198 kHz - Stand der Dinge bei der BBC-Langwelle

Über den vor einiger Zeit genannten Termin 31. März 2023 hinaus weiterhin in Betrieb ist die britische Langwelle 198 kHz. Da sich die BBC nicht mehr zu diesem Thema äußert, bleibt nur, zum Fortgang der Sache auf Angaben aus der Energiewirtschaft zurückzugreifen.
Dabei geht es um die ferngesteuerte Tarifumschaltung an Stromzählern. In Mitteleuropa gibt es dafür spezielle Signale, abgestrahlt über die als Anlagen des AM-Rundfunks bekannten Sendestationen Mainflingen bei Aschaffenburg (129 kHz), Lakihegy bei Budapest (135 kHz) und Burg bei Magdeburg (139 kHz).
In Großbritannien entschied man sich hingegen für eine Mitnutzung des Langwellen-Rundfunksignals der BBC. Von dessen künftigem Wegfall war schon 2011 die Rede.
Seitdem immer wieder gestreut wird ein anmutiges Gerücht von uralten Glasröhren, deren Vorrat allmählich zur Neige gehe. Tatsächlich uralt sind die ebenfalls gern gezeigten Fotos aus der Sendestation mit dem klangvollen Namen Droitwich.
Strikt verboten zu sein scheinen hingegen bildliche Darstellungen der heutigen Senderanlage, auch von deren Einbau in den 80er Jahren. Es gibt dazu nur Angaben des Lieferanten, der anschließend auch die schottischen AM-Hauptsender Burghead und Westerglen mit Langwellentechnik ausstattete.
In der Zwischenzeit wurden die Modulatoren der Langwellenanlage in Droitwich auf Transistortechnik umgebaut. Röhren finden sich damit nur noch in den Endstufen. Das sind keine auf der ganzen Welt zusammengekratzten „letzten Exemplare“, sondern moderne, verdampfungsgekühlte Tetroden in Keramik-Bauweise.
Bisherige Vereinbarungen, auf deren Grundlage sich die Energiewirtschaft mit zuletzt 1,5 Millionen Pfund pro Jahr an den Betriebskosten der Langwelle 198 kHz beteiligte, sind ausgelaufen. Verzögerungen beim Austausch der über dieses Signal gesteuerten Stromzähler verhinderten jedoch die geplante Abschaltung zum jetzigen Zeitpunkt.
Wie es aussieht, hat die Energiewirtschaft fortan den Sendebetrieb allein zu bezahlen, denn genannt wird ein neuer Preis von 4,9 Millionen Pfund. Die Beteiligten stimmen darin überein, auf dieser Grundlage für höchstens ein Jahr, also bis zum 31. März 2024, in die Verlängerung gehen zu wollen.
Diese Konstellation überrascht insofern, als nicht einfach nur weiter der Programmton von Radio 4 mit übertragen wird, sondern die BBC den Langwellendienst in allen Aspekten weiter aufrechterhält.
Das betrifft zum einen die nach wie vor aktiven Füllsender auf Mittelwelle, die das Langwellenprogramm dort übertragen, wo der Empfang auf 198 kHz am schlechtesten ist. Es sind auf 720 kHz Sender mit insgesamt 11 kW Leistung in Nordirland und in London sowie einige weitere Kleinsender auf 603, 756, 774, 1449 und 1485 kHz.
Dabei fällt auf, wie die BBC ihre zuletzt fast schon jährlichen Abschaltrunden für 2022 ausgesetzt und auch im neuen Jahr noch keine anstehenden Schließungen von Mittelwellensendern mitgeteilt hat. Beobachter in Großbritannien fragen sich bereits, ob etwa ein großer Schlag unmittelbar bevorsteht.
Für den völligen Ausstieg aus der Mittelwelle gibt es von der BBC bisher nur die Aussage „bis spätestens Ende 2027“. Eine Rolle spielen dürften Erwägungen, Radio 5 Live auf 693 und 909 kHz nicht vor den Mittelwellen von Talksport abzuschalten, um keine Hörer an dieses direkte Konkurrenzprogramm zu verlieren.

„Langwellenprogramm“ wiederum meint die nach wie vor auf 198 kHz und den Mittelwellen-Füllsendern übertragene Ausgabe mit verschiedenen Sondersendungen.
Es handelt sich nicht um das anderweitig bestückte Digitalprogramm BBC Radio 4 Extra, sondern unter anderem um besonders langwierige Sportübertragungen, eine Sendung über das Geschehen im Parlament am Vortag und die seit 1928 gesendeten täglichen Gottesdienste.
Bekanntester Programmpunkt dieser Art sind jedoch die Seewetterberichte. Als das BBC-Fernsehen im Jahre 1993 einen Abend dem Radio widmete, gab es sie auch einmal zu sehen. Inzwischen handelt es sich eher um Traditionspflege.
Schon 2013 gaben dazu befragte Mitglieder der Royal Yachting Association an, sich die Mitschreiberei zu ersparen und die Angaben stattdessen über Navtex zu beziehen. Um die Ohren geschlagen bekam die BBC bei dieser Umfrage dafür den Unmut über die häufigen, stundenlangen Cricket-Sendungen.

In Deutschland gab es Seewetterberichte vom Rundfunk der DDR auf Langwelle und vom Deutschlandfunk auf Mittelwelle, hier eingeschlossen den bereits erwähnten Sender Mainflingen. Das Deutschlandradio führte den Dienst ab 1994 unter Nutzung beider Frequenzressourcen weiter.
Mit der Abschaltung der AM-Sender war ab 2016 schließlich kein Empfang über den Küstenbereich hinaus mehr möglich. Die damit weitestgehend obsolet gewordenen Vorleseübungen entfielen trotzdem erst jetzt. Die letzte Ausgabe lief am 28. Februar.
Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 06.05.2023