Potsdamer Straße - Die Straße der Besten

Potsdamer Straße - Straße der Besten
Potsdamer Straße - Straße der Besten | © radioeins/Warnow

Die Potsdamer ist zu groß, um kiezig zu sein – könnte man meinen. Aber auch hier ist Berlin letztendlich ein Dorf, in dem man sich kennt und grüßt. Die Kids aus der Straße verbringen ihre Nachmittage in Izzis Boxclub, der langjährige Geschäftsführer des Wintergarten-Varieté isst fast immer in der Joseph-Roth-Diele schräg gegenüber zu Mittag und der Schauspieler Mark Waschke träumt davon, eine Serie über seine Potsdamer zu machen...

In der Potsdamer Straße lebten viele Berühmtheiten, Intellektuelle und Künstler – wie z.B. der Schriftsteller und Naturgelehrte Adelbert von Chamisso, Theodor Fontane, die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm, die Sozialaktivistin Lina Morgenstern, der Verleger, Galerist, Musiker, Autor und Komponist Herwarth Walden, der Musiker und Komponist Walter Kollo, die Schauspielerin Marlene Dietrich, der Journalist und Schriftsteller Joseph Roth. Diese Reihe ließe sich noch lange fortsetzen, aber hier soll es vor allem um die heutigen Akteure der Potsdamer Straße gehen.

Prof. Dr. Erik Spiekermann

Potsdamer Straße 98
Tel.: 030-83219070
Mail: info@p98a.com

Der Kommunikations- und Schriftgestalter hat mit den von ihm entworfenen Schriftarten “Meta” und “Officina” wie kein anderer die visuelle Kultur Deutschlands geprägt. Einige Schriften des Typografen gelten weltweit als moderne Klassiker.

Spiekermann studierte Kunstgeschichte in Berlin und finanzierte das Studium, das er vorzeitig abbrach, mit dem Betrieb einer Kellerdruckerei und dem Bass-Spielen in Bars.

Der Honorarprofessor an der Hochschule für Künste in Bremen gründete mehrere sehr erfolgreiche Agenturen. Mit „MetaDesign Berlin“ setzte er Projekte wie das Fahrgastinformationssystem für die Berliner Verkehrsbetriebe oder das Corporate Design von Volkswagen und Audi um.

Im September 1989 mietete Spiekermann Büros im altehrwürdigen Weinhaus Huth an, nicht ahnend, dass die Mauer nur wenige Wochen später fallen und aus der ruhigen Gegend die größte Baustelle der Stadt machen würde. Doch weil ihm bereits im April 1990 alle Computer geklaut wurden, zog er im August 1990 schon wieder aus.

Galerie 98a 1
Galerie 98a 1

Seit 2009 führt er seine Agentur EdenSpiekermann in der Potsdamer Straße 77-78, ehemaliges Tagesspiegel-Haus. 2013 eröffnete er die Galerie und Druckerei „P 98a“ im schönen Hinterhof des Hauses der „Camaro-Stiftung“, nebenan zog die Künstlergruppe „Rixdorfer Drucke“ ein. Spiekermann hat eine enge Verbindung zur Potsdamer: Sein Vater arbeitete viele Jahre über dem heutigen Wintergarten Varieté, wo von 1962 bis 1990 die FDP ihren Sitz hatte. Und seine Schwester hatte ihr Büro (Rotbuchverlag) auch lange Zeit in der Potsdamer Straße 98a.

Seine Leidenschaft für seinen Beruf begründet Spiekermann so: „Ich habe zu Buchstaben ein schon sehr emotionales, wenn nicht sogar libidinöses Verhältnis.“
Interview mit Frank Meyer auf Deutschlandradio Kultur

Fiona Bennett und ihr Hut-Palast

Yoko Ono, Nadja Auermann und Brad Pitt lieben ihre Hüte und Wolfgang Joop meint: „Wer keinen Anlass hat, Fionas Hüte zu tragen, sollte sie wenigstens sammeln. Man weiß ja nie.“ Fiona Bennett ist einer der gefragtesten Hutdesignerinnen Deutschlands und verdreht mit ihren kunstvollen Kreationen der Modewelt den Kopf. Seit ein paar Jahren ist sie mit ihrem Hut-Palast in der Potsdamer Straße zu Hause.

1966 in Brighton geboren, kam Bennet mit sechs Jahren nach Berlin und absolvierte hier eine Ausbildung zur Modistin. Bereits 1992 eröffnete die junge Designerin ihr erstes Atelier in einer Fabrik in der Brunnenstraße in Berlin-Mitte. Daraufhin entwarf sie u.a. die brennbaren Bühnenkostüme für die Herzeleid-Tour von Rammstein. Sie gestaltete Kopfbedeckungen für Schauen von Joop, Guido Maria Kretschmer und Michalsky oder stattete Christina Aguilera's „Back to basic“–Welttournee sowie zahlreiche Filmproduktionen und Fotoshootings mit extravagantem Kopfschmuck aus. Und auch die Hüte, die die Hauptdarsteller in der Erfolgsserie „Babylon Berlin“ tragen, stammen von ihr.

2012 eröffnete Bennett den „Hut-Palast“ in der Potsdamer Straße. Der Umzug in die Straße fühlt sich bis heute richtig an, sagt die Designerin. Sie liebt das großstädtische Flair und das Multikulturelle der Potsdamer. Ihr Laden verleiht der Straße Magie und Eleganz. Der Hut-Palast – ein Raum ganz in Weiß mit einem kunstvoll gestalteten Boden und beeindruckend hohen Decken – entführt seinen Besucher in eine verzauberte Welt. Bennetts ausgefallene Kreationen balancieren auf Ständern und schwingen an Magneten durch die Luft. Und das große Schaufenster, von dem man schon von draußen in das Atelier blicken kann, wirkt wie aus der Zeit gefallen. Es lädt zum Innenhalten, zum Beobachten ein: Hutmacherinnen lassen vor den Augen der Passanten in liebevoller Handarbeit kleine Kunstwerke entstehen – sie locken Federn, modellieren Blüten, formen, ziehen und nähen Hüte.

Schaufenster Fiona Bennett
Schaufenster Fiona Bennett

Was Fiona Bennett beim Designen ihrer Hüte stets wichtig ist: Ein feiner Humor, ein Augenzwinkern. Bestes Beispiel dafür: ihre aktuelle Kollektion „Unlock Your Power“. Doch Bennet belässt es nicht bei ausgefallenem Kopfschmuck. Mit ihrem Partner Hans Böhme entwarf sie das Design für die wohl weltweit einzigartigen neuen Toilettenräume des Wintergarten-Varietés – gleich gegenüber von ihrem Hut-Palast und ebenso einen Besuch wert.

Weitere Infos:
Hut-Palast
Potsdamer Straße 81-83

mo - sa, 10 - 19 Uhr

Gemeinsam mit Eva Sichelschmidt schrieb Bennett eine Biographie des Hutmachens in Berlin: „Vom Locken der Feder

Georg Strecker, Chef vom Wintergarten

Das neunte Kind aus einem katholischen Elternhaus in Bad Homburg, wollte eigentlich Lehrer werden und  studierte deshalb in Frankfurt/M und dann in Nürnberg-Erlangen Sport, Latein und Englisch. Doch nach dem zweiten Staatsexamen 1986 gab es kaum Stellen für angehende junge Lehrer – heute kaum vorstellbar. Strecker verdingte sich deshalb zunächst als Fahrer von Fritz Rau, dem großen Doyen der deutschen Konzert-Veranstalter, dann als sein Tourneeleiter und kam so ins Entertainment-Business. Seit 1998 ist Strecker Geschäftsführer vom Wintergarten-Varieté und immer dabei, das Haus neu zu erfinden.

Mark Waschke

Der Schauspieler wurde 1972 als mittlerer von drei Söhnen in Wattenscheid geboren, spielte schon im Schulalter im Kindertheaterkreis Neuweiler und versuchte sich als Sänger der Punk-Band „Ignaz“.

1991 ging Waschke dann nach Berlin, begann dort ein Philosophiestudium, das er jedoch abbrach, um schließlich von 1995 bis 1999 an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch Berlin zu studieren. Waschke war Teil des legendären Abschlussjahres 1999, zu dem auch Lars Eidinger, Fritzi Haberlandt, Nina Hoss und Devid Striesow gehören.

1999 bis 2018 war Waschke Ensemblemitglied an der Schaubühne Berlin. Daneben stand er auf zahlreichen, anderen Bühnen: er spielte am Deutschen Theater Berlin, am Maxim-Gorki-Theater Berlin, am Deutschen Schauspielhaus Hamburg und am Schauspiel Köln.

Außerdem wirkte er in zahlreichen TV-und Kinoproduktionen mit, u.a. in „Barbara“ und den „Buddenbrocks“. Seit 2014 ist Waschke zusammen mit Meret Becker „Tatort“-Kommissar in Berlin.

Schauspieler Mark Waschke © rbb/Gundula Krause
Schauspieler Mark Waschke

Waschke wohnt seit vielen Jahren in der Potsdamer und hat eine enge Verbundenheit zu dieser Straße. Gern würde er am Beispiel dieser Straße in einer Serie die Widersprüche einer Stadt erzählen: die aufstrebende Galerieszene neben dem Drogen- und Prostitutionsmilieu, neben dem alteingesessenen türkischen Bioladen, der eher das wieder wachsende bürgerliche Publikum anspricht als die nach wie vor zahlreichen Migranten.

Izzet „Isi“ Mafratoglu

Isigym Boxsport Berlin e. V.
Potsdamer Straße 152

Tel.: 0174 393 92 06
Mail: isigymboxsport@yahoo.de

Der Boxtrainer gründete 2005 den Verein „Isigym Boxsport Berlin“, in dem jetzt rund 300 Jungen, Mädchen, Männer und Frauen trainieren. Der gelernte Elektriker, den alle Isi nennen, kam als zweijähriges Kind aus der Türkei nach Berlin und lebt seit eh und je im Schöneberger Nordkiez. Hier erlebte er immer wieder Ausgrenzung und Ablehnung, die Wut darüber ließ er im Boxring raus.

Schon als Schüler boxte er in Vereinen, siebenmal war er Deutscher Meister bei den Kindern, als Jugendlicher und Erwachsener Berliner Meister, nahm mehrfach an internationalen Wettkämpfen der Amateure teil.

Isigym Boxsport e.V.
Isigym Boxsport e.V.

Jetzt will er vor allem Jugendlichen aus sozial schwachen Elternhäusern eine Perspektive bieten, ihnen Respekt vor anderen, Disziplin und Selbstbeherrschung beibringen. Dafür spricht Mafratoglu Kinder und Jugendliche auf der Straße an, wenn er sie für Talente hält oder das Gefühl hat, dass sie auf die schiefe Bahn geraten könnten und betreibt damit eine wichtige Sozialarbeit in seinem Kiez.

Bei Bedarf schickt er seine Athleten auch zum Nachhilfeunterricht. Inzwischen kommen aber nicht nur Jugendliche ins Isigym, sondern auch Erwachsene wie der Chef der nahen Commerzbank-Filiale.

Der sportliche Erfolg des Vereins ist groß: Mehr als 50 Goldmedaillen haben seine Schützlinge in zwölf Jahren geholt: „Mit meinem sozialen Engagement will ich der Stadt etwas zurückgeben. Ich wünschte, wir würden alle integrieren. Aber das ist nicht möglich.“

Quelle:
www.welt.de/...

Sibylle Nägele und Joy Markert

Buch- und Hörspielautoren, Stadtführer

Nägele und Markert sind seit 1995 verheiratet und wohnen schon lange in Schöneberg, ganz in der Nähe der Potsdamer Straße. Nägeles Arbeitsweg zur Philharmonie führt bis heute durch die Potsdamer, während ihres Germanistik-Studiums war sie oft in der Staatsbibliothek am Kulturforum.

Sibylle Nägele
Sibylle Nägele

Als 2003 ein Wettbewerb für eine künstlerische Installation in der Potsdamer Straße ausgelobt wird, gibt es die Nachfrage nach Hintergrundinformationen für die beteiligten Künstler und die Jury. Nägele und Markert bekommen den Auftrag und beginnen, rund um die Straße zu recherchieren. Daraus entsteht das umfangreiche, akribisch recherchierte Buch „Die Potsdamer Straße. Geschichten, Mythen und Metamorphosen“, das 2006 zum 1. Mal im Metropol-Verlag erscheint. Nägele und Markert wollen damit die Seele der Straße herauskitzeln und erreichen, dass die Leser die Potsdamer lieben lernen. Das Autorenpaar bietet Führungen durch die Potsdamer Straße an, die über die Volkshochschule Tempelhof- Schöneberg, aber auch individuell direkt bei ihnen gebucht werden können.

Adresse
Literatur-Salon
Potsdamer Straße

Mail: s.naegele@medienautoren.de
Tel.: 01522-7181579

Marco Saß

Der gelernte Dipl.-Ingenieur für Theater- und Veranstaltungstechnik arbeitet am Hans-Otto-Theater und kann auf eine bewegte Kindheit und Jugend zurückschauen. Geboren in Norddeutschland, wo sein Vater Manfred „Manne“ Saß herkam, entschließt sich die Familie Anfang der 70er Jahre in die Heimat der Mutter nach Berlin zu ziehen. Saß fand die Verkaufsanzeige für das von einem Studentenkollektiv betriebene Gegenkulturzentrum „Quartier Latin“ in der Potsdamer Straße und pachtete den plüschigen Laden. Er machte daraus den größten Musik- und Kneipenladen der Stadt – in den Saal des ehemaligen Kinos passten ca. 1.000 Leute. Da sein Manfred Saß nicht aus Musikbranche kam, ließ er sich beraten, z.B. von Stammgästen wie dem Musikjournalisten Klaus Achterberg vom „Abend“ und dem Quasimodo-Betreiber Giorgio Caroti.

Dass es anfangs nicht mal Garderoben und Toiletten für die Musiker gab, die stattdessen in Eimer pinkeln mussten, tat dem zunehmenden Erfolg des „Quartier Latin“ keinen Abbruch. Marco Saß musste in dem chronisch von Pleite bedrohten Familienbetrieb schon als Schüler mit ran: Bier zapfen, Pizza verkaufen... Irgendwann entdeckte er die Fotografie für sich, machte Fotos von Konzerten und brachte die Abzüge gleich am nächsten Tag zu Zeitungen wie dem Tagesspiegel gegenüber. Und verdiente sich so sein Taschengeld. Aus dieser Zeit stammen sehr private Fotos von einem der ersten ersten Berlin-Auftritte Grönemeyers Anfang der 80er. Seine erste Begegnung mit Lindenberg hatte Saß

Marco Saß (links) Henry Steinhau © radioeins/Krüger
Marco Saß (links) Henry Steinhau | © radioeins/Krüger

1974 bei dessen erstem Berlin-Konzert, das er natürlich im Quartier gab. Saß war damals 9 Jahre alt und wurde von seiner Mutter dazu ermahnt: „Sag dem Herrn Lindenberg bitte Guten Abend“, was klein Marco dann auch brav tat.

Ende 1989 mussten die Saß’ das „Quartier Latin“ schließen. Das Haus gehörte jüdischen Besitzern aus den USA, die es kurz vor dem Mauerfall an die Immobilienfirma Kuthe verkauften. Die wollten soviel Miete haben, dass sich der Weiterbetrieb der inzwischen legendären Konzertlocation gar nicht mehr rentierte. Letztendlich war die Familie Saß froh über diese Entwicklung, denn der starken Konkurrenz der vielen neuen Läden grad im Osten der wiedervereinigten Stadt hätte sie in den Bankrott getrieben. Irgendwann beschlossen Marco Saß und der Konzertkritiker Henry Steinhau, der auch ständig im Quartier war, ein Buch über den Club zu schreiben und dafür auch die ganze Geschichte des Hauses zu erforschen. Das Buch „Quartier Latin: Berlins legendärer Musikladen 1970-1989“ erscheint am 21.9.2018 im L + H Verlag und wird am 24.9.2018 mit einer großen Party im Wintergarten-Varieté gefeiert.

Andreas Murkudis

Potsdamer Straße 81-83
Tel.: 030 680798306
mo - sa, 10 - 20 Uhr

Der Edeldesigner wurde 1961 als Kind griechischer Emigranten in Dresden geboren und siedelte 1973 mit der Familie nach Westberlin um. Dort ging er auf die Sophie-Scholl-Schule in der Potsdamer Straße, in die er nun als erfolgreicher Geschäftsmann zurückgekehrt ist. Er arbeitet eng mit seinem Bruder, dem Modedesigner Kostas Murkudis zusammen.

Einige Jahre war Murkudis Geschäftsführer im Berliner "Museum der Dinge", ehe er sich 2003 mit seinem ersten Geschäft in der Münzstr. in Mitte selbständig machte. 2011 zog er in die Potsdamer um, in eine der Hallen der Mercator-Druckerei auf dem ehemaligen Gelände des Berliner "Tagesspiegels".

Mercator-Höfe Eingang
Mercator-Höfe Eingang

Auf imposanten 1.000 Quadratmetern findet sich hier nun seine unverwechselbare Auswahl an Möbeln, Teppichen, Mode, Schmuck und Lifestyle-Preziosen, alles Objekte, die er persönlich ausgewählt und als besitzenswert befunden hat. Murkudis kauft seine Produkte in sehr kleiner Auflage, manche werden sogar exklusiv für ihn hergestellt. Gemeinsam mit der Modistin Fiona Bennet im Vorderhaus und dem Designer Paul Smith hat Murkudis den Luxus und die Hochwertigkeit in die Potsdamer Straße zurückgebracht – was die einen als Bedrohung, die anderen als Bereicherung empfinden.