Goltzstraße - Die Straße der Besten

Goltzstraße - Die Straße der Besten
Goltzstraße - Die Straße der Besten

Zwischen der florierenden Akazienstraße und dem Marktplatzkönig Winterfeldtplatz wirkt die Goltzstraße wie ein gemütliches Wohnzimmer, in dem man zusammen sitzen und bei gutem Essen und ausgezeichneten Weinen gute Gespräche führen kann. Alteingesessene Schönberger, Studenten und Touristen lieben die Goltz für ihre entspannte Atmosphäre. Doch wer ist hier eigentlich wirklich zu Hause? Wer arbeitet und vor allem wohnt hier? Ein paar Goltz-Gesichter stellen wir Ihnen genauer vor…

Renate Künast, Spitzenpolitikerin der Grünen

Eigentlich kommt Renate Künast aus dem Ruhrpott. Aber wie so viele andere junge Westdeutsche verschlägt es sie 1976 nach dem Studium ins eingemauerte Westberlin – diesem Biotop für Lebenskünstler, Wehrdienstverweigerer, Hippiekommunen. Die junge Absolventin muss ihr Anerkennungsjahr für das Soziologiestudium machen und da ihr Schwerpunkt auf dem Strafvollzug liegt, erhofft sie sich im experimentierfreudigen Berlin auch einen solchen Knast. Sie findet ihn in Tegel, damals eine moderne Gefängnisanstalt mit Gruppenvollzug. Eigentlich will sie auch gar nicht viel länger bleiben. Doch nun lebt und arbeitet die grüne Spitzenpolitikerin schon 4 Jahrzehnten hier. Von Anfang an ist die Gegend um den Winterfeldtplatz und die Goltzstraße ihr Lieblingskiez, obwohl sie 25 lange Jahre in einer WG im ziemlich abgelegenen und sehr bürgerlichen Friedenau wohnt. Doch am Samstagmittag fuhr man zusammen zum Winterfeldtmarkt, trank schon am Mittag das erste Bier in der berüchtigten Kneipe „Ruine“ und zog dann weiter zum Dschungel, dem späteren Slumberland. Renate Künast lernt über ihren heutigen Mann die Weinhandlung „Goltz 23“ kennen und ist dort seither Stammkundin. Sie stattet außerdem Bastel-Rüther, der Apfelgalerie, dem Café Sorgenfrei, aber auch dem Pestalozzi-Fröbel-Haus oder der Geschichtswerkstatt gern einen Besuch ab. Auch bei Winterfeldt-Schokoladen schaut sie ab und an vorbei, doch ist dies für sie ein Ort der „Sünde“, den sie nach einem kurzen Einkauf meist schnell wieder verlässt – um nicht noch schwächer zu werden.

Die bekannte Politikerin liebt bis heute das Bummeln durch die Goltzstraße, nach wie vor am liebsten samstags, wenn sie ungestört mit anderen Stammbesuchern wie dem Schauspieler Dietmar Bär einen Wein trinken und mit den Leuten einfach nur quatschen kann, ohne dass der „Promi-Faktor“ anstrengend wird. Denn in der Goltz pfeift man aus guter alter Tradition auf Autoritäten und Groupie-Attitüden.

Sylvia Schöningh-Taylor

Die Schriftstellerin ist, wie so viele Berlin-Fans, nicht hier geboren. Doch sie hat trotzdem einen ganz engen Bezug zur Stadt im Allgemeinen und der Goltzstraße im Besonderen. Denn ihre Mutter kommt 1914 in der Goltzstraße 34 zur Welt, bei einer damals noch ganz üblichen Hausgeburt. Während des 2. Weltkrieges wird die junge Frau und Mutter 1943 nach den ersten großen Bombenangriffen nach Hessen zwangsevakuiert. Hier bleibt sie hängen, bekommt ihre Tochter Sylvia, hört aber nie auf, von ihrem Sehnsuchtsort Berlin zu träumen und davon, an der Oper ihr Können auf der Geige zum Beruf zu machen. Was für ihre Mutter ein lebenslanger Traum bleibt, macht Sylvia Schöningh-Taylor wahr. Sie studiert 1970/71 in Westberlin und wohnt damals in Kreuzberg am Kotti. 1986/87 kommt die junge Lehrerin wieder, um noch Theaterpädagogik zu studieren. Jetzt verschlägt es sie mehr oder weniger zufällig in die Goltzstraße. Sie wohnt in der Nr. 35, also direkt neben dem Haus, in dem ihre Mutter geboren wurde und aufwuchs. Doch das erfährt sie erst, als ihre Mutter sie dort besucht. Sylvia lernt einen Briten kennen und folgt ihm für 18 Jahre nach London, bekommt dort 2 Kinder. Die Beziehung zerbricht unter dramatischen Umständen, die sie in ihrem Buch „Kinderliebe“ festhält. Erst 2015 kehrt die Wahlberlinerin in die nun nicht mehr geteilte Stadt zurück und entdeckt bei einem Spaziergang durch die Goltzstraße ein „zu verkaufen“-Schild in der Nr. 21, direkt über dem heutigen „Café Golzo“. Kurz entschlossen wirft sie alles, was sie hat, in die Waagschale und kauft die Wohnung, die fast gegenüber dem Geburtshaus ihrer Mutter liegt. Für Schöningh-Taylor auch eine Geste der Versöhnung mit ihrer Mutter, die ihr nie verzeihen konnte, dass sie wahrmachen konnte, was ihr selber versagt blieb – ein Leben in Berlin.

Geschichtswerkstatt

Ganz besondere Menschen kann man seit 1992 in der Goltzstraße 49 antreffen. Hier befindet sich die schon 1981 gegründete Berliner Geschichtswerkstatt, ein gemeinnütziger Verein mit 75 Mitgliedern, die sich der Erforschung der Berliner Geschichte – insbesondere des Nationalsozialismus, der Geschlechtergeschichte und der Minderheitenforschung - verschrieben haben. Das Besondere: Die Ergebnisse dieser sehr ambitionierten Forschung können von Interessierten regelrecht erlebt werden. Ganz klassisch in Form selbst herausgegebener Bücher und Schriften oder kuratierter Ausstellungen. Oder aber bei geführten Stadtspaziergängen – auch per Schiff. Übrigens ein Highlight für jeden Berlin-Fan, das wegen regen Andranges rechtzeitig gebucht werden muss!

Die Berliner Geschichtswerkstatt knüpft an die Traditionen der skandinavischen „Grabe-wo-du-stehst“- und der angelsächsischen „history-workshop“-Bewegung an – Erforschung der Geschichte „von untern“ also. Die Geschichtswerkstatt will

historische Fragestellungen über den rein akademischen Bereich hinaustragen und Geschichte zusammen mit Zeitzeugen und anderen Interessierten erforschen. Charakteristisch ist dabei die Verbindung der akademischen Forschung (Schwerpunkte Oral History, Bildquellenforschung, Mentalitätsgeschichte) mit der lokalen Spurensuche und Gedenkstättenarbeit sowie intensiven ZeitzeugInnenkontakten.

Die „Seele“ des Vereins sind die Projekte. Hier findet die aktive Aufarbeitung der historischen Themen zur Berliner Sozial-, Alltags- und Frauengeschichte statt. Die Ergebnisse der Projekte, insbesondere die biographischen Selbstzeugnisse, bilden den Hauptbestandteil des eigenen Archivs. Hier findet man eine Auswahl bisheriger Projekte der Berliner Geschichtswerkstatt. Die Mitarbeit und/oder Mitgliedschaft steht jedem offen, der/die Lust auf Geschichte, Ideen und Engagement mitbringt.

Erfragen kann man Einzelheiten zu den Projekten beim Vorstand oder im Laden der Berliner Geschichtswerkstatt.

Goltzstr. 49
U 7: Eisenacher Straße

Tel.: 030 - 215 44 50
e-mail: info@berliner-geschichtswerkstatt.de