Friedelstraße - Die Straße der Besten

Friedelstraße: Straße der Besten
Friedelstraße: Straße der Besten | © radioeins

Besonders am Wochenende werden die zahlreichen Restaurants und Cafés der Friedelstraße mittlerweile von Touristen aus der ganzen Welt belagert. Aber wer wohnt hier eigentlich? Neben Alteingesessenen nennen viele Studenten, junge Familien mit Kindern und Künstler die Friedelstraße ihr Zuhause. Einige Bewohner können Sie hier genauer kennenlernen...

Michael Brennicke und Ludwig Auster-Brennicke

Die beiden Theaterbegeisterten leben seit mehr als 30 Jahren in der Friedelstraße 55/Ecke Weserstr., denn hier haben sie ihre Passion gefunden: Ein eigenes Theater. Doch wie so viele, für die Berlin die zweite Heimat geworden ist, kommen sie woanders her.

Michael Brenncke stammt aus Oberösterreich und kam mit seinem Vater, einem Gastwirt, nach Deutschland. Erst nach München und dann nach Berlin, wo er als Tänzer und Schauspieler ohne Probleme Engagements fand – z.B. als Solist an der Deutschen Oper. Während der Berlinale 1979 lernte er seine große Liebe kennen: Ludwig Auster-Brenncke. Der gebürtige Hamburger, der aber am Rhein aufwuchs, war begeistertes Mitglied des örtlichen Jugendfilmclubs und so hatte es ihn zum großen Filmfest nach Berlin verschlagen.

Zusammen zogen sie in das Eckhaus Friedelstr. 55, das damals zwei kunstinteressierten Frauen gehörte, die große Fans von Michaels Tanzkünsten waren. Dort wohnten sie in der ehemaligen Bäckerei und beschlossen, im ehemaligen Mehlkeller (ein besonders trockener Vorratskeller) ein kleines Theater nur für Freunde einzurichten: Das „Theater im Keller“. Der Weg dorthin führte durch das Schlafzimmer von Michael und Ludwig. Doch aus dem Hobby wurde ein ernsthaftes Unternehmen. Inspirieren ließen sich die beiden von einem kleinen Travestie-Theater gegenüber der Friedelstr. 55 im ehemaligen Restaurant „Deutsches Haus“. Und so gründeten sie am 3.1.1987 ihr eigenes Travestie-Theater, das bis heute existiert. Michael ist zuständig für die künstlerische Leitung und steht selber auf der Bühne. Ludwig – der gelernte Verwalter – kümmert sich um die Technik und die Buchhaltung. Und seit 2006 steht Adoptivsohn Maik aus Rostock an der Bar und kümmert sich um das leibliche Wohl des Publikums.

Heide Hagen

Fast genauso lange wie die Brennckes lebt die Goldschmiedin, Raumgestalterin und Restaurateurin Heide Hagen in der Friedel. Sie hatte das Glück, dass ihre Eltern vor 25 Jahren eine Wohnung in der Nummer 28 kauften und ihr überließen. Damit wohnte sie ab 1998 viele Jahre über dem ehemaligen Kultlokal „Kinski“, dem heutigen Kulturcafé, in dessen Räumen sie von 1992 bis 1997 ihr Atelier betrieb. Damals war Friedelstraße grau und trist und Heide Hagen brauchte ein wenig Zeit, um sich einzuleben. Was ihr gefiel: als Künstlerin konnte sie ihr Umfeld noch selbst gestalten. So begrünte Heide das alte Jugendstilhaus, in dem sie bis heute wohnt und gestaltete ihre Wohnung, in der sie jetzt ihr kleines Atelier hat, als Künstlerdomizil.

Heide Hagen aus der Friedelstraße © radioeins/Warnow
Heide Hagen aus der Friedelstraße © radioeins/Warnow

Es freute sie allerdings als  sich mit der Jahrtausendwende auch langsam ihre Wohngegend wandelte. Die Sitten waren vorher rau, die beiden Söhne von Heide Hagen wurden eine Zeitlang von Straßengangs abzogen. Doch dann engagierte sich das Quartiersmanagement in der Friedelstraße und vermittelte leerstehende Räume an Künstler. Und das „Kinski“ wurde zu einem Sammelpunkt für Nachbarn und Kreative. Es gab einen Aufbruch, der das Klima in der Straße stark verbesserte. Doch wie so oft, wenn sich die Wohnqualität durch das Engagement von jungen, kreativen Menschen verbessert - Läden, Cafés, Klubs entstehen – werden auch die Investoren und Immobilienhais angezogen und wittern Gewinn. Die Mieten sind stark gestiegen, eine zahlungskräftigere Klientel zog hierher, entsprechende Läden und Restaurants sind entstanden. Vor allem das östliche, breite Ende der Friedel zum Landwehrkanal hin wurde zur Flaniermeile, was Heide Hagen zuweilen nervt. Es ist laut geworden hier, am Wochenende muss man sich regelrecht durch die Massen von Touristen wühlen.

Mal schnell wie früher in Schlappen vor die Tür und frische Schrippen zum Frühstück holen: vorbei! Heide Hagen denkt deshalb immer häufiger darüber nach, ihren Kiez zu verlassen und in eine ruhigere, reine Wohngegend zu ziehen. Am liebsten in eine Ecke, die sie ein wenig an ihre alte Friedel erinnert.

Wer sich für ihren Schmuck oder ihre Arbeit als Raumgestalterin interessiert – Mail an heide@heidehagen.de

Jan Burkamp

Einer, der erst mit der neuen Zeit in die Friedel kam, ist der Musiker Jan Burkamp. Der junge Familienvater stammt aus Goslar, hat Musikethnologie und Soziologie studiert und spielt seit seinem 6. Lebensjahr Schlagzeug. Er entschied sich für die Friedel, weil sie nah an Kreuzberg liegt, die Mieten aber 2003 noch wesentlich niedriger waren als im benachbarten Szene-Bezirk. So bekam er die Aufbruchsstimmung um 2000 herum noch voll mit, gehörte zu den Stammgästen im „Kinski“, in dem es zwar anfangs nur eine Sorte Bier - zu sehr moderaten Preisen - dafür aber um so mehr Gespräche über Kunst, Musik und Film gab. Damals gab es auch noch den als Nachtbar getarnten Puff „Pigalle“, über dem Jan heute mittlerweile mit Frau und zwei Kindern immer noch wohnt. Das „Pigalle“ sei damals der einzige Ort gewesen, wo man zu nachtschlafender Zeit noch Zigaretten bekam, erinnert sich Jan. Oder als interessierter Nachbar auch mal eine Führung durch das Etablissement vom Betreiber persönlich.

Jan Burkamp will auf jeden Fall in der Friedel wohnen bleiben. Auch wenn zu seinem Bedauern der Spirit, der hier vor 10 Jahren herrschte, inzwischen verloren gegangen ist. Sein Credo: „Man kann nur versuchen mit Nachbarn in Kontakt zu bleiben, eine Art Widerstandsnest gegen die Mieterhöhung zu gründen, und beharrlich sein, hier bleiben und sagen: hey, das gehört auch uns und nicht nur den Neuankömmlingen mit viel Geld.“

Jan Burkamp ist seit vielen Jahren passionierter Musiker. Er spielt nicht nur Schlagzeug bei der Blue Man Group, sondern war mit Anna F auf Tour, hat bei Seed ausgeholfen, stand mit Franceso Wilking, Jazzanova und Astrid North auf der Bühne. Jüngst hat er sein Soloprojekt „Juices“ gestartet – irgendwo zwischen Indiepop, elektronischer Singersongwriter – auf jeden Fall Songs mit Groove und Ohrwurmqualitäten. Im Rahmen der „Schönen Straße“ spielt er für uns live und unplugged seinen neuen Song Snow Fox in einer besonderen Akustikversion.

Link:
www.lametta-music.com/artists/juices/