Mailand - Mittelwellenmast Siziano abgerissen

Siziano
Siziano mit den Mittelwellenmasten | © Open Street Map

Mit dem 10. September 2022 endete die Ära der AM-Sendungen des italienischen Rundfunks Rai. Ein knappes Dreivierteljahr später erscheinen erste Bilder vom Verschwinden der zuletzt noch dafür genutzten Infrastruktur.

Eliminiert wurde (zumindest) der südliche Mast der Mittelwellenstation Siziano, bei Mailand an der Eisenbahnstrecke nach Genua.

Hauptfrequenz dieses Senders war 900 kHz, in der Vergangenheit mit einer Leistung von 600 kW. Bis 2011 lief hier auch das spezielle, auch für das Ausland bestimmte Nachtprogramm „Notturno Italiano“.

Nach dessen Wegfall blieb die zuletzt noch mit 50 kW betriebene Frequenz mit dem UKW-Nachtprogramm von Radio Uno weiter rund um die Uhr eingeschaltet. Folglich endete ihr Betrieb aus dem laufenden Programm heraus, während auf den anderen Mittelwellen als Abschied noch einmal die Prozedur der nächtlichen Sendepause zu hören war.

Sender Santa Palomba
Die 2013 eliminierten Antennen (Fachwerkturm 846 kHz und Dreimastantenne 1332 kHz) in Santa Palomba | © Mirkuz, CC

Auch bei Rom, am Standort Santa Palomba, betrieb die Rai einen Hochleistungs-Mittelwellensender. Gegen Ende der 90er Jahre wurde hier die Frequenz 846 kHz mit neuer Technik auf 1200 kW verstärkt.

Wenig später bekam die Rai jenes robuste Vorgehen der Behörden gegen „Elektrosmog“ zu spüren, dem sich selbst Radio Vatikan zu beugen hatte: Im Jahre 2000 setzte ein Gerichtsvollzieher die Anlage für zwei Wochen zwangsweise außer Betrieb. Danach wurden nur noch Ausstrahlungen mit geringer Leistung gestattet.

Zur Kompensation mietete die Rai Sendezeit auf der ursprünglich für Italien bestimmten Mittelwelle von Radio Monte Carlo, 702 kHz. Diese Sendeanlage ist seit 2016 ebenfalls stillgelegt. Ihre Nutzung durch die Rai endete 2004 mit dem ersten großen Rückbauschritt, bei dem Radio Due und Radio Tre ganz von der Mittelwelle verschwanden.

Unter den mehr als 70 Sendern, die seinerzeit stillgelegt wurden, befanden sich die Frequenz 1602 kHz von Rai Südtirol, die Zweitfrequenz 693 kHz in Siziano und zunächst auch die gesamte Sendeanlage Santa Palomba.

2007 kehrte die Mittelwelle 846 kHz noch einmal mit geringer Leistung zurück. 2008 wurde daraus ein Pilotprojekt mit digitalen AM-Sendungen, das auch in Siziano auf 693 kHz lief, jedoch schon bald sein Ende fand. Die Antennen in Santa Palomba sind schließlich 2013 abgerissen worden.

Sender Bozen-Montiggl
Archivbild des 2013 demontierten Mittelwellensenders Bozen-Montiggl

Der nächste Schließungsschritt folgte 2012 mit der Abschaltung von Sendern bei Bologna und bei Caltanissetta (567 kHz) sowie bei Neapel und bei Bozen (657 kHz). Die Sendeanlage Montiggl, im Tal der Etsch, wurde schon wenige Wochen nach der Stillsetzung demontiert.

Sender Bruneck
Archivbild des Mittelwellensenders Bruneck

2013 endete der Mittelwellenbetrieb in Südtirol und Trentino schließlich ganz. Als letzte verstummten die Sender in Bruneck (nach dem Entfall der Frequenz 1602 kHz noch mit italienischem Programm auf 1449 kHz aktiv gewesen) und in Trient (1062 kHz).

Nachdem 2005 bzw. 2007 auch die Ausstrahlungen auf Lang- und Kurzwelle entfallen sind, war die Rai im AM-Bereich zuletzt noch mit elf Sendern auf den Mittelwellen 657, 900, 936, 981, 999, 1062, 1107, 1116, 1431, 1449 und 1575 kHz aktiv. Das auf 657 kHz eingesetzte Sendegerät ist aus Florenz nach Coltano bei Pisa umgesetzt worden.

Eine Besonderheit gab es in Triest. Über das, was von der dortigen Mittelwellenanlage noch übrig war, lief Radio Trst A, das slowenischsprachige Programm aus dem Triester Funkhaus.

Die abendliche Ausschaltung der Mittelwelle 981 kHz, auch die endgültige, war auf 20.10 Uhr eingestellt, da das tägliche Programm von Radio Trst A um 19.36 Uhr endet. Danach läuft eine Übernahme von Radio 3 Classica, einem Programm, wo Sprechautomaten keine Dystopie, sondern bereits Wirklichkeit sind.

Trotz der umfangreichen UKW-Verbreitung von Radio Trst A sah man in Ljubljana durch den Wegfall der Mittelwelle die Rechte der slowenischen Minderheit in Gefahr und bat den italienischen Botschafter zu einer Unterredung. Zur Glättung der Wogen sollten besondere Hinweise auf die Satellitenübertragung beitragen.

Venetien
© University of Texas

Auf Satellit gab es auch die Mittelwellenversion von Radio Uno. Sie enthielt insbesondere Audiodeskriptions-Fassungen einer der abendlichen Fernsehsendungen. Für den Fall fehlenden Zugriffs auf diese zusätzlichen Tonspuren verweist die Rai jetzt auf einen gesonderten Internetstream.

Der Satellitenkanal dient nun der wiederum politisch erforderlichen Weiterführung einer anderen Besonderheit auch als linearer Hörfunk: Der für die gesamte Region Venetien bestimmten Sendung (wohlgemerkt kein ganztägiges Programm) Ora della Venezia Giulia des Funkhauses Venedig.

Hier war es umgekehrt die Unione Italiana, der Verband der italienischen Minderheiten in Slowenien und Kroatien, die Alarm geschlagen hatte: Eine ausschließliche Nutzung des Internets würde „in jedem Fall die ältere Bevölkerung ausschließen“.

Dabei ist wirklich schwer vorstellbar, wie noch jemand die Sendung auf 936 kHz über mehr als hundert Kilometer hinweg gehört haben soll. Betrieben wurde diese Frequenz von den Resten des Senders Venedig-Campalto zuletzt lediglich mit 5 kW (andere Quellen sprachen gar von 2 kW).

Mit geringer Leistung war nach dem endgültigen Rückzug der Rai auch die Siziano-Frequenz 693 kHz noch einmal in Betrieb, diesmal für ein Radio Zainet, das diese Mittelwelle weiterhin nennt. Zu hören ist hier allerdings nichts mehr.

Eine andere derartige Station aus Mailand fiel unmittelbar nach dem Ende der Mittelwellenverbreitung des britischen Absolute Radio damit auf, sich dessen Hauptfrequenz zu greifen. Ein Kenner der Szene meldete sich deshalb mit einigen offenen Worten über diese Sendeveranstaltungen:

„Keine inhaltlichen oder wirtschaftlichen Konzepte über nostalgischen Quatsch hinaus. Sehr wenig Geld. Hohe Kosten, die sie längerfristig kaum werden tragen können.
Wenn es ihnen ihr Bauch sagt, ändern sie die Frequenz, benachrichtigen die ITU (es interessiert sowieso niemanden, nachdem Mittelwellensender überall in Europa abgeschaltet werden und außer DXern keiner mehr Notiz davon nimmt) und machen weiter. Für sich selbst und für ein paar hundert alternde Radiofreaks.“

 

Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 27.05.2023