Hunderttausende Stromzähler betroffen - Beginnende Panik um die BBC-Langwelle

Radio Teleswitch
Ein Empfangsgerät für das auf 198 kHz mit übertragene Rundsteuersignal | © Richard Harvey

Als Termin für das Ende des Betriebs der BBC-Langwelle 198 kHz ist, zumindest bis jetzt, der 30. Juni 2025 in Stein gemeißelt. Noch immer wird über dieses Signal die Tarifumschaltung an hunderttausenden Stromzählern gesteuert. Aus den Erörterungen der Situation spricht zunehmend Panik.

Als Zahlen genannt wurden Ende März immer noch verbliebene 430.000 Stromzähler mit dem über das Langwellensignal laufenden Teleswitch-System und ein laufender Tausch von „mehr als 1000“ Geräten pro Arbeitstag.

Wie unschwer kalkuliert werden kann, hätte diese Rate ab April auf mehr als 6600 gesteigert werden müssen. Es ist nicht zu erkennen, mit welchen Kapazitäten so etwas zu bewerkstelligen wäre.

Die für die Energiewirtschaft zuständige Regulierungsbehörde Ofgem versieht ihre Durchhalteparolen inzwischen mit Bußgeldandrohungen. Zugleich verlangt sie „robuste Ersatzplanungen“ für beim „Beginn der schrittweisen Abschaltung“ noch verbliebene Teleswitch-Stromzähler.

Die Stillsetzung könnte tatsächlich „schrittweise“ erfolgen, denn es handelt sich um ein Gleichwellennetz mit drei Standorten. Um auch Schottland über Langwelle zu versorgen, wird der 500 kW starke Hauptsender Droitwich seit 1988 durch zusätzliche Anlagen mit jeweils 50 kW auf den Mittelwellenstationen Westerglen und Burghead ergänzt.

Dabei sollte ursprünglich nur in Burghead (an der Südküste des Moray Firth) die Langwelle 198 kHz genutzt werden. Nicht für ein zweites Langwellenprogramm, sondern für die Übertragung von Radio 4 aus Westerglen (zwischen Glasgow und Edinburgh) reservierte Großbritannien die zusätzliche Frequenz 225 kHz.

Wie sich aber zeigte, war das Signal des polnischen Senders Konstantynow zu stark, um dessen Frequenz mitnutzen zu können. Deshalb fiel die Entscheidung, aus Westerglen ebenfalls auf 198 kHz zu senden. Das erfordert zusätzliche technische Einrichtungen, um neben den Trägern auch die Modulation sehr präzise zu synchronisieren.

Stand vom 11.05.2025


Sender Droitwich
Die Langwellenantenne in Droitwich ist zwischen zwei Masten gespannt, von denen einer wiederum als Strahler der Mittelwelle 693 kHz geschaltet ist | © Jeff Gogarty, CC-BY-SA

Eigentlich wollte die BBC bereits 2023 die Langwelle abschalten. Seitdem hat die Energiewirtschaft die gesamten Betriebskosten zu tragen. Dem Vernehmen nach beläuft sich der zu zahlende Betrag mittlerweile auf 6 Millionen Pfund (7 Mio. Euro) pro Jahr.

Zwar wird auf 198 kHz nach wie vor das UKW-Programm von Radio 4 übertragen. Ein offizieller Verbreitungsweg ist die Langwelle seit dem 1. April 2024 jedoch nicht mehr.

Folglich endete am 15. April 2024 der Betrieb der neun Mittelwellensender, die das Langwellenprogramm ergänzend auf 603, 720, 756, 774, 1449 und 1485 kHz übertrugen. Damit entfiel die letzte Möglichkeit, einen nordirischen Sender überregional zu hören (die noch verbliebenen Mittelwellensender in Nordirland arbeiteten alle in Gleichwellennetzen).

Sender Lisnagarvey
Nicht mehr in Mitteleuropa zu hören: Sender Lisnagarvey bei Belfast | © Dean Molyneaux, CC-BY-SA

Mit dem Wegfall des Langwellenprogramms von Radio 4 wanderten eine Sendung über das Geschehen im Parlament am Vortag und die inzwischen auf billige Studioproduktionen eingedampften Radiogottesdienste in den Digitalkanal Radio 4 Extra, der eigentlich als alternatives Wortangebot ohne politische Sendungen gedacht war.

Von den Seewetterberichten verblieben nur die auch auf UKW übertragenen Ausgaben. Hier könnte man fragen, wie lange sie das Ende der AM-Ausstrahlung überdauern werden. Beim Deutschlandfunk, der sein Seewetter 2023 eingestellt hat, waren es gut sieben Jahre.

Auch bei der BBC steht längst der Kultfaktor im Vordergrund. Das zeigte sich schon 1993 in einer speziellen Fernsehausgabe, die einmalig die Ansage des Sendeschlusses von Radio 4 mit der des Nachtprogramms von BBC Two verband.

2013 gab es eine Umfrage unter Yachtbesitzern zur Nutzung der Seewetterberichte. Diese winkten nur ab, da sie längst Navtex im Einsatz hatten. Um die Ohren geschlagen bekam die BBC stattdessen den Unmut über die häufigen, stundenlangen Cricket-Sendungen, die ebenfalls zum Langwellenprogramm gehörten.

 

Beitrag von Kai Ludwig