Gerichtstraße - Streetview

Gerichtstraße - Steetview
Gerichtstraße - Steetview

Das ältestes Krematorium Berlins, eines der größten Kunstquartiere Deutschlands   und ein Tangoloft, das weltweit bekannt ist. Außerdem: Sechs Gewerbehöfe, in denen momentan Kreative aller Künste zusammenkommen, ein Stadtbad mit Party-Vergangenheit und ein Indoor-Baumhaus, das zum Ort der Begegnung im Wedding werden will. Geschichten über geheimnisvolle Locations, versteckte Hinterhöfe und historische Gebäude in der Gerichtstraße…

Gerichtstraße (Warnow)

Ein kurzer Abriss

Die Gerichtstraße erstreckt sich von der Müllerstraße im Westen über den Nettelbeckplatz bis zur Einmündung der Gartenstraße in die Grenzstraße im Osten. Sie hat ihren Namen seit 1827 nach dem Hochgericht – also einem Hinrichtungsplatz, der sich an der Gartenstraße auf dem Gelände des heutigen Gartenplatzes befand. Der Gartenplatz hieß deshalb bis 1861 noch Galgenplatz. Die letzte Hinrichtung fand am 2. März 1837 statt. Die Witwe Meyer wurde gerädert, weil sie ihren schlafenden Mann mit einem Beil erschlagen hatte.

Das ehemalige Vorwerk Wedding war Namensgeber des Bezirks Wedding. Das Vorwerk befand sich zwischen den späteren Straßenverläufen Gericht-, Reinickendorfer- und Wiesenstraße, wurde 1817 von der Stadt Berlin erworben und anschließend parzelliert oder verpachtet. Als Hauptstraßenzug konzipierte man im 19. Jahrhundert die Gerichtstraße wie die Müllerstraße ungewöhnlich breit (23,5 m).

Quelle:
www.diegeschichteberlins.de

Der Galgenplatz

Des Teufels Lustgarten…

…und ähnliche Namen erhielten die Plätze, auf denen sich das Hochgericht, also der Galgenplatz, befand. Die älteste Berliner Galgenstätte lag innerhalb der ehemaligen Mauern am Neuen Markt, wurde dann aber mehrfach verlegt.

1753 trat das Blutgerüst seine letzte Wanderung an, zu dem Ort, auf dem sich heute der Gartenplatz befindet. Die Galgenanlage kostete damals 1.175 Taler. Es war ein zwei Meter hoher, ungefähr quadratischer Bau, aus Steinen errichtet, mit eingebauter Treppe und eisernem Gitter. Der hochragende, dreifüßige Galgen darauf bestand aus Holz, das zusätzlich mit Blech verkleidet war. Diese Anlage war dann über 80 Jahre in Betrieb. Die letzte Hinrichtung fand darauf am 2. März 1837 statt.

Westlich zwischen dem alten und dem neuen Standort des Hochgerichts am Galgen- oder Gerichtsplatz befand sich die Scharfrichterei, in der Henker und Scharfrichter nicht nur wohnten, sondern auch eine Abdeckerei (Beseitigung von Tierleichen) betrieben. Dieses Gewerbe gehörte im 18. Jahrhundert noch sehr häufig zu den Aufgaben des Scharfrichters. Die große Entfernung von der Stadt und die freie Lage lassen sich aus dem unvermeidlichen Gestank erklären, der mit einer Abdeckerei verbunden ist. Diese Anlage blieb bis 1842 auf dem Grundstück, dann musste sie dem Bau des Stettiner Bahnhofs weichen.

Das Henken der Delinquenten geschah auf mehrere Arten. Sie wurden erhängt, verbrannt oder gerädert, wobei ihnen in langer Prozedur die Knochen gebrochen wurden. Wenn ein Mensch öffentlich hingerichtet werden sollte, war dies immer ein großes Schauspiel, an dem oft tausende Schaulustige teilhaben wollten. Es gibt mehrere Berichte über die Hinrichtungen, hier einer aus dem Jahr 1799:

„Früh um vier waren die Straßen schon lebhaft – alles drängte sich nach der Gegend des Rathauses hin, wo über die Unglückliche noch unter freiem Himmel ein peinliches Hochgericht gehalten werden sollte. Um sechs Uhr waren bereits alle Straßen, welche dahin führten, mit Menschen angefüllt, daß man Mühe hatte, sich durchzudrängen. ... Auf den Straßen standen dichte Reihen von Zuschauern, alle Türen, Fenster, selbst Dachfenster, waren besetzt. Das Wetter war außerordentlich schön und daher kein Wunder, daß vor dem Tor und um das Hochgericht her sich eine unübersehbare Volksmenge versammelt hatte...

Um die Zuschauer, die aus allen Ständen und Volksklassen und ebenso viel Weibern als Männern bestanden, drängte sich eine zahllose Menge Marketender mit Likör und Branntwein herum und wurden ihre Ware häufig los. Man hatte geglaubt, die Exekution würde ganz früh vollzogen werden – es wurde Mittag und die Langeweile wurde mit Trinken verscheucht. Es konnte nicht fehlen, daß eine große Menge sich als berauscht ausgezeichnet, sich geprügelt, gezankt, geschrien – kurz alles getan hätte, was ein ausgelassener Pöbel nur immer tun kann. Niemand war bei dieser Gelegenheit geschäftiger als die Freudenmädchen, die überall zu treffen waren, um Geschäfte zu etablieren.

Zu einer Hinrichtung durchs Rad sind sieben Scharfrichter nötig, die sich dann an diesem Tage aus der ganzen Gegend eingefunden hatten. Jeder derselben hatte seine Kinder mitgebracht, alle standen oben auf dem Schafott und bildeten einen Kreis umher. Nach den ersten drei Schlägen in den Nacken muß der Körper des Delinquenten herumgeworfen werden. Diese kleine Pause benutzte der alte Scharfrichter, der seinen Sohn, welcher die Exekution vollzog, unterwies und ihm jedesmal mit dem Finger die Stelle zeigte, wohin er schlagen sollte.“

Die öffentlichen Hinrichtungen ließen aber die Zuschauer nicht etwa in sich gehen, sondern gerieten immer mehr zu großen Volksfesten, zu denen auch Auswärtige anreisten. Bis in die Nacht hinein wurde danach getrunken, gefeiert und allerlei Unfug getrieben. Dadurch gingen aber dem Akt der nötige Ernst und die beabsichtigte Wirkung verloren. Aus der Sühne der Tat entstand ein Hohn auf die Gesetze. Deshalb sah man dann ab 1837 von öffentlichen Hinrichtungen ab.

Die Galgenanlage stand noch bis 1842/43, danach wurde sie einem lebenslustigen Menschen verkauft, der daraus das Fundament und Gerüst für seine neue Kneipe in der Ackerstraße baute. Auf dem Platz befindet sich heute die katholische St. Sebastian-Kirche sowie ein Kinderspielplatz. Übrigens

Kursiert über die letzte Hingerichtete – die Witwe Meyer – bis heute ein Gerücht unter den Menschen, die in der Nähe des Gartenplatzes wohnen: Wer um Mitternacht dort vorbeikommt, kann manchmal im Innern der Kirche ein flackerndes Licht sehen, das mal an einem, mal an einem anderen Fenster erscheint. Dieses Licht kommt von der Laterne, die die alte Meyern in der Hand trägt. Die Unglückliche kann nämlich im Grab, das sich ebenfalls auf dem Platz befindet, keine Ruhe finden und steigt dann und wann aus der Gruft auf. Seit aber diese Kirche gebaut wurde, sieht dort alles anders aus als früher. Darum kann die alte Frau die Grabstätte manchmal nicht wiederfinden, und dann wandelt sie mit der Laterne auf und ab und sucht…

Quelle:
www.berlinstreet.de

Gerichtshof 23

Dieser 1906 gebaute Gewerbekomplex mit seinen 6 typischen Berliner Hinterhöfen wurde in den 1990er Jahren von dem schwerreichen New Yorker Investor Frances Greenburger aufgekauft. Doch er sanierte das Gebäude nicht zu Tode, wandelte die Gewerbehöfe nicht in luxuriöse Eigentumswohnungen um, sondern erhielt den morbiden Industrie-Charme bei, beließ die ansässigen Handwerkerbetriebe dort und öffnete die Höfe für Kreative aller Art. Vorausgesetzt, sie hielten sich an seine Strategie der weitgehenden Erhaltung des Vorhandenen.

So wurde aus der Gerichtsstr. ein Ballungszentrum aus Kommerz, Kunst, Kreativität, das sich aber nicht mit schicken Galerien, teuren Cafés oder Luxus-Boutiquen schmückt, sondern mit absolutem Understatement. Überall bröckelt es, neue Graffitis und historische Schriften schmücken die Wände, der Geruch übervoller Müllcontainer wabert durch die Höfe.

Hier hat u.a. das inzwischen international agierende Label „Kauf dich glücklich“ seine Homebase mit Design-Zentrum, Online-Versand, Lager, Fotostudio und Outlet.

Die „Fabrik 23“ vermietet drei verschiedene Lofts für Veranstaltungen, genauso wie das „Art-Loft“ und das Event-Kochstudio „Kochende Welten“ oder die Bar „Anita Berber“.

Im Club „Panke“ kann man gechillt abhängen und die grünwuchernde Oase der Ruhe am Ufer der dahinplätschernden Panke genießen.

Im Tangoloft – dem wohl bekanntesten Treff für Tango-Freunde aus aller Welt in Berlin oder gar Deutschland -  erwartet einen die rot-plüschige Atmosphäre der 20er Jahre zwischen Blütenschaukel und Kerzenschein.

Fitness-Freaks zieht es auch seit einiger Zeit hierher, denn hier entstand die erste „CrossFit-Box“ Berlins. CrossFit gehört zu den härtesten und vielseitigsten Trainingsprogrammen, ursprünglich entwickelt zur Ausbildung der L.A.-Police. Wenn die Sportler riesige Autoreifen durch die Halle rollen oder mit dem Vorschlaghammer bearbeiten, wackelt das ganze, alte Gebäude.

Aber es gibt auch immer noch Tischlereien oder die Werkstatt des Metallkünstlers Lorenz, der gemeinsam mit anderen Kreativen dort arbeitet und im Keller Partys organisiert.

Stadtbad Wedding, Gerichtstraße 65

Das Stadtbad Wedding wurde nach einem Entwurf von Ludwig Hoffmann erbaut und am 15. Juni 1908 eröffnet. Das Bad hatte mit seinen beiden Schwimmbecken und 85 Badewannen natürlich eine wichtige Funktion für die Hygiene der Weddinger Bevölkerung, für die ein eigenes Bad oft ein unerreichbarer Luxus war. Trotz Kriegszerstörungen wurde das Bad 1956 wieder in Betrieb genommen. Doch 1999 wurde der Badebetrieb aus baulichen, hygienischen und auch Spargründen eingestellt und das Gebäude von der Stadt an einen Investor verkauft. Nach mehrjährigem Leerstand erwarb der Immobilienentwickler Arne Piepgras das Gebäude und stellte es für eine kulturelle Zwischennutzung zur Verfügung („Stattbad Wedding"). Während in den oberen Etagen Kreative unterschiedlichster Couleur ihre Büros und Studios einrichteten, fanden in der ehemaligen Schwimmhalle wilde, teilweise auch unangemeldete Partys statt, was schließlich 2015 zur finalen Schließung führte. Nun droht dem inzwischen völlig heruntergekommenen Gebäude der Abriss.

„N 65“


Am westlichen Ende der Straße in Richtung Müllerstr. wurde an der Stelle der Hausnummer 50/51 in den Jahren 1926 – 28 ein großes, rotes und sehr sachlich gehaltenes Backsteingebäude errichtet – hier war das Postamt „N 65“ beheimatet. Noch heute symbolisiert die postalische Nummer, später „1000 Berlin 65“, ein Stück Weddinger Identität. Jahrzehntelang war die Post Dreh- und Angelpunkt dieses immer etwas belebteren Teils der Gerichtsstr. Friseur, Optiker, Bäcker, Kneipen – all das existierte hier lange Zeit und war fester Anlaufpunkt für die Bewohner: echte Berliner aus dem kleinbürgerlichen Milieu. Doch als die Post 2010 geschlossen wurde, begann das große Sterben fast aller Läden. Lebendiger wird es dann erst wieder auf dem, 1988 verkehrsberuhigten, Nettelbeckplatz ein paar Meter weiter Richtung Osten. Dort reiht sich das türkisch Männercafés an die Berliner Kneipe, das vietnamesische Restaurant und den Späti und toben Kinder verschiedenster Nationalitäten auf der Bronzeskulptur „Tanz auf dem Vulkan“ herum. Einem runden Brunnenbecken aus rötlichem und hellgrauem Granit mit einem gut zwei Meter hohen Vulkan, auf dessen Kegel vier lebensgroße Bronzefiguren tanzen sowie eine bronzene Sängerin in Bühnenpose steht. Am Fuß des Vulkans sitzt ein – an seinem Huf erkennbarer – bronzener Satyr an einem Piano aus schwarzem Eruptivgestein.

Das ehemalige Krematorium, Gerichtstraße 37/38

Genau gegenüber der ehemaligen Post findet sich ein eindrucksvoller Bau, das ehemalige Krematorium. 1911 als erstes Krematorium der Stadt und insgesamt drittes in Preußen erbaut, zeugt es vom kulturhistorischen Wandel, der mit der Einführung der Feuerbestattung als alternativer Beisetzungsform in Deutschland einherging.

Gleich daneben liegt der älteste kommunale Friedhof Berlins, der heutige Urnenfriedhof, der 1928 eingeweiht wurde. Die Stadt Berlin betrat mit dem städtischen Friedhof Neuland, denn bisher gab es für Begräbnisse nur die von den Kirchen angelegten Kirchhöfe. Die Kirchen wollten ihre Monopolstellung behalten. Das Totenbuch führte bis 1856 der Lehrer Wilhelm Friedrich, der am Anfang nicht nur der einzige Weddinger Lehrer war, sondern auch als Totengräber wirkte.

Zum Zwecke der Einäscherung ließ der speziell gegründete „Verein für Feuerbestattung“ eine Urnen-Feierhalle mit Mansarddach und einer Verbrennungsanlage nach Siemens errichten. Am 28. November 1912 erfolgte in dem Krematorium die erste Einäscherung eines Verstorbenen.

Im Jahr 1995 wurde das Krematorium in die Berliner Denkmalliste aufgenommen.

Das Hauptgebäude des Krematoriums ist eine große, zentral angelegte 17 Meter hohe Feierhalle, in der auch die Urnen abgestellt wurden. Diese achteckige Urnenhalle ist in neoklassizistischen und frühchristlichen Architekturformen gehalten.

Trotz frühchristlicher Elemente in der Architektur des Gebäudes haben kaum religiöse Motive Eingang in die Gestaltung des Krematoriums gefunden, da die Feuerbestattung säkular ausgerichtet war. Steinerne Greifen, eine im Boden des Kuppelsaals eingelassene Schlange und schmiedeeiserne Flammenschalen am vorderen Eingangsportal ersetzen eine christliche Symbolik.

Zwischen 1998 und 2000 ließ das Weddinger Bezirksamt – trotz schon damals vorhandener Überkapazitäten in Berlin – für 3,2 Millionen DM weitere Modernisierungen vornehmen, vor allem für den dritten Brennofen. Nachdem das Krematorium noch um 817 Leichenlagerplätze und eine Gerichtsmedizin mit 11 Seziertischen unterirdisch erweitert wurde, ließ die Stadt es Ende 2001 schließen.

Danach wurde das Bauensemble stillgelegt. Die Aufgaben der Kremation der in Berlin verstorbenen Personen hatten die Krematorien Baumschulenweg und Ruhleben nach dem Mauerfall und der deutschen Wiedervereinigung übernommen. Das Krematorium wurde, vom Urnenfriedhof Gerichtstraße abgetrennt, vom Land Berlin zum Verkauf ausgeschrieben.

Am 1. Februar 2013 erfolgte durch das Land Berlin die Übergabe des Areals an silent green. Noch im selben Monat wurde das „silent green Kulturquartier“ im Rahmen der Sektion Forum Expanded erstmalig eine Spielstätte der Berlinale. Anschließend wurde mit umfassenden Umbau- und Renovierungsarbeiten begonnen. Es entstanden Büros, Ateliers, Ausstellungsflächen sowie das Restaurant „Moos“. Im Sommer 2015 fanden die ersten kulturellen Veranstaltungen statt. Der Mieterverbund des Hauses, mit Akteuren aus den Bereichen Musik, Film, Design und Kunst, spiegelt die Funktion des Ortes als interdisziplinäres Kulturquartier wider. Mieter sind beispielsweise das Musicboard Berlin, das Label !K7 Records, die Harun-Farocki-Stiftung sowie das öffentlich zugängliche Filmarchiv des Arsenal – Instituts für Film und Videokunst e. V. mit mehr als 10.000 Filmrollen.

Dass der Ort eine makabre Ausstrahlung besitzt, dürfte der neuen Nutzung eher zuträglich sein. Doch wie sich die Kunst mit dem wenig kulturaffinen Umfeld verträgt, wird die Zukunft zeigen.

Quellen:
de.wikipedia.org/wiki/Krematorium_Berlin-Wedding
weddingweiser.wordpress.com
www.diegeschichteberlins.de