Album der Woche - "Ramona" von Grace Cummings
Die stimmgewaltige Australierin veröffentlicht ihr drittes Album "Ramona".
Was für eine Stimme! Ein Satz, den Grace Cummings schon des Öfteren gehört hat. Ihr Stimme klingt derart mächtig und alt, man vermutet kaum, dass die Australierin erst Ende 20 ist. Ihr neues Album „Ramona“ ist inspiriert von dem Bob Dylan-Song „To Ramona“ und auch ansonsten wird beim Hören der Platte ziemlich schnell klar, dass Grace Cummings eher an den Klassikern der Popmusik, denn an aktuellen Trends interessiert ist.
Ihre besondere Stimme jedenfalls, die hat sie schon recht früh für sich entdeckt, denn sie habe als Kind mit einem Kassettenrekorder eine Radioshow nachgespielt, erzählt Grace Cummings. Sie hat die Moderatorin gegeben, all die Gäste und auch die Werbespots eingesprochen. Zudem hat sie natürlich gesungen. Das war wohl der Moment, in dem sie bemerkte, dass sie Musik liebte und dass sie ziemlich interessante Dinge mit ihrer Stimme anstellen konnte.
Später war sie dann in einer Coverband. Sie spielte Schlagzeug und sang zugleich – Songs von Jimi Hendrix, The Doors und auch von AC/DC. Gerade die Art, wie Bon Scott, der ehemalige Frontmann von AC/DC, seine Stimme einzusetzen verstand, um Gefühle zu transportieren, beeinflusste sie sehr. Auch Lucinda Williams und Jim Morrison waren große musikalische Einflüsse. Morrisons Spuren folgte sie bei der Produktion ihres neuen Albums. Es entstand in Topanga, Kalifornien, in dem Studio von Produzent Jonathan Wilson, der sich zuvor einen Namen mit der Produktion der Platten von Father John Misty gemacht hatte.
Ihr Erweckungserlebnis mit Popmusik hatte Grace nicht etwa mit 90er Jahre Musik oder mit dem Crossover oder Indie der Nullerjahre, wie man für ihr Alter annehmen könnte, sondern mit den Beatles. Sie können sich noch genau erinnern, es war ein Konzert zum Tod von George Harrison, das ihre Eltern schauten. Sie, noch ein Kind, putzte sich gerade die Zähne und machte sich bereit fürs Bett, da bemerkte sie, dass sie alle Songs mitsingen konnte und dass sie ihr verdammt gefielen. Schließlich hat sie als 8-Jährige ihr Zimmer mit Friedenszeichen und Textausschnitten von Beatles-Songs geschmückt. So wie mit der Zeile „And in the end the love you take is equal to the love you make” zum Beispiel aus dem Beatles Song „The End“.
Jemand habe ihr einmal gesagt, sie sei genau wie Ramona aus diesem Dylan-Song „To Ramona“, sagt Grace Cummings. Damals sei sie auch diese schwache, zerbrechliche, verletzliche Person, die traurig war und viel mit der Welt zu kämpfen hatte, gewesen. Sie hatte damit zu kämpfen, überhaupt in der Welt zu sein, mit der Welt zurechtzukommen. Davon handelt ihr Song „Ramona“, der ihrem neuen Album den Titel gab. Ein kraftvoll gesungener Song über ein „Ich“, das vergangen ist, das sehr verletzlich und schwach war. Der Song klingt wie eine Abrechnung bis auf das Ende. Da singt sie fast mantraartig „es ist die die richtige Zeit, Ramona zu sein“. Denn ja, es ist die passende Zeit, verletzlich zu sein und mit der Welt zu hadern. Es zeugt also von Selbstbewusstsein, sein Album nach dem Song zu benennen, der einräumt, dass man mit der Welt hadert und es gibt noch einen weiteren Song, der Bezug auf Bob Dylan nimmt.
Der Song „Without You“ ist ein sehnsuchtsvoller Song über das Vermissen: Eine wunderschöne Ballade und ein klassischer Lovesong. Er referiert auf ihren Lieblingssong von Dylan „Goin To Acapulco“ und zitiert die 2 Sittiche, die Townes van Zandt einmal hatte. Mit den Klassikern kennt sie sich also aus, denn die Popklassiker kommen nie aus der Mode. Genau wie das Motiv des Cowboys. Mythisch aufgeladen mit Attributen von Ungebundenheit, Freiheit, Bindungslosigkeit wird er in ihrem Song „Common Man“ die ersehnte Gestalt, in die sie sich verwandeln will. Damit folgt sie dem emanzipatorischen Pfad anderer Musikerinnen, die sich das Motiv des Cowboys aneignen. 2018 schritt die Amerikanerin Mitski voran. Die mittlerweile Grammy prämierte Musikerin betitelte damals ihr Album „Be The Cowboy“. Ein Satz, den Grace Cummings unterschreibt. Sei der Cowboy, sei frei und dazu gehört eben auch, sich das mitunter gebrochene Herz von der Seele zu singen: Besonders kraftvoll und stimmgewaltig. Je größer das Gefühl, desto größer müsse auch der Song sein, sagt Cummings und so beginnen viele Songs auf dem Album mit Gitarre und Klavier, nur um dann in einem Orchesterschaum zu baden.
Claudia Gerth
Tracklist
1 | Something Going 'Round |
2 | On and On |
3 | I’m Getting Married to The War |
4 | Love and the Canyon |
5 | Work Today (and Tomorrow) |
6 | Everybody’s Somebody |
7 | Common Man |
8 | Without You |
9 | Ramona |
10 | A Precious Thing |
11 | Help is on its Way |