Italien - Mittelwellen der Rai abgeschaltet

Versuche, das Thema fast in letzter Minute noch auf eine außenpolitische Ebene zu eskalieren, haben natürlich nichts mehr genützt: Seit dem 11. September 2022 sendet der italienische Rundfunk Rai nicht mehr auf Mittelwelle.
Auf den meisten Mittelwellen endete die Programmübertragung um Mitternacht. Die Frequenz 981 kHz vom Sender Triest (bzw. dem, was davon noch übrig ist) wurde planmäßig bereits um 20.10 Uhr abgeschaltet.
Dort lief Radio Trst A, das slowenischsprachige Programm aus Triest, dessen tägliche Sendezeit um 19.36 Uhr endet. Danach übernimmt es bis zum nächsten Morgen um 7.00 Uhr (sonntags 8.00 Uhr) mit Radio 3 Classica ein Programm, in dem Sprechautomaten keine Dystopie, sondern bereits Realität sind.
In Ljubljana sah man durch die Abschaltung der Mittelwelle die Rechte der slowenischen Minderheit in Gefahr. Deshalb wurde der italienische Botschafter vom Minister für Slowenen im Ausland zu einer Unterredung gebeten.
Die UKW-Kette von Radio Trst A liefere, so wurde dem Botschafter in dem Gespräch vorgetragen, „bei weitem“ keine ausreichende Versorgung. Eine Abschaltung des Mittelwellensenders sei „vielleicht langfristig“ zu rechtfertigen.
Anscheinend wird auf italienischer Seite nun versucht, die Wogen mit besonderen Verweisen auf die Satellitenausstrahlung von Radio Trst A zu glätten. Der vom Rai-Hörfunk genutzte Hotbird-Transponder dient bereits als Vehikel dafür, umgekehrt die Einstellung einer linearen Sendung für Italiener in Slowenien zu vermeiden.
Hier hatte die Unione Italiana, der Verband der italienischen Minderheiten in Slowenien und Kroatien, Alarm geschlagen: Eine ausschließliche Nutzung des Internets würde „in jedem Fall die ältere Bevölkerung ausschließen“.
Dabei ist wirklich schwer vorstellbar, wer die betreffende Sendung in Slowenien noch auf Mittelwelle gehört haben soll: Ausgestrahlt wurde sie auf 936 kHz über den Sender Venedig, der zuletzt nur noch mit 5 kW arbeitete.
Bei der fraglichen Sendung Ora della Venezia Giulia handelt es sich auch um eine Produktion des Funkhauses Venedig. Sie läuft werktags um 15.45 Uhr und sonntags um 14.30 Uhr, und zwar jetzt über jenen Satellitenkanal, der zuvor die landesweite Mittelwellenversion von Radio 1 übertrug.
Diese enthielt insbesondere die Audiodeskription einer der abendlichen Fernsehsendungen. Die Bestätigung für den vor einem Jahr als Branchenklatsch durchgesickerten, von der Rai sehr zurückhaltend behandelten Ausstieg aus der Mittelwelle lieferte folglich auch erst eine einschlägige Informationsseite.
Auf fast allen Frequenzen gab es um Mitternacht noch einmal die übliche Abschaltprozedur. Auf der Mailänder Mittelwelle 900 kHz, zu deren zuletzt noch verbliebener Sendeleistung man sich nun auf die Angabe 50 kW geeinigt hat, waren vor der Kappung des Trägers jedoch ein allerletztes Mal die Zeitkennung und -ansage zu hören.
Diese Frequenz war zusammen mit Pisa 657 kHz und der Stadtfrequenz Rom 1107 kHz (dies als Ersatz für die Großmittelwelle 846 kHz) rund um die Uhr in Betrieb. Das war eine letzte Erinnerung an das spezielle Nachtprogramm „Notturno Italiano“, das bereits mit Ablauf des Jahres 2011 sein Ende gefunden hatte.
Stand vom 09.10.2022

Den Anfang vom Ende besorgte bereits im Jahre 2000 ein Gerichtsvollzieher damit, den Romer Sender Santa Palomba für zwei Wochen zwangsweise stillzusetzen. Auch danach wurde kein Betrieb der Hauptfrequenz 846 kHz mit der erst wenige Jahre zuvor durch den Einbau moderner Sender erreichten Leistung von 1200 kW mehr gestattet.
Zur Kompensation mietete die Rai bis 2004 Sendezeit auf der ursprünglich für Italien bestimmten Mittelwelle von Radio Monte Carlo, 702 kHz. Deren Sendeanlage ist seit 2016 nun ebenfalls nicht mehr aktiv.
Das Jahr 2004 brachte eine große Zäsur: Die Rai beendete die Mittelwellenverbreitung des zweiten und dritten Hörfunkprogramms. Das führte auf einen Schlag zur Abschaltung von mehr als 70 Sendern. Betroffen war auch die bis dahin für das deutsche Programm von Rai Südtirol genutzte Frequenz 1602 kHz.
Damit stellte auch der Sender Santa Palomba seinen regulären Betrieb ein. Im Rom beschränkt sich der Mittelwellendienst der Rai seitdem auf den nur maximal 10 kW starken, auf 1107 kHz zuvor mit dem dritten Programm bespielten Sender Monte Ciocci.
2007 kehrte die Frequenz 846 kHz noch einmal mit geringer Sendeleistung zurück. 2008 wurde daraus ein digitaler Betriebsversuch, der jedoch bald wieder sein Ende fand. Das unwiderrufliche Ende kam schließlich 2013 mit dem Abbruch der Antennen.

Nächste Schließungsschritte waren 2012 auf 567 kHz die Abschaltung des Senders Bologna/Budrio und der – 2021 in die Schlagzeilen gekommenen – Station Caltanissetta sowie auf 657 kHz das Betriebsende in Neapel/Marcianise und in Bozen/Montiggl. Die Sendeanlage im Tal der Etsch wurde schon wenige Wochen nach der Stillsetzung demontiert.
Das Frühjahr 2013 brachte die Abschaltung der Sender in Bruneck (nach dem Entfall der Frequenz 1602 kHz zuletzt noch mit italienischem Programm auf 1449 kHz) sowie in Trient (1062 kHz). Mit der Abschaltung auch dieser Kleinsender war der Mittelwellenbetrieb in Südtirol und Trentino insgesamt beendet.

In Betrieb waren zuletzt noch elf Sender auf 657, 900, 936, 981, 999, 1062, 1107, 1116, 1431, 1449 und 1575 kHz.
Dabei wurde auf 657 kHz in Pisa/Coltano jene Sendetechnik nachgenutzt, mit der diese Frequenz bis 2004 aus Florenz kam.
Autor: Kai Ludwig