Kinoclub und Clubkino - Filmrauschpalast

in Moabit

Kulturfabrik Moabit
© Anna Stocker

Irgendwo in Moabit, in einer zweiten Etage, haben Kinoenthusiasten aus einem Hausbesetzerprojekt ein basisdemokratisches Kino etabliert.

Eingeschlossen zwischen Kanälen, Industrieflächen und Häfen liegt Moabit. Berlins hässliches Entlein, der komische Cousin, den niemand besuchen mag und über den man bei Tisch nicht redet. Und ganz hinten, am Rand, dort wo Moabit selbst versucht aufzuhören, wo es zerfließt in das Niemandsland der Neubaumitte, der Heide-, Europa-, Bahnhofs- oder Sonstwas-City, dort wo 28 Jahre lang Westberlin zwischen Rangiergleisen, dem leerstehenden Frauenknast und dem Selfstorage endete, dort leuchtet ein Schild: Kulturfabrik, Lehrter Straße 35. Und es duftet nach Kellerstaub, Braunkohle und frisch verschüttetem Bier. Gerettet vor dem sicheren Verfall durch tausende und abertausende Stunden freiwilliger Arbeit durch vier Generationen Aktivisten, reckt sich die schmuddelige Werksteinfassade der Kulturfabrik trotzig in den Himmel. Fabriken ringsum, die Polizei im Rücken, Sozialwohnungen zur Linken, Luxusapartments zur Rechten, die Kulturfabrik hat schon viele Nachbarn erlebt und überdauert.

Ein gelber Leuchtkasten; "Filmrauschpalast, 2. Aufgang, Treppe hoch". „Willkommen im letzten anarchischen Kinokollektiv Berlins“, sagt Arian Berndt vom Vorstand des Filmrauschpalasts. Es ist warm und gemütlich, wenn der große Ofen brennt. Zwischen Leopardensofa und dem Curved Screen erstreckt sich auf gut 200 Quadratmetern ein “Hort der Cinephilie” (Jochen Werner), eine Spielwiese für Filmfreaks, Filmemacher*innen, Filmfresser*innen und Kinoverrückte, ein Abenteuerspielplatz gebaut aus Träumen, Geschichten und Celluloid.

Foyer Filmrauschpalast
Foyer Filmrauschpalast | © Anna Stocker

Im Filmrausch kann sich jeder ausprobieren, verwirklichen, austoben oder selbst erfahren. Es gibt immer viel zu tun und selten ein wenig Struktur, jeder ist willkommen. „Ein wilder Haufen Enthusiasten hat aus einem Hausbesetzerprojekt ein basisdemokratisches Kiezkino gemacht“, beschreibt Berndt.

Seit 30 Jahren wird Programm gemacht - fast jeden Tag. Denn dieser Kinoclub ist auch sehr feines Clubkino - und offen für alle. Dabei ist die Auswahl genauso bunt, wie das Kollektiv an Ehrenamtlichen, die den Betrieb schmeißen. Petzold steht gleichberechtigt neben Sion Sono, Godard neben Hofbauer. Kein Genre ist zu abseitig, kein Film zu krude, keine Idee zu wahnsinnig, um sich im Rausch auf der Leinwand breit zu machen. Dabei wird kein Unterscheid zwischen Mainstream und Arthouse gemacht. Ist es gut, muss es gezeigt werden. Nur eins ist verboten: Langeweile.

Filmrausch in einem Wort beschreiben? Tarantinoesk. Wie der Meister liebt das Team Genrekino, hat eine große Sammlung analoger Schätze, kombiniert Klassiker mit Neuem, feiert wilde Nächte mit double-, triple-, oder quad-Bills, hebt das Repertoire auf einen Sockel, fürchtet nicht das Grindhouse, hat ein Faible für gute, alte, hausgemachte Apparate, huldigt den Film wie das Kino gleichermaßen und respektiert den Inhalt wie die Form.

Saal Filmrauschpalast
Saal im Filmrauschpalast | © Anna Stocker

Das Gebäude sieht von außen immer noch aus wie eine Ruine und lässt nicht erahnen, dass die Ausstattung drinnen fast alles möglich macht. 16-mm- und 35-mm-Filme können ebenso abgespielt werden wir digitale Filme, in einer Qualität, wie sie Kinematheken neidisch mache. Das Bild sei heller, schärfer und kontrastreicher als in allen kommerziellen Häusern, so Arian Berndt. Die Bassleistung der Tonanlage habe es ebenfalls in sich.

„Wir sind wüster, wilder, jünger, dreckiger, offener, ungeduldiger, radikaler, unbequemer und streitbarer. Wir müssen es niemandem recht machen, haben den Kompromiss schon lange aufgeben. Wir stellen uns in den Dienst des Films und der Filmemacher und Filmemacherinnen. Unser Antrieb ist unser Publikum, unser größter Feind unser eigener Anspruch“, sagt Berndt.

Das ist: Der Filmrauschpalast.