Oderberger Straße - Litfaßsäule

Die Schöne Strasse - Litfasssäule
Die Schöne Strasse - Litfasssäule

In den 1980ern wurde die Oderberger zum Biotop für unangepasste Künstler aus der ganzen DDR. Auch nach der Wende blieb sie lange ein kreativer Ort, der inspirierte. Die Oderberger Straße war bereits Bühne für Performances und Kunstaktionen und ihre Kneipen und Hinterhöfe waren Schauplätze in Filmen. Stoff für Literatur und Feuilleton bietet ihre Geschichte bis heute...

Die Oderberger in der Kunst

Galerie O2
1991 gründete der Konzeptkünstler Wolfgang Krause in der Oderberger Str. 2 seine Galerie „O zwei“. Sein Schwerpunkt war immer die Kunst im öffentlichen Raum und zwar immer wieder auch in der Oderberger Straße. Ihre Hinterhöfe, Wohnungen, Häuser dienten ihm viele Jahre lang als Projektionsfläche für seine Idee einer kommunikativen Kunst, die sich aus der Realität speist, aber auch auf sie ausstrahlt. Das Haus gegenüber vom Stadtbad, in dem sich seine Galerie befand, war das letzte noch unsanierte Haus in der Oderberger Straße, das lange eine letzte, leise Ahnung vom morbiden Charme dieses Straßen-Mythos lebendig hielt. Bis im Jahr 2014 auch hier Gerüste die Einschusslöcher aus dem 2. Weltkrieg verdeckten und Krauses Galerie einer weiteren Kneipe wich.

http://www.ozwei.net


Atelier Klara Li:

Klara Linthe, so der bürgerliche Name von Klara Li, kam 1987 aus Dessau nach Berlin und in die Oderberger Straße. Hier half sie mit, den alternativen Kinderladen „SpielUnke“ auszugestalten und ließ sich von der kreativen Atmosphäre der dunklen Mauerstraße inspirieren. Nach einer Lehre als Maßschuhmacherin studierte sie Mode, Schmuckgestaltung, Malerei und Bühnenbild. Kurz vor der Wende reist sie in den Westen aus, kam aber nach einigen Jahren wieder zurück. Zunächst zog sie in die Schönhauser Allee, ging dann aber dann doch in ihre alte Wahlheimat Oderberger zurück.

Hier, in ihrem kleinen Wohnatelier - in dem die beiden Türen nach links in ihr privates Reich und rechts zur Küche und zum Ankleide-, Probe- und Ausstellungszimmer führen - fertigt sie Schmuck an, pimpt Klamotten zu kunstfertigen Unikaten auf und kreiert Musik mit Wassergläsern. Hier finden auch Lesungen, Konzerte und Ausstellungen statt. "Ich will meinen Gästen Salonkultur bieten", umschreibt Klara Li ihre Intention. Sie trägt Gedichte vor, singt und tritt mit einer Cello-Partnerin auf - wenn sie nicht gerade mit Kundinnen spontane Modenschauen auf dem Bürgersteig macht oder eine chinesische Drachentanzgruppe betreut und bei der Organisation des Welt-Chi-Gong-Kongresses hilft.

Klara Li, Atelier Oderberger Str. 12, 44 73 12 94. www.klaralinthe.de

http://www.berliner-zeitung.de/archiv/reparieren--ohne-dass-es-jemand-sieht--klara-li-arbeitet-alte-klamotten-zu-neuen-kollektionen-um-die-aufhuebscherin,10810590,10553080.html

https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/klara-li-zieht-um

Die Oderberger in Film und Fernsehen:

„Glück im Hinterhaus“
Ein deutscher Spielfilm der DEFA von Herrmann Zschoche aus dem Jahr 1980, der zu großen Teilen in der Oderberger Straße gedreht wurde. Er beruht auf dem Roman Buridans Esel von Günter de Bruyn. Der etwas über vierzigjährige Bibliothekar Karl Erp (Dieter Mann) ist verheirateter Vater von zwei Kindern. Eines Tages verliebt er sich in seine junge Arbeitskollegin Fräulein Broder (Ute Lubosch).

Nach einer Weile hat sich die Beziehung zwischen dem Bibliothekar und seiner Arbeitskollegin so vertieft, dass er seiner Ehefrau Elisabeth (Jutta Wachowiak) eröffnet, sie zu keiner Zeit geliebt zu haben. Karl möchte damit die bislang glückliche Ehe hinter sich lassen und zieht zu seiner Geliebten.

Nach einer für den Bibliothekar angenehmen Zeit mit Fräulein Broder gerät er in Unsicherheit: Ihm fällt es schwer, die Enge, die dünnen Wände und den Lärm im Hinterhaus zu ertragen. Durch einen überstürzten Arbeitsplatz-Tausch Fräulein Broders, der einer Flucht gleicht, erzwingt sie eine Entscheidung von Karl. Er kehrt schließlich zurück zu seiner Frau und seinen beiden Kinder. Nach seiner Rückkehr bemerkt er, dass seine Frau sich während seiner Abwesenheit verändert hat.

„Der Staatsanwalt hat das Wort: Verliebt – verloren“
Der Staatsanwalt hat das Wort war eine Fernsehspiel-Reihe des Deutschen Fernsehfunks beziehungsweise des Fernsehens der DDR, die von 1965 bis 1991 produziert wurde. 1963 nach dem Vorbild der westdeutschen Reihe Das Fernsehgericht tagt konzipiert, sollten hier die Gesetze und das Strafsystem der DDR deutlich gemacht werden. Und zwar anhand realer Kriminalfälle.

Ermittlerfiguren gab es in der Reihe nicht. Jeder Film konzentrierte sich ganz auf die Vorgeschichte eines Verbrechens oder Vergehens und leuchtete das soziale Umfeld des Täters aus, dessen Tat somit auf ihre gesellschaftliche Bedingtheit bezogen wurde.

Titelgebendes und besonderes Element der Reihe waren die Auftritte von Staatsanwalt Dr. Peter Przybylski. Nach kurzen, einleitenden Worten zu Beginn der Sendung folgte die Spielhandlung, an deren Ende die behandelte Tat oder die Entdeckung der Taten standen. Zum Ende der Sendungen kommentierte er die Taten und die Umstände, die zu ihr geführt hatten. Dabei nannte er auch das verkündete Urteil und wies auf moralische Faktoren aus sozialistischer Sicht hin. Bei der Auswahl der Delikte wurde darauf geachtet, dass der offiziellen Kriminalitätsstatistik der DDR entsprochen wurde. So wurden hauptsächlich kleinere Delikte wie Raub, Heiratsschwindel, Trunkenheit am Steuer oder Unterschlagung thematisiert. Dass Gewaltdelikte kaum zur Sprache kamen, wurde damit begründet, dass Morde am häuslichen Herd äußerst selten und nicht zu verhindern seien.

Für den Staatsanwalt konzipierte Drehbücher, die Gewaltverbrechen behandelten, wurden meist der Polizeiruf-Reihe zugeschlagen. Beim Staatsanwalt selbst gab es dementsprechend nur selten Todesfälle. Im Gegensatz zum „Polizeiruf 110“, in dem es immer um fiktive Fälle ging, überlebte dieses Sendereihe die Wende nur kurz.

Zu einer der letzten gedrehten Episoden gehört die am 16. Juni 1991 ausgestrahlte mit dem Titel „Verliebt – verloren“ und mit Anja Kling in der Hauptrolle. Sie spielt darin eine junge Mutter, die im Taumel des Mauerfalls ihr kleines Kind allein in ihrer Ostberliner Altbauwohnung zurücklässt, um im Westen ein neues Leben zu beginnen. Wofür sie sich später verantworten muss – kein Einzelfall in der damaligen Zeit. Gedreht wurde hauptsächlich in einer Wohnung im Seitenflügel der Oderberger Str. 21. Der Aufnahmeleiter wohnte in diesem Haus und hatte befreundete Studenten für die Idee gewonnen, ihre Wohnungen für ein paar Tage als Drehort, Garderobe und Aufenthaltsmöglichkeit an das Team des DFF zu vermieten.

ZDF-Serie „Zwei allein“
Für die ZDF-Weihnachtsserie Zwei Allein stand 1998 der Schauspieler Max Riemelt u.a. im Hirschhof vor der Kamera. In einer der Drehpausen kratzte er seinen Vornamen in frischen Beton. Der Schriftzug ist noch heute dort zu lesen.

Bubi-Scholz-Story
Der zweiteilige Film um Aufstieg und Fall des Berliner Boxers Bubi Scholz wurde unter anderem in dem Restaurant „Oderquelle“ gedreht.

1948 steigt der 16-jährige "Bubi" (Benno Fürmann) erstmals in den Ring. Er gewinnt. Von nun an geht es Schlag auf Schlag. Drei Jahre später wird er Deutscher Meister im Weltergewicht. Als er Helga (Nicolette Krebitz) trifft, scheint das Glück perfekt. Dann diagnostiziert ein Arzt Tuberkulose und erteilt Boxverbot. Bubi beginnt zu trinken… Die packende Biografie um die gescheiterte Boxlegende wurde mit vier Bundesfilmpreisen ausgezeichnet. In Teil zwei spielt Götz George den gealterten Bubi Scholz.

Basis-Druck-Verlag
Ein Verlag mit Sitz in Berlin (Deutschland). Sein Schwerpunkt liegt im Bereich politisches Sachbuch mit den Hauptthemen DDR- und osteuropäische Geschichte.

Der BasisDruck Verlag wurde im Dezember 1989 von Stefan Ret und Klaus Wolfram als erster neuer Verlag der DDR gegründet. Ursprünglich, um die erste neue Zeitung in der aufgewühlten DDR herausbringen zu können. Den faktischen Bürgerbewegungen eine eigene und selbstbewusste Öffentlichkeit zu ermöglichen, war die erste Aufgabe, der sich die Macher stellen wollten.

Motor des Ganzen war der Oderberger-Oberrebell Bernd Holtfreter als informeller Herausgeber, Chefredakteur, Marketingchef der Zeitung „die Anderen“. Er besorgte auch den Schlüssel für die Hochparterre-Wohnung im Vorderhaus der Oderberger Str. 19., um dort zunächst einen Kieztreffpunkt daraus zu machen. Hier fand dann 1990 der BasisDruck Verlag seine erste Bleibe. Allerdings kam es zum Streit mit dem 1990 gegründeten und ebenfalls dort ansässigen „Entweder Oderberger e.V.“, so dass der Verlag die Oderberger 19 mitsamt Mobiliar verließ. Wenig später eröffnete hier die erste Nach-Wende-Lokalität, das Café „Entweder Oder“, das bis heute ein Treffpunkt der alten Szene geblieben ist.

Der BasisDruckVerlag dagegen eröffnete später in der Dunckerstraße die Redaktionsdestille „TORPEDOKÄFER“.

Die Redaktion findet man nicht weit entfernt in der Prenzlauer Promenade. Publikationen waren u.a. von Januar 1990 bis August 1992 die ostdeutsche, oppositionelle Wochenzeitung die andere. Das erste Buch der Verlagsproduktion war „Ich liebe Euch doch alle! – Befehle und Lageberichte des MfS“. In den folgenden Jahren wurden rund 100 Titel veröffentlicht.

Von 1994 bis 1999 erschien monatlich die kulturpolitische Zeitschrift Sklaven, seit 1999 erscheint die Folgezeitschrift Gegner.

Die Oderberger in der Literatur:

David Wagner: „Welche Farbe hat Berlin“, Verbrecher Verlag, 14,00 €David Wagner läuft seit zwanzig Jahren kreuz und quer durch Berlin. Er ist ein Stadtwanderer, „in Halbtrance, gepaart mit dem Willen zur illusionslosen Genauigkeit“, wie die Wochenzeitung Die Zeit meinte. Er spaziert durch die Randgebiete und durch den alten Westen. Er geht die Baustellen ab und erinnert sich an Baulücken. Auch die Oderberger Straße, in der er seit vielen Jahren wohnt, portraitiert Wagner in dieser Sammlung veröffentlichter und unveröffentlichter Texte, die in den letzten Jahren entstanden sind.

Olaf Schwarzbach (OL): „Forelle Grau“, erschienen 2015, Berlin Verlag, € 19,99
OL ist Teil der kreativen Untergrundszene von Ostberlin und seine Wege führen ihn dabei auch immer wieder in die Oderberger Straße. Sein Freund Scheffel wird hier Anfang der 90er Jahre das Café NEMO eröffnen, wo Zeichnungen von OL bis heute die Wände schmücken. Mit sechzehn hat OL zum ersten Mal Kontakt zur Staatssicherheit, die ihn fortan Forelle nennt. Obwohl er nie in den Westen wollte, flieht er kurz vor der Wende dorthin, um aber schon 1991 nach Berlin zurückzukehren. Direkt und ohne Eitelkeit erzählt OL seine ganz persönliche tragikomische Ost-West-Geschichte - weil er genervt ist von Erzählungen und Mythen über den Osten, die so gar nicht seinen Erinnerungen entsprechen, und weil er vieles anders sieht. Vor allem mit einer großen Portion Humor und Selbstironie.