Die AfD und autokratische Korruption - Politikwissenschaftler von Lucke: Europawahl wird Lackmustest auf die Glaubwürdigkeit der AfD

AfD-Logo bei einem Bundesparteitag © imago images/Christian Thiel
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Agententätigkeit für einen ausländischen Geheimdienst: er soll Verhandlungen und Entscheidungen im Europaparlament weitergegeben haben. Außerdem chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht haben – so lautet der Vorwurf gegen einen Mitarbeiter des AfD-Europapolitikers Maximilian Krah. Es ist schon der zweite schwere Vorwurf binnen weniger Wochen, der die AfD in Sachen ausländische Einflussnahme belastet. Wird das der AfD im Europawahlkampf auf die Füße fallen? Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler und Redakteur bei der Monatszeitschrift "Blätter für deutsche und internationale Politik", erklärte auf radioeins, dass diese Europawahl auch ein Lackmustest auf die Glaubwürdigkeit der AfD werde.

Sie [Anm.d.Red.: die Afd] versucht Politik zu machen gegen das korrupte Establishment. Dadurch wird sie attraktiv für Diktaturen wie China und Russland, die auf diese Weise versuchen Einfluss zu nehmen und die Demokratie zu untergraben."

Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler

Warum spionieren Abgeordnete oder Mitarbeiter einer Partei, die sich als patriotischste von allen gibt, mutmaßlich für Autokratien - für China und Russland?

Von Lucke: Zunächst einmal, weil es lukrativ ist. Das ist ganz banal. Es gibt viele Glücksritter und gerade Glücksritter in der AfD, die vor allem auf eines zielen, das ist das schnelle Geld. Dass es bei einer Partei, die so schnell gewachsen ist, die Leute angezogen hat, die manchmal sehr sehr klamm sind, das ist was fast Normales, aber es kommt was viel Gravierenderes hinzu. Die AfD ist erster Ansprechpartner für Diktatoren, aus einem banalen Grund. Die AfD hat ja ein hochgespaltenes Verhältnis zur eigenen Demokratie. Sie begreift Deutschland eher als Corona-Diktatur. Das haben wir erlebt. Sie versucht Politik zu machen gegen das korrupte Establishment. Dadurch wird sie attraktiv für Diktaturen wie China und Russland, die auf diese Weise versuchen Einfluss zu nehmen und die Demokratie zu untergraben und wenn das noch lukrativ unterfüttert ist, dann sind da viele in der AfD ansprechbar.

Trotz dieser ganzen Vorwürfe hält die Partei jetzt an beiden Politikern fest. Im Fall von Maximilian Krah bleibt er Spitzenkandidat im Europawahlkampf, auch wenn er jetzt nicht im Wahlkampf dabei sein soll. Das hat er nach der Aussprache mit der Parteispitze bekannt gegeben. Welche Strategie steckt da dahinter?

Von Lucke: Ja, keine Strategie, die schlichte Not, denn das Problem ist beide Kandidaten, wir sprechen vom zweiten, Petr Bystron, der ist der zweite Mann auf der Europaliste, sind jetzt auf diese Liste gesetzt und sie kommen da auch nicht mehr runter, denn die Listen sind abgeschlossen. Rechtlich ist da gar nichts zu machen und die Partei hat erkannt, dass die alte Strategie, wir sind nur Opfer, wir sind verdächtigt, fälschlich verdächtig vom Verfassungsschutz, dass das nicht zieht. Die Vorwürfe sind so erdrückend, das heißt, man verfährt jetzt nach einer anderen Strategie, die maximale Distanzierung, man versucht eine Brandmauer zu ziehen gegenüber Herrn Krah. Man muss sich vorstellen, wir haben am Sonntag den Parteitag, den Eröffnungsparteitag zur EU-Wahl und der Spitzenkandidat ist gar nicht dabei. Man versucht sich also maximal zu distanzieren, weil Krah natürlich die Gefahr birgt, dass die große Erzählung, wir sind die wahren Patrioten, nur die AfD steht für Deutschland, sie wird jetzt untermauert oder untergraben, untergraben, nicht untermauert, sie wird untergraben, demontiert durch Personen wie Krah und Bystron, die letztlich eines bedeuten, alles für China oder alles für Russland. Das sind Leute auf der Liste Chinas und Russlands, die natürlich nichts mit Patriotismus zu tun haben.

Diese Europawahl wird insoweit auch ein Lackmustest auf die Glaubwürdigkeit dieser Partei. Und ich bin schon der Meinung, dass diese Strategie der Entlarvung, in dem Fall muss man ja sogar sagen, ironischerweise der Selbstentlarvung der AfD, dieser Partei schaden wird."

Albrecht von Lucke

Bewiesen ist ja noch nichts bisher, Bystron sitzt auch weiter im Bundestag, Krah im Europaparlament. Welche Konsequenzen wird es aber für die AfD jetzt unmittelbar bei der Europawahl haben? Lassen sich die Wähler davon tatsächlich beirren?

Von Lucke: Ich glaube, ein Teil bestimmt. Die Irritation ist ja selbst in der Partei mit Händen zu greifen. Es ist erstaunlich, wir werden jetzt gewissermaßen die Probe aufs Exempel bei der Europawahl erleben. Welche dieser Wähler sind unbeirrbar? Welche wählen die AfD tatsächlich aus reinem Prinzip, vor allem deshalb, weil sie ein Stück weit selber mit der Demokratie in Deutschland abgeschlossen haben? Und was sind die Wähler, welche sind zu erreichen, die eben doch den Eindruck bekommen, also mit dieser Partei wollen wir dann doch nichts im Schilde führen, mit denen haben wir nichts vor? Das ist die große Frage. Also ich glaube, diese Europawahl wird insoweit auch ein Lackmustest auf die Glaubwürdigkeit dieser Partei. Und ich bin schon der Meinung, dass diese Strategie der Entlarvung, in dem Fall muss man ja sogar sagen, ironischerweise der Selbstentlarvung der AfD, dieser Partei schaden wird. Die Konfrontation der AfD mit dem, was sie so halbseiden macht, vor allem dem, was das populistische Narrativ voll unterläuft, diese Partei behauptet ja von sich, wir sind die Vertretung des wahren, des guten Volkes, gegen das korrupte Establishment, das wird konterkariert und das wird dieser Partei schon schaden. Insofern gehe ich von einigen Verlusten aus und das sieht anscheinend auch die Parteispitze so, denn sonst würde sie ja nicht diese Brandmauer, den Versuch einer Brandmauer gegenüber Herrn Krah und vielleicht ja in Zukunft sogar gegenüber Herrn Bystron, sonst würde sie diesen Versuch nicht starten, sondern sonst würde sie sich wieder klassischerweise hinter diese beiden stellen.

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Aktuell - Spionagevorwürfe gegen Mitarbeiter des AfD-Europaabgeordneten Krah

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Festnahmen in Deutschland - Was hinter den aktuellen Spionage-Vorwürfen steckt

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