Album der Woche - Wanda von Wanda

Vorgestellt von Claudia Gerth

Wanda S/T
Wanda S/T | © Vertigo Berlin (Universal Music)

"Ich kann sicher nicht mit meiner Cousine schlafen, obwohl ich gerne würde, aber ich trau mich nicht" - mag die überraschendste erste Songzeile eines Debütalbums gewesen sein. Acht Jahre ist es her, dass Wanda mit dem Song "Bologna" und dem Album "Amore" schon zu Beginn ihrer Musikkarriere und fortan mit 14 Platinschallplatten überhäuft wurden, dass es nun ein Leichtes wäre, das musikalisch kultige Erbe lebenslang zu verwalten. Aber genau das liegt nicht im Interesse der Band.

In Zeiten, in denen es vielen Kunstschaffendem genügt, gefällig zu sein, stellen Wanda die charmanteste und hemmungsloseste Reibefläche der deutschsprachigen Pop- und Rockszene dar. Marco Michael Wanda lässt sich im Akkord Formulierungen einfallen, die sich grundlegend von anderen erfolgreichen Textern unterscheiden. Seine schaurig-schöne und zugleich traurige Alltagspoesie versteckt sich dabei nicht selten hinter Hymnen, die häufig euphorisch und mitreißend klingen. Diese Mischung macht Wanda so einzigartig.



Wenn die Texte das Herz sind, sind sie vernarbt und immer wieder reißen kleine Wunden ein. Die Musik ist der Körper drum herum. Die Band spielt leidenschaftlich und ideenreich, Hand in Hand gehen Aktion und Reaktion einher. Man hört in den Liedern die enge Verbundenheit und Vertrautheit der Bandmitglieder. Zehn Jahre gehen sie nun schon zusammen ihren musikalischen Weg, nie war ihnen bewusster, dass das Musikersein in genau dieser Band das ist, was sie wollen.

Wanda geben ihrem neuen, insgesamt fünften Album keinen Namen. "Der Titel 'Wanda' ist mehr aus der Sehnsucht heraus entstanden, so zu klingen, wie wir klingen wollen und so zu sein, wie wir sein möchten. Beides ist ein Ideal, das sowieso nicht einlösbar ist. Wir befinden uns weiterhin auf dem Weg und streben nach mehr. Wir bestreiten eine Reise als Band, die nicht aufhören darf", erklärt Sänger, Texter und Songschreiber Marco Michael Wanda. "Mir ist in den vergangenen zwei Jahren nochmal viel klarer geworden, wie sehr ich das Unterwegssein brauche für mein Leben. Nicht nur die Zeit auf der Bühne, auch das Vor- und Nachspiel mit unserer Crew fehlte mir sehr. Ich hatte zehn Jahre lang verpasst, mir ein eigenes Leben aufzubauen, weil ich diese gesamten Jahre nur die Zeit totgeschlagen und totgesoffen habe, bis ich wieder in den Tourbus einsteigen konnte."

Im Laufe der folgenden Monate habe er sein Leben langsam repariert bekommen und sich selbst in eine emotional stabilere Lage gebracht. Das Komponieren neuer Lieder habe ihm dabei besonders geholfen.

"Es mag wie ein Klischee klingen, aber das Textschreiben war für mich eine sehr persönliche, fast therapeutische Erfahrung", gesteht er ein. Dass viele der neuen Songs, allen voran der bereits veröffentlichten Single "Jurassic Park" oder auch "Immer willst du tanzen" leicht und beschwingt klingen, steht für ihn dabei in keinem Widerspruch. "Therapie heißt nicht, dass man immer an den Punkt seines Schmerzes zurückkehrt. Manchmal bedeutet Therapie auch, so weit wie möglich von diesem Punkt fernzubleiben. Dadurch erklärt sich eventuell die Luftigkeit der Songs. Wobei ich selbst alle unsere Alben als schwer dramatisch und total traurig empfinde", lacht er und natürlich weiß, wie Zeilen wie "Nein für dieses Leben gibt's keinen Bauplan, deshalb ist es ja so schwer" offene Türen bei emotional Verwundeten einrennen.

"Ich bin wirklich zufrieden mit dem Album. Wenn ich mich darauf höre, erkenne ich mich wieder. Ich versuche, so allgemein gültig wie möglich zu schreiben und Gefühle zu transportieren, die über mein kleines Leben hinausreichen. Es geht mir um die Gemeinsamkeiten mit anderen Menschen." Die thematischen Eckpfeiler sind dabei dieselben wie auf allen Alben zuvor: Alkohol, Freundschaft, Leben und Tod. Aber, und das ist der Dreh- und Angelpunkt eines jeden Wanda-Songs, geht es vor allem um die Liebe. Wie wahrscheinlich jeder Mensch möchte Marco lieben und geliebt werden. "Du kannst alle Worte austauschen, es geht immer um dasselbe, habe ich das Gefühl. Es ist ein Schrei nach Liebe, auch wenn das lächerlich und langweilig klingt".

Tut es nicht, und vor allem bleibt dieses Thema fundamental und wertvoll, solange Menschen miteinander leben. Wo sie das tun, ist eigentlich egal, auch wenn es in den Texten von Wanda stets um die Stadt geht, in der die Band lebt. Marco singt diesmal von einer normalen Nacht in Wien. "Ich bilde mir ein, wenn wir in Wien spielen, dass es eine gewisse Sicht auf Wien gibt, die bis heute vom Außenseitertum geprägt ist. Man mag das nur als Wiener verstehen können, aber der Blick, den ich auf diese Stadt habe, den kann auch jemand aus Magdeburg verstehen und auf seine Stadt übertragen. Im Publikum finde ich Menschen, die sehen das Leben genauso wie ich. Eigentlich führen wir doch auch überall dasselbe Leben, egal ob in Flensburg oder Bangladesch. Wir stehen auf, suchen uns etwas, wofür es sich zu leben lohnt und gehen wieder schlafen." Marco findet die richtigen Worte für unsere Probleme, die immer wieder dieselben zu sein scheinen, wenn wir nach Liebe streben und um sie kämpfen.

"Und wir machen was wir wollen, weil wir wissen, wie das geht. Es ist schwerer, wenn man richtig lebt. Und wir denken, was wir wollen, weil wir wissen, es wird spät. Lächerliche Zeit vergeht" - heißt es in "Wir sind verloren". Aber wie eine trotzige Faust nach oben in die Luft gereckt, machen die Zeilen "Halt dich an deiner Liebe fest. Auch wenn sie falsch is, bleibt sie echt" Mut, bei sich selbst zu bleiben, sich nicht zu verbiegen. Manchmal erschrickt man durch die Wahrhaftigkeit der Texte vor der Wirklichkeit, aber dann beflügelt sie einen regelrecht. Marco Michael Wanda scheint den "Brot und Spiele"-Irrsinn der aktuellen Zeit wie wenige andere zu spüren, tritt ihm dabei aber erneut nicht mit Hass und Hohn gegenüber. Die Band setzt Empathie und erneut maximale Amore dagegen. Was könnte es Schöneres und Sinnstiftenderes geben?

"Es gab nie einen Plan B, es gab nur das Leben als Problemstellung, Musik und Erfolg, hin oder her", bringt Sänger Marco Wanda einen Hauch von Bandphilosophie in einem der hunderten Interviews zum Ausdruck. Diese Kompromisslosigkeit spürt man auch. Die Jahre zwischen Bühne, Tourbus und Studio verschmelzen zu einem langen Drahtseilakt ohne Sicherheitsnetz. Und die Energie bei jedem Konzert – jedes Mal spielt die Band als wäre es das letzte Mal – reißt das Publikum ausnahmslos mit.

Quelle: Universal Music

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