DB-Tarifkonflikt - GDL-Chef Weselsky verteidigt Streiks: Nicht nur eine Frage der Wochenarbeitszeit, sondern des Gesamtpaketes

Claus Weselsky, Vorsitzender der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer © picture alliance/dpa | Carsten Koall
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Seit heute Nacht wird die Deutsche Bahn wieder durch die Lokführergewerkschaft GDL bestreikt - für 35 Stunden bis Freitagmittag um 13 Uhr. Bundesverkehrsminister Wissing (FDP) fordert GDL-Chef Weselsky unterdessen zu neuen Verhandlungen auf und kritisierte der ARD zufolge vor allem die Haltung der GDL, die nicht an einer Lösung interessiert sei. GDL-Chef Claus Weselsky erklärte auf radioeins, dass es nicht nur eine Frage der Wochenarbeitszeit ist, sondern eine Frage des Gesamtpaketes.

Hinweis zum Streik der GDL an einer Anzeigetafel © radioeins/Chris Melzer
Hinweis zum Streik der GDL an einer Anzeigetafel | © radioeins/Chris Melzer

Es ist wieder so weit: Bahnstreik. Seit gestern Abend steht der Güterverkehr still - seit 2 Uhr nachts ist auch der Personenverkehr betroffen. Grund dafür: Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer und die Bahn konnten sich nicht auf eine Lösung im Tarifstreik einigen. Die Gewerkschaft will die 35 Stunden Woche durchsetzen, die Bahn hat sich bislang dagegengestellt.

Nun wurde bekannt: Es gab einen Einigungsvorschlag der Vermittler, dem die Bahn laut eigenen Angaben zugestimmt hatte. Er sah vor, die Arbeitszeit von derzeit 38 auf 36 Stunden in zwei Stufen zu senken - bei vollem Lohnausgleich. GDL-Chef Weselsky sagte anschließend, es habe nur ein Angebot von einer Reduzierung auf 37 Stunden gegeben. Jetzt spricht er von einem "Denkfehler". Die Bahnen stehen trotzdem still.

Konsequenz und Fairness kann man mir wirklich nicht absprechen."

Claus Weselsky, GDL-Chef

Ein Denkfehler kann ja passieren. Tatsächlich haben Sie aber den neuen Streik mit diesem fehlenden Entgegenkommen der Bahn begründet. Der Grund ist weg, aber den Streik haben Sie nicht abgesagt. Das merken Sie selber, oder? Warum sind Sie nicht so konsequent und auch so fair und haben den Streik abgesagt?

Weselsky: Erstens, Konsequenz und Fairness kann man mir wirklich nicht absprechen. Zweitens, es ist verkürzt dargestellt. Wir haben am Dienstag vorige Woche das Papier der Schlichter abgelehnt, weil es eben nicht nur die zwei Stunden Absenkung beinhaltete, sondern eine ganze Reihe anderer für uns nicht annehmbarer Elemente. Und den Denkfehler, das wissen Sie mittlerweile auch, den hatte ich nur bei einer Antwort im Rahmen der Pressekonferenz. Und dort habe ich etwas Falsches zum Ausdruck gebracht. Das hat mit der Bewertung dessen, was die Bahn uns anbietet, gar nichts zu tun. Die Bahn hat uns bisher einschließlich eine Stunde Absenkung und eine halbe Stunde Wahlmodell angeboten. Denn wir haben nach dem Dienstag vorige Woche weiterverhandelt.

"S-Bahn vom GDL-Streik betroffen" steht auf einer Anzeigetafel in einem Bahnhof © radioeins/Chris Melzer
"S-Bahn vom GDL-Streik betroffen" steht auf einer Anzeigetafel in einem Bahnhof | © radioeins/Chris Melzer

Wir haben den Punkt, dass da sind zwei Züge, kann man in dem Fall so sagen, die aufeinander zurollen. Und die einen sagen, wir wollen 38 Stunden in der Woche, die anderen sagen, wir wollen 35 Stunden in der Woche. Da trifft man sich nicht nur in der Mitte, sondern kommt Ihnen und der GDL noch deutlich mehr entgegen und trifft sich bei dieser 38 vs. 35 bei 36. Warum gibt es an diesem Punkt keine Kompromissbereitschaft? Warum sagen Sie nicht, okay, 36 Stunden, das passt für mich?

Weselsky: Erstens muss man das gesamtheitliche Papier betrachten. Haben wir gemacht, haben wir abgelehnt. Zweitens, wer mit 28 Eisenbahnverkehrsunternehmen in diesem Lande die 35 Stunden am 1.1.28 erreicht. Warum will die Bahn eine Extrawurst? Warum sollen wir im Wettbewerb eine Verzerrung herbeiführen, nachdem wir zwölf Jahre lang die Angleichung von Einkommen und Arbeitszeiten in diesem Markt umgesetzt haben? Das ist doch die Frage.

Es ist nicht nur eine Frage der Wochenarbeitszeit, sondern es ist eine Frage des Gesamtpakets."

Claus Weselsky, GDL-Chef

Herr Weselsky, Sie wissen doch selber, es gäbe keine Verzerrung, weil auch diese kleineren Bahnbetriebe, die sich immer mit der Bahn gleichsetzen, das ja unter Vorbehalt nur abgeschlossen haben, wenn es diesen Kompromiss auch mit der Bahn gibt. Wenn man sich auf 36 Stunden einigen würde mit der Bahn, würde es bei allen anderen ja auch 36 Stunden geben.

Weselsky: Das ist doch auch nur verkürzt, die Wochenarbeitszeit betrachtet. Die Bahn hat bis eigentlich jetzt die 32 Monate Laufzeit. Wir haben Flexibilisierungsverlangen von Seiten des Bahnvorstandes für die Cargo-Lokführer, die wir nicht mitgehen können. Es ist nicht nur eine Frage der Wochenarbeitszeit, sondern es ist eine Frage des Gesamtpakets.

Aber diese Wochenarbeitszeit wurde auch von Ihnen mal als Hauptforderung genannt zuletzt. Sie haben jetzt eine Zusage auch von den Moderatoren dieser Veranstaltung, von Daniel Günther und Thomas de Maizière, bestätigt für knapp 67 Prozent Ihrer Forderungen. Bei Tarifverhandlungen steht am Ende immer ein Kompromiss, also nie bekommt eine Seite 100 Prozent. Wie lange wollen Sie alle Bahnkunden noch quälen, bevor sie an den Tisch zurückkehren und endlich kompromissbereit sind?

Weselsky: Nie bekommt eine Seite 100 Prozent. Da bin ich bei Ihnen. Wir haben doch die Kompromisse mit den 28 Eisenbahnverkehrsunternehmen auf dem Tisch. Und weshalb soll die Deutsche Bahn und die Mitarbeiter, die Eisenbahnerinnen und Eisenbahner bei der DB AG, nicht die 35-Stunden-Woche erreichen, während die anderen sie jetzt greifbar vor der Tür haben?

Sie haben auch Wellenstreiks angekündigt. Diesen Streik hier haben Sie rechtzeitig angekündigt. Da kann man sagen, die Bahnkundinnen und Bahnkunden konnten sich darauf einstellen. Jetzt sagen Sie aber, nee, jetzt lasse ich die Bahnkunden aber richtig „bluten“. Ich sage nicht mal, wie früh ich es sage. Sie können es ja kurzfristig ankündigen. Aber könnten Sie den Bahnkundinnen und Kunden nicht wenigstens die Chance geben, zu sagen, passt auf, wir sagen es zukünftig zwölf Stunden vorher oder zehn Stunden, je nachdem, was Sie entscheiden. Nein, stattdessen sagen wir, wir lassen euch Kunden richtig gegen die Wand laufen.

Weselsky: Auch das ist nicht richtig. Sie werden es erleben. Wir werden den Streik, den nächsten dann, ansagen.

Aber wie viele Stunden vorher?

Weselsky: Ja gut, das werden Sie merken.

Wir haben allen mitgeteilt, dass ab jetzt die Streiks in kürzerer Folge nacheinander laufen und, dass die Ankündigungsfrist nicht mehr 48 ist."

Claus Weselsky, GDL-Chef

Das meine ich doch mit der Unfairness, das werden Sie merken. Warum sagen Sie nicht, wir sagen es zukünftig zwölf Stunden vorher?

Weselsky: Wir haben allen mitgeteilt, dass ab jetzt die Streiks in kürzerer Folge nacheinander laufen und, dass die Ankündigungsfrist nicht mehr 48 ist, meine Herren. Und damit werden auch Sie bei radioeins umgehen können, weil Sie nämlich wie alle anderen mitgeteilt bekommen, wann die nächste Maßnahme stattfindet.

Genau, aber warum? Ich verstehe, dass Sie das kurzfristiger machen wollen, kann ich ja sogar nachvollziehen. Aber warum geben Sie den Kunden nicht die Chance zu sagen, pass auf, wir sagen es euch zehn Stunden vorher?

Weselsky: Weil wir uns nicht auf eine Stundenzahl festlegen, sondern das daran festmachen, wann wir die nächste Maßnahme durchführen.

"Nicht einsteigen" steht an einer S-Bahn, die in einem Bahnhof steht © radioeins/Chris Melzer
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GDL beharrt auf Maximalforderung und streikt unerbittlich weiter - Ökonom Weber über DB-Tarifkonflikt: Werden Kompromiss finden - Bedingungen haben sich verschärft

GdL-Chef Weselsky lässt die Muskeln spielen und kündigt nicht nur neue Streiks bei der Bahn an, sondern für die Zukunft auch solche, die dann vorher nicht mehr angekündigt würden, sagt er. Damit erreicht der Tarifstreit eine neue Eskalationsstufe. Wir sprechen darüber mit Prof. Enzo Weber, Ökonom am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung und Lehrstuhlinhaber an der Universität Regensburg.

DB-Logo an einer S-Bahn © radioeins/Chris Melzer
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GDL kündigt Wellenstreiks an - 35-Stunden-Ausstand bei der Bahn - ProBahn fordert Schlichtung

Reisende müssen sich in dieser Woche auf neue Bahnstreiks einstellen. Im Personenverkehr starten die Streiks in der Nacht zu Donnerstag um 2 Uhr, wie GDL-Chef Weselsky angekündigte. Beschäftigte im Güterverkehr streiken schon ab Mittwoch um 18 Uhr. Der Streik werde jeweils 35 Stunden andauern. Weselsky bezeichnete den Streik nach dem Scheitern der Tarifverhandlungen mit der Bahn als unvermeidlich. Detlef Neuß. Chef des Fahrgastverbands Pro Bahn, forderte auf radioeins eine Schlichtung in dem Tarifkonflikt und macht der GDL und DB schwere Vorwürfe.