie sind jedenfalls vorbereitet, während der Ausländer oder frisch Zugezogene sich dieser Gefahr oder Möglichkeit selten bewusst ist.

7. Genie & Wahnsinn

Die Österreicher lieben Begriffspaare, etwa Schuld & Unschuld, Religion & Freizeit, Traum & Wirklichkeit, Sport & Kunst, Sinn & Verbrechen, vor allem aber Genie & Wahnsinn. Und weil sich jeder ein bisschen für ein Genie hält, meint auch jeder, ein wenig Anspruch auf den Wahnsinn zu haben, aber natürlich im Rahmen des Erträglichen und des Gesetzlichen. Wer darüber hinausgeht, wer sozusagen zu viele Teile seines Genies aus seinem Wahnsinn bezieht, ist entweder ein Künstler, ein Sonderling oder sitzt folgerichtig im Irrenhaus. Das Irrenhaus wiederum ist für den Österreicher ein weiterer Spiegel, durch den man tiefer in das Innere des eigenen Wesens vordringen kann. Daraus ergibt sich ein gewisser Irrenhauskult, durchaus vergleichbar jener klischeebildenden Liebe zum Tod.

9. Der Österreicher und der Tod

Der Österreicher als solcher redet und singt und schreibt unentwegt über den Tod, spielt mit dem Gedanken an das eigene Sterben, ja er scheint von einer pathologischen Liebe zu todesnahen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Arztpraxen und selbstredend Friedhöfen beherrscht, doch er tut dies alles nur, um den Tod in Schach zu halten, ihn zu verblüffen, ihn zu paralysieren. Der Österreicher steigt mit dem Tod in den Ring, im Bewusstsein eines Gegners von hoher kämpferischer Qualität, der noch dazu im Ruf steht, letztendlich jeden Kampf zu gewinnen. Doch genau im Ignorieren dieser finalen Überlegenheit des Todes besteht ein österreichischer Charakterzug.


"Gebrauchsanweisung für Österreich" von Heinrich Steinfest
"Gebrauchsanweisung für Österreich" von Heinrich Steinfest

"Gebrauchsanweisung für Österreich" von Heinrich Steinfest; erschienen im Pieper Verlag, 224 Seiten; 15 €

radioeins feiert Östern!
radioeins/Kerstin Warnow

radioeins feiert Östern

Am Ostermontag überlassen wir das Osterfest den anderen und rufen den Östermontag aus. Wir wollen mit Ihnen Östern feiern und damit die Deutsch-Österreichischen Verzwirbelungen, Spezialitäten und Besonderheiten. Von 9 bis 21 Uhr erwartet Sie ein Radioday mit Schmäh und vielen Überraschungen. An diesem Tag wird natürlich auch nur Musik aus Österreich laufen. Viel Spaß!