Potsdamer Straße - Litfaßsäule

Potsdamer Straße - Litfaßsäule
Potsdamer Straße - Litfaßsäule | © radioeins/Warnow

Die Potsdamer Straße ist ein Hort der Kunst und Kultur, auch, wenn das einigen  abwegig erscheinen mag. Schon immer fühlten sich Dichter und Denker, Künstler und Kreative, Medienleute und Macher von der großen Straße im Westen der Stadt angezogen. Und in den vergangen Jahren hat sich die Potsdamer zu einem der spannendsten Galerien-Hotspots Berlins entwickelt…

Mercator Höfe

Heute sind die Mercator Höfe der Galerien-Hotspot der Potsdamer Straße: Ein Treffpunkt für alle Kunstverliebten, die mit den zahlreichen Galerien, die sich hier vereinen, ganz sicherlich auf ihre Kosten kommen. Der große Baukomplex besteht aus verschiedenen Gebäudeteilen, mit unterschiedlichen Baustilen. Im 17. Jahrhundert erbaut, trägt es dementsprechend Geschichte in sich: Genau vor 100 Jahren gründete sich hier die radikal revolutionäre Künstlervereinigung „Novembergruppe“, unter anderem durch Max Pechstein. Das Thema Kunst ist in die Mauern des Gebäudes also quasi eingemeißelt.

Mercator-Höfe Eingang
Mercator-Höfe Eingang

Auch das geschriebene Wort ist hier verankert: Ab dem Jahr 1953 befand sich hier die verlagseigene Mercator-Druckerei der Berliner Zeitung „Der Tagesspiegel“. Die Redaktion selbst zieht es ebenfalls 1954 in die Potsdamer Straße, bis es sie dann 2009 zum Askanischen Platz verschlägt. Heute sind die Mercator Höfe ein lebendiger Ort für Mode, Kunst und Kultur: über 100 Künstlerinnen und Künstler haben sich hier vereinigt und sorgen für kreatives und internationales Flair in der Potsdamer Straße.

Blain|Southern Berlin

Eine Fusion aus zwei Größen unter Kunstkennern: Harry Blain und Graham Southern. Neben ihrer gemeinsamen Galerie in London, eröffneten sie 2011 eine Zweitdependance in den ehemaligen Räumen des „Tagesspiegel“. Damals starteten sie fulminant mit einer Ausstellung des britischen Künstlerduos Tim Noble und Sue Webster durch. Es folgten viele weitere renommierten Namen aus der zeitgenössischen Kunst. Zu den Ausstellungen der letzten Zeit gehören Doodle & Disegno, Moshekwa Langa, Edward Kienholz, Frank Thiel, Liliane Tomasko, Wim Wenders, Marius Bercea, Rachel Howard, Michael Joo und Avigdor Arikha.

Ali Banisadr, The Game of Taming, 2018 Courtesy the artist and Blain|Southern
Ali Banisadr, The Game of Taming, 2018 Courtesy the artist and Blain|Southern

Ab dem 29. September werden in der Galerie gleich zwei spannende Ausstellungen zu erleben sein. Zum einen die Arbeiten von Herbert Zangs (1924 – 2003): Die Show unter dem Titel „Less is More“ zeigt einige der bedeutendsten abstrakten Werke aus dem Oeuvre des deutschen, mehrfach ausgezeichneten Malers aus Krefeld. Parallel dazu wird es die erste Einzelausstellung von Ali Banisadr in Deutschland zu sehen geben. Der 1976 im Iran geborene und in New York lebende Künstler präsentiert seine Werke unter dem Motto „The World Upside Down“. Die eindrücklichen Landschaften, die Banisadr malt, sehen tatsächlich wie eine auf den Kopf gestellte Welt aus.

Am Samstag, den 29. September, lädt die Galerie Blain|Southern um 12 Uhr zum Künstlergespräch: Ali Banisadr im Gespräch mit Max Dax.

Galerie Judin

Dort, wo früher Zeitungen gedruckt wurden, hängen heute Kunstwerke. David Nolan und Juerg Judin beziehen im Sommer 2011 die ehemalige Druckereihalle des Tagesspiegels. Ihr Ziel: Fuß in der Kunstmetropole Berlin fassen. In den 90ern lernen sich die beiden kennen, es entsteht eine Freundschaft und später dann eine Zusammenarbeit. Die Galerie Judin präsentiert etablierte Namen, aber auch junge und aufstrebende Positionen der Kunst. Der Fokus liegt dabei in den Bereichen Zeichnung und Malerei.

Adresse
Potsdamer Straße 83
Hof
10785 Berlin-Tiergarten

Esther Schipper

Eine, die in der Kunstszene Rang und Namen hat, ist die Galeristin Esther Schipper. Auch sie hat ihren Platz inmitten der Mercator Höfe gefunden. Schipper vertritt zahlreiche internationale Künstler und Künstlerinnen. Darunter große Namen der zeitgenössischen Kunst, wie Angela Bulloch und Liam Gillick. Die Berliner Kunstszene hat ihr viel zu verdanken. So begründete sie das international viel beachtete „Berlin Gallery Weekend“ mit. Schipper ist allen voran für ephemere Kunstprojekte bekannt, die sie in ihrer Galerie präsentiert. Seit April 2017 kann man der Galerie von Esther Schipper in der Potsdamer Straße einen Besuch abstatten.

Adresse
Potsdamer Straße 81 E
10785 Berlin

Galerie Guido W. Baudach

„Maschenmode“ – so hieß die Galerie von Guido W. Baudach ursprünglich, als er sie mit Martin Germann und Peter Koch im Jahr 1999 gründete. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Raum noch in einer früheren Strickmanufaktur in Ostberlin. Nachdem die Galerie dann über die Jahre mehrfach die Lokalität wechselte, schien der Name nicht mehr so passend und wurde geändert. Seit September 2013 hat die Galerie im ehemaligen „Tagesspiegel“-Gebäude sein Zuhause gefunden. Dort kann man bis heute die Vielfalt ihrer ausgestellten Künstler und Künstlerinnen betrachten.

Adresse
Potsdamer Straße 85
10785 Berlin

Jarmuschek + Partner

Malereien, Installationen, Fotografien – das Angebot ist vielfältig. Die Galerie Jarmuschek konzentriert sich hauptsächlich auf abstrakte und zeitgenössische Kunst und bietet jungen Künstlerinnen und Künstlern eine Plattform. Die Kunsthistoriker Kristian Jarmuschek und Stefan Trinks stellen sich der Herausforderung, neue Kunstschaffende zu entdecken und in der internationalen Szene zu vermitteln. Seit 2013 hat sich die Galerie in der Kunstmeile der Potsdamer Straße angesiedelt und ist in den Mercator-Höfen zu finden.

Adresse
Potsdamer Straße 81b
10785 Berlin

Quartier Latin/ heute Wintergarten-Varieté

Das prächtige Haus wurde bereits in den 1870er Jahren gebaut, damals noch vor den Toren der Stadt auf der Reisechaussee nach Potsdam. In der gleichen Zeit entstand auch der originale alte Wintergarten in der Friedrichstr. hinter dem Hotel „Central“.  Der als „Stadtpark“ bekannte Biergarten mit einer Grünfläche von 2.000 Quadratmetern wurde mit Glas überdacht und deshalb „Wintergarten“ genannt. Dort fanden Konzerte statt, ab 1888 gab es auch Artistik, was damals als Varieté bezeichnet wurde. 1944 zerstörten Bombenangriffe diesen Wintergarten.

Das Haus in der Potsdamer Straße dagegen überstand alle Wirren der Zeit relativ unbeschadet. Der Erbauer des Hauses ging schon nach einem Jahr pleite und Baron von Lipperheide kaufte es. Er gründete im Lipperheid’schen Palais mit seiner Frau Frieda 1865 den „Verlag Franz Lipperheide“ und brachte eine ganze Reihe von Zeitschriften heraus, deren erfolgreichste „Die Modenwelt" war. Später als „Illustrierte Frauen-Zeitung" publiziert, verkaufte es sich auch außerhalb Deutschlands gut. Das Ehepaar Lipperheide begann 1870 außerdem, eine Sammlung zur Kulturgeschichte von Mode und Kleidung aufzubauen, die 1899 den Königlichen Museen zu Berlin als „Sammlung für Kostümwissenschaft" gestiftet wurde. Noch heute gilt sie als die weltgrößte ihrer Art und ist jetzt nur unweit in der „Kostümbibliothek“ im Kulturforum zu sehen.

1913 wurde dann ein Kinosaal für 1.000 Zuschauer eingebaut, die „Biophon-Lichtspiele“, später BTL.  Es schloss nach über 50 Jahren und vielen Besitzerwechseln 1968. Doch der Saal lockte weiterhin Gäste an, nun als Ballhaus „Veilchen am Potsdamer Platz".

Ein Jahr später übernahm ein Studentenkollektiv das ehemalige Kino und machte das Gegenkulturquartier „Quartier Latin“ daraus, benannt nach dem Pariser Viertel, von dem die Studentenrevolten 1968 ausgingen.

Doch das Konzept ging nicht richtig auf. 1972 pachteten dann Manfred „Manne“ Saß und seine Frau Christa  den Saal und begannen, dort Konzerte zu organisieren. Erst Jazz, dann auch Rock und Pop. Nina Hagen hatte erstes Westkonzert hier, auch Nena, Lindenberg, Grönemeyer, Scorpions, Ideal, Hannes Wader, Nena, die Erste Allgemeine Verunsicherung und Ostbands wie Pankow oder Silly haben hier gespielt. Auch internationale Stars wie Chat Baker oder Annie Lennox ließen sich hier sehen und hören.

Ein besonderes Highlight waren die jährlichen Oster-Konzerte der Deutschrock-Band „Grobschnitt“, für die sich die Musiker immer etwas neues einfallen ließen. Z.B. große Pyro-Shows, wie sie später von Rammstein kultiviert wurden.

Außerdem veranstaltete der Berliner Senat im Quartier seinen Senatsrockwettbewerb, der einer ganzen Reihe junger Bands zu Erfolg verhalf, unter anderem den „Ärzten" oder den „Rainbirds".  Dieser Wettbewerb fand zum letzten Mal im November 1989 statt und bot ostdeutschen Besuchern die letzte Möglichkeit, bei freiem Eintritt und Gratisgetränken den legendären Club zu erleben, bevor er Sylvester 1989/90 schloss.

Eingang Wintergarten
Eingang Wintergarten

Danach übernahm die Kabarettistentruppe „Die 3 Tornados“, zu denen auch Rudolf Rating gehörte, den Laden und nannten Location nur noch „Quartier“. Doch ihr Varieté-Konzept ging damals noch nicht auf. Erst, als 2 Jahre später der Veranstalter und Kulturmanager Peter Schwenkow gemeinsam mit André Heller und Bernhard Paul die Idee vom alten Wintergarten wiederaufleben ließ, glückte der Neuanfang.

Nach diversen Streitigkeiten und einer Insolvenz 2008 übernahm die Arnold Kuthe Entertainment GmbH den Wintergarten. Deren Gesellschafter waren bereits seit Neugründung des Wintergartens Vermieter der Räumlichkeiten. Inzwischen bringt das Wintergarten-Varieté mehrere neue Shows pro Jahr auf die Bühne.

Die Band Milliarden

Die Band „Milliarden“ kommt nicht nur aus Berlin, sie widmet sich auch musikalisch dieser Stadt. Verliebt und schonungslos zugleich. Als Ben Hartmann 2013 Johannes Aue bei einer Aufnahmeprüfung an einer Universität Klavier spielen hörte, war das die Geburtsstunde des Duos, das ein Jahr später mit der EP „Kokain und Himbeereis“ sein Debüt feierte. Punk, Rock, Indie-Pop, ihr Stil ist eine Symbiose aus allen drei Musikrichtungen. Schnell verglichen Kritiker sie mit „Ton Steine Scherben“, die „Milliarden“ auf ihrer Tour 2016 als Vorgruppe auftreten ließen – nachdem im selben Jahr ihr erstes Album „Betrüger“ erschienen war.

Zwei Jahre später, am 1. Juni 2018, folgte das zweite, dessen Titel auch Programm ist: „Berlin“. Es ist eine Hommage an diese raue und herzliche Stadt, an ihre Party-Szene, den Dreck und die Schönheit, die Sehnsucht, die Liebe und die Menschen. Und weil diesen Themen ein Album alleine kaum gerecht werden kann, verarbeiteten sie ihre Platte in einem zweiteiligen Film mit dem Titel „Morgen“. Beides ist letztlich als Liebeserklärung zu verstehen. Und genau – eine Straße in Berlin, von der Hartmann und Aue große Fans sind, ist die Potsdamer Straße. In der Sendung “Die schöne Straße” aus der Potsdamer spielen Milliarden deshalb live und unplugged für uns!

Nächstes Konzert in Berlin:
Donnerstag, 18. Oktober 2018, Astra.

Kulturforum

Bereits unter den Nazis wurden die Gründerzeitvillen am nördlichen Ende der Potsdamer Str. abgerissen für die Umgestaltung Berlins zur „Welthauptstadt Germanias“.  Nach dem Ende des 2. Weltkrieges war nur noch die Matthäuskirche von der ursprünglichen Bebauung übrig.

Nach Entwürfen von Hans Scharoun wurde dort Anfang der 1960er Jahre dann die neuen Philharmonie gebaut, 1987 kam der Kammermusiksaal dazu.

1964 wurde die Staatsbibliothek der Stiftung Preußischer Kulturbesitz fertiggestellt, ebenfalls nach Entwürfen von Scharoun.

St Matthäus Kirche
St Matthäus Kirche

In den 1980er Jahren erbaute der Bauhaus-Architekt Mies van der Rohe außerdem gegenüber der Philharmonie die Neue Nationalgalerie.

Nach diversen Wettbewerben für die Gesamtgestaltung des Areals, die mehr oder weniger ins Leere liefen, kam dann 1998 noch der Neubau der Gemäldegalerie dazu. Trotz dieser bedeutenden Einzelbauten gilt das Kulturforum als Beispiel für ein gescheitertes, städtebauliches Konzept, weil es keinen einheitlichen, charakteristischen Stil gibt und das Gelände abgekapselt ist von der inzwischen wieder pulsierenden Potsdamer Straße.

Staatsbibliothek / Haus Potsdamer Straße

Gegenüber vom Kulturforum befindet sich einer der zwei großen Standorte der Staatsbibliothek. Nach 20-jähriger Planungsphase  und elf Jahren Bauzeit, wird der Neubau 1978 eröffnet. Die Geschichte der Institution reicht allerdings um einiges weiter zurück. Ursprünglich 1661 als „Churfürstliche Bibliothek zu Berlin“ gegründet, erhält sie Anfang des 20. Jahrhunderts, im Zuge der Abschaffung der Monarchie, den Namen „Preußische Staatsbibliothek“. Im zweiten Weltkrieg werden die umfangreichen Bestände ausgelagert, um sie vor Bombenangriffen zu schützen. Die Rückführung nach Berlin während des Kalten Krieges läuft nur schleppend. 1957 wird die „Stiftung Preußischer Kulturbesitz“ gegründet, die sich den Erhalt, die Pflege und Rückführung preußischer Kulturgüter zur Aufgabe macht. Die Staatsbibliotheken koexistieren in einer geteilten Stadt.

Staatsbibliothek
Staatsbibliothek

Mit dem Haus in der Potsdamer Straße 33 soll auch West-Berlin einen angemessenen Standort bekommen. Nach der Wiedervereinigung werden die beiden Häuser unter der Trägerschaft der Stiftung als „Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz“ zusammengeführt. Sie ist die größte wissenschaftliche Universalbibliothek im deutschsprachigen Raum und beherbergt relevante Literatur aus allen Zeiten, Ländern und Sprachen. Der Hauptbestand der Häuser umfasst über elf Millionen Bücher und umfangreiche Sondersammlungen des nationalen und Weltkulturerbes. Im Lesesaal des Hauses Potsdamer Straße ist vor allem Literatur ab Beginn des 20. Jahrhunderts zu finden.

Der Schwerpunkt als Forschungsbibliothek der Moderne spiegelt sich auch in der Architektur des Hauses, das von Hans Scharoun entworfen wurde. Es ist ein vielgliedriger Gebäudekomplex mit Terrassen und verschiedenen linearen Formen, die an Motive aus dem Schiffsbau angelehnt sind. So wirken die Galerien beispielsweise wie Promenadendecks mit Reling. Auch von außen erweckt das Haus den Eindruck eines riesigen Dampfers, als Zeichen des Aufbruchs und der Moderne. Die Staatsbibliothek wird deshalb auch „Bücherschiff“ genannt. Besichtigen und nutzen kann man das Haus als Inhaber eines Bibliotheksausweises oder in kostenlosen Führungen.

Adresse
Staatsbibliothek zu Berlin
Haus Potsdamer Straße
Potsdamer Straße 33
10785 Berlin

Allgemeiner Lesesaal:
Mo-Fr: 09-21 Uhr, Sa: 10-19 Uhr

Quellen:
http://staatsbibliothek-berlin.de/
http://blog.sbb.berlin/buecherschiff/

Medien

 
Rotbuch-Verlag

Potsdamer Str. 98:

Als Abspaltung des Klaus-Wagenbach-Verlages 1973 in der Potsdamer Straße u.a. von Eberhard und F.D. Delius gegründet, galt der Verlag bald als eines der geistigen Zentren der Straße. Zwischen 1973 und 1993 war Rotbuch der Hausverlag bedeutender neuer literarischer Stimmen in deutscher Sprache, darunter Herta Müller, Heiner Müller und Adolf Endler.

Rowohlt-Verlag
Nachdem Ernst Rowohlt bereits 1908 in Leipzig seinen ersten Verlag gegründet, aber dann an seinen Finanzier verloren hatte, wagte er 1919 einen 2. Versuch in Berlin. In der Potsdamer 123B (heute 39) gründete er seinen Verlag und führte ihn wirklich zum Erfolg. Ende der 20er Jahre zog der Verlag dann in die Passauer Str. um. 1943 schlossen die Nazis den Verlag, der aber direkt nach Ende des Krieges wieder in Betrieb ging und 1983 an Holtzbrinck verkauft wurde.

Das Vox-Haus
Hans Bredow (damals Staatssekretär im Reichspostministerium) prägte 1919 den Begriff „Rundfunk“. Danach wurden private Rundfunkgesellschaften gegründet, u.a. von der Vox-AG (produzierte Schallplatten) die sogenannte „Radio-Stunde-AG“, die am 29.10.1923 von 20 – 21 Uhr die erste offizielle Unterhaltungssendung einer in Deutschland zugelassenen Funkgesellschaft ausstrahlte und zwar aus der Potsdamer Straße 4, dem späteren „Vox-Haus“. 1931 wurde dann das Berliner Funkhaus gebaut, in das der Sender daraufhin umzog.

Radio 100
D
as erste legale alternative Radioprogramm, ging 1987 auf Sendung und zwar aus dem Medienhaus in der Potsdamer Straße 131. Die Macher hatten diesen Standort ganz bewusst ausgewählt. Sie wollten damit die lange Tradition der Straße als Medienstandort fortsetzen.

Gesellschafter des Senders waren u.a. die taz und die Zweite Hand und setzten sich ansonsten aus diversen Arbeitskreisen, Initiativen und besetzten Häusern (Potse 130) zusammen. Radio 100 musste sich zuerst die Frequenz mit dem privaten Formatradio „Hundert,6“ teilen, bis es am 1.9.1989 einen Frequenzwechsel gab und 24 Stunden durchgesendet werden konnte.

Weil sie Werbung ablehnten und es nur wenige private Geldgeber gab, arbeiteten die meisten Mitarbeiter ohne Honorar, statt eines Chefredakteurs gab es eine quotierte Kernredaktion und diverse Redaktionen.

Immer wieder erlebten die Macher Hausdurchsuchungen, Drohungen und Einschüchterungsversuche seitens des Staates, aber die harten Themen, die Radio 100 anfasste, fanden trotzdem oft auch ihren Weg in die etablierten und staatlichen Medien.

Trotz großer Popularität und noch größerer Selbstausbeutung ging Radio 100 in der Wendezeit das Geld aus, so dass am 1.2.1991 Schluss war.

Tagesspiegel
Die erste Ausgabe des Berliner Blattes erschien am 27.9.1945 und wurde zunächst in Tempelhof produziert und gedruckt. In Kooperation mit der Zeitung „Der Abend“ gründete der Tagesspiegel 1953 eine eigene Druckerei – die „Mercator-Druckerei“ – und es wurde ein gemeinsamer Sitz in der Potsdamer 77-78 gefunden.

Die Druckerei zog bereits 2003 aus, nach Spandau. Die Redaktion verlagerte ihren Sitz 2009 an den Askanischen Platz.

Weitere Zeitungen und Radiostationen:

- Die erste kostenlose Anzeigenzeitung „Zweite Hand“ erschien seit Januar 1983, erst ein-, dann zwei-, schließlich dreimal pro Woche. Sitz war die Potsdamer Straße 70, bis die stetige Expansion 1995 einen Umzug nach Treptow notwendig machte

- Der „tip“ – das größte Stadtmagazin Deutschlands - wurde in der Hauptstr. gegründet, zog dann aber 1975 in die Potsdamer Straße 89 und blieb dort bis 2005. Der tip-Laden und die Kleinanzeigenaufgabe blieben noch ein paar Jahre länger.

- Die Ost-West-Wochenzeitung „Freitag“ wurde 1990 als Alternative zur „Zeit“ u.a. von Günther Gaus, Christoph Hein und Wolfgang Ullmann gegründet und ging aus der DDR-Kulturzeitung „Sonntag“ sowie den westdeutschen Zeitschriften „Volkszeitung“ und „Tat“ hervor. Die Redaktion saß von 1999 – 2008 in der Potsdamer Straße 89.

- Das erste türkischsprachige „Radyo Metropol“ sendete von der Potsdamer Straße 131 für ganz Europa.

- Der Sender „Radio Russkij“ brachte Popmusik und Nachrichten in russischer Sprache und saß bis 2005 in der Potsdamer Straße 100.

- Das private „Radio NRJ/Energy“ hatte seinen Sitz bis 2005 in der Potsdamer Straße 88.
- Regine Wosnitza betreibt seit 2008 den „Potseblog“: www.potseblog.de. Sie
ist Vorsitzende der IG Potsdamer, einst von Gewerbetreibenden gegründet, um sich gegen die Hausbesetzer der achtziger Jahre zu positionieren, inzwischen sind auch Stadtteilaktivisten dabei.

Pallasseum, ehemals Sportpalast

Der 130m lange und 48m breite Sportpalast mit einer 20m hohen Halle wurde in nur 1 Jahr erbaut und eröffnete am 17.11.1910 mit der Eisshow „Feerie – Am Nordpol“ (2.300 Quadratmeter Eisfläche). Später fanden dort auch Radrennen (Berliner Sechstagerennen), Boxkämpfe, politische Veranstaltungen und Bälle („Hofball bei Zille“) statt. 1919 wurde das Kino „Sport-Palast-Lichtspiele“ mit mehr als 3.000 Plätzen eingebaut. Ab 1927 gab es Live-Rundfunkübertragungen aus dem Sportpalast.

Pallasseum
Pallasseum

Und es gab Kundgebungen aller politischen Richtungen: Von Thälmann und Clara Zetkin über Hindenburg und Breitscheid bis zu Goebbels und Hitler sprachen hier viele politischen Größen jener Zeit. Doch dann okkupierten die Nationalsozialisten nach ihrer Machtergreifung 1933 den Sportpalast. Hitler hielt hier seine „Führerrede“ von 1940, die von fast 700 deutschen und internationalen Sendern übertragen und in 26 Sprachen übersetzt wurde und Goebbels schrie seinen Satz „Wollt ihr den totalen Krieg?“

Im November 1943 geriet der Sportpalast bei einem Bombenangriff unter Beschuss und brannte bis zum Kriegsende fast vollständig aus, die große Halle musste abgerissen werden.

Die entstandene Freifläche wurde erst 1953 wieder überdacht, ab 1951 verhalf Georg Kraft dem Sportpalast zu neuem Glanz. Die Wiederbelebung gelang auch mit Hilfe von Jazz-, Rock- und Popkonzerten. Legendär ist das Bill-Haley-Konzert am 26.10.1958, das als „Rock’n’Roll-Schlacht von Berlin“ gilt: Die Band floh nach nur einer Viertelstunde, weil die wegen der altbackenen Vorband aufgebrachten Fans die Bühne stürmten, Stuhlreihe aus dem Parkett rissen, den Flügel zerhackten und andere Besucher verprügelten.

Doch nach dem Tod von Kraft 1972 beschlossen Politiker und Baulöwen das endgültige Ende des Sportpalastes – der Senat verkaufte das Gelände und dort entstand eine große Wohnanlage: „Wohnen am Kleistpark“, die heute „Pallasseum“ heißt, von den Anwohnern aber zynisch „Sozialpalast“ genannt wird. Doch trotz der kritischen Struktur (baulich und sozial) steht der riesige Riegel, der quer über die Pallasstraße reicht und mehr als 500 Wohnungen beherbergt, inzwischen unter Denkmalschutz.

Die rund 2.000 Bewohner sind größtenteils Migranten und arm, was immer wieder zu sozialen Spannungen und Krawallen mit Jugendlichen im Umfeld führt. Allerdings sind viele Probleme innerhalb des „Pallasseum“ durch aktive Arbeit des dort ansässigen Quartiersmanagements, des Mieterbeirates und Einrichtungen wie das „Café Palladin“ gelöst worden und die Lebensqualität ist spürbar gestiegen.