Harald Martenstein über - Cancelwahnsinn
Unser Autor sorgt sich weniger um einzelne Fanatiker, die alles "canceln" wollen. Sondern vielmehr um jene, die abstreiten, dass es das Phänomen überhaupt gibt.
Von der Cancel-Culture sagen ja manche hartnäckig, es gebe sie gar nicht. Von der Stadt Bielefeld behaupten Spaßvögel das Gleiche. In beiden Fällen ist die Beweislage dünn, dazu laufen einfach zu viele Bielefelder und zu viele Gecancelte da draußen herum. Eigentlich könnte Martenstein jede Woche eine Rubrik "frisch gecancelt" schreiben. Canceln ist allerdings kein speziell linkes Pläsier. Auch von rechts werden Bücher, Wörter, Personen oder Ideen ausgemerzt, wenn es sich machtmäßig machen lässt. Aus der Schulbibliothek der Vero Beach High School in Florida wurde ein Buch über Anne Frank entfernt, das Mädchen, das sich in Amsterdam vor den Nazis versteckt hielt und dessen Tagebuch nach ihrer Ermordung weltberühmt wurde. Das Buch von Ari Folman und David Polonsky, Ersterer ein Sohn von Holocaustüberlebenden, hat das Tagebuch in einen Comic übersetzt, um es für Jugendliche zugänglicher zu machen. An einer Stelle sieht Anne mit ihrer Freundin eine nackte Statue, die aufgeregten Mädchen zeigen einander anschließend ihre Brüste. Erwachende Sexualität spielt auch im Original eine Rolle.