Paetzold platziert - The Knast und Kink – neue Konzepte
Alle merken, wie die Preise angezogen haben. Beim Einkauf im Supermarkt. Beim Restaurant Besuch. Das merken natürlich auch die Gastronominnen und Gastronomen - wenn das Restaurant leer bleibt. Johannes Paetzold hat zwei Restaurants besucht, die mit neuen Konzepten ihren Gästen ein passendes Angebot bieten wollen.
The Knast
Ein ehemaliges Frauengefängnis in Lichterfelde West. Vom Amtsgericht nebenan ging es direkt in die Gitterzellen. Erbaut um die Jahrhundertwende, die letzte Insassin verließ das Gebäude 2010. George Clooney hat hier gedreht. Gefängnisszenen in Berlin Babylon und für 4 Blocks entstanden hier. Heute wird der Gefängnistrakt vor allem für Kunstausstellungen genutzt, bald kann man hier auch übernachten - mit erheblich mehr Komfort als früher. The Knast hat seine ehemaligen Gefängnistüren geöffnet seit gut einem Jahr. Das ist natürlich attraktiv in heutigen Zeiten, wo Essen gern mehr sein soll als reine Nahrungsaufnahme. Nun ist Lichterfeld West nicht Mitte. The Knast liegt dazu versteckt in einer Seitenstraße. The Knast hat keine Laufkundschaft.

Bei Hauptgerichten um die 25 Euro, einem Koch der aus der Sterneküche kam, war die Speisekarte zwar attraktiv, aber die Nachfrage blieb schwach. Mit neuem Konzept geht Geschäftsführerin Janina Atmadi die Herausforderung an: „Wir haben jetzt seit kurzem vielleicht 6 - 8 Wochen unser „Tisch Voll“ Angebot dazugekommen. Ich liebe Sharing Dinner, das Konzept einfach von dieser Geselligkeit, dass man sich Teller teilt, und das ist jetzt eigentlich auch dieses Tisch Voll Angebot. Wir zeigen so eine wirklich große Vielfalt aus unserer gesamten Küche, und dann kommen viele kleine Tellerchen in unserer Reihenfolge, in unserem Tempo kommen auf den Tisch und zwei, vier, sechs Leute können sich das teilen und kriegen so einen wirklich guten Eindruck von unserer Küche. Dazu ein Gläschen Wein, und das wird richtig gut angenommen.“ Fine Dining wird Casual Dining. Und bleibt auf hohem Niveau. Rindertartar mit Algenkaviar. Eingelegter Spargel auf einer Kartoffelcreme. Zum Abschluss ein Rüblikuchen mit Frischkäse und Thymian. Koch Robert kann sich kreativ austoben. Das „Tisch Voll“ Angebot gibt es von Dienstag bis Donnerstag, kostet 99 Euro inklusive des Weines und ist für zwei Personen. Das ist auf dem hohen Niveau - good value for money. Wer dann noch einen Absacker nehmen will für den ist im obersten Stock - da war die ehemalige Kapelle drin für die armen Sünder - nun eine Speakeasy Bar.

Kink
Das Kink im Pfefferberg im Prenzlauer Berg gibt es schon eine ganze Zeit. Vor 5 Jahren aufgemacht von Daniel Scheppan und seinem Partner Oliver Mansaray in schwierigen Pandemiezeiten. Wurde ein trendy Foodie Hotspot. Eine riesige Bar, mit kunstvoller Deckenbeleuchtung. Davor der Garten mit vielen Sitzplätzen. Drinnen das Restaurant. Wunderschön gestaltet auf zwei Ebenen. Das Kink gehört zu den schönsten Restaurantflächen in Berlin. Trotzdem, irgendwann, lief es immer schleppender. Da müssen wir was machen, so Daniel Scheppan: „Wir haben am Ende des Tages immer gemerkt, dass sich das Klientel so ein bisschen verändert hat, das alles so ein bisschen exklusiver wurde. Wir sind angetreten, um ein Leuchtturm der Gastronomie in Berlin zu werden und haben dann gemerkt, dass verschiebt sich immer mehr Richtung Elfenbeinturm. Das ist natürlich nicht das, was wir wollten. Wer kann sich das denn leisten 16 bis 21 Euro eine Vorspeise und 26 bis 32 Euro ein Hauptgericht?! Deswegen haben wir gesagt, zurück zu den Wurzeln. Man muss nicht das teuerste Produkt nehmen, das durch ganz viele Stunden dehydrieren, rehydrieren veredelt wird. Es gibt auch ganz tolle Gerichte, die einfacher funktionieren und wieder den Fokus legen, auf einen Vibe und das die Leute wieder zusammenkommen.“ Die beiden Betreiber haben sich zusammengesetzt und die Karte überarbeitet. Die bleibt hochwertig mit Austern. Entrecote. Aber auch wildem Brokkoli mit Kumquats und Amarillo Sauce. Ceviche auf Mais Tostada. Oktopus auf fermentierter Zitrone und Harissa.
Aber wo es in the Knast „Voller Tisch“ heißt, nennen sie hier das Angebot: Feed Me Please. Auch hier ein Tapas Rundgang durch die Küche. Für 57 Euro. Der Silvaner dazu kostet jetzt nicht mehr 9 Euro, sondern 5 Euro. Daniel Scheppan und und Oliver Mansaray haben nicht nur die Karte verschlankt, sondern viel vom Drumherum ebenso. Man schenkt sich das Wasser selbst ein, da springt nicht ständig ein Sommelier an den Tisch und erklärt den Wein mit allen Trauben und Cuvet Anteilen. Das wird alles „etwas runtergekocht“. Trotzdem wurden niemand entlassen. Sondern man hat noch einen Brunch am Wochenende dazugenommen. Die Tische werden an einem Abend gerne zweimal besetzt. Was Daniel Scheppan und sein Team nun spüren, das Publikum kommt in größeren Scharen und es hat sich gewandelt: „Jünger und mehr. Einfach deutlich jüngere Menschen, die sich das angucken, die danach noch in die Bar gehen, die davor noch in die Bar gehen. Jetzt wo der Sommer kommt mit dem Biergarten da, ist ein absoluter Winner.“
Das Kink im neuen Angebot und The Knast sind keine Einzelgänger. Auch Björn Swanson im Faelt, das Restaurant Eins 44 in Neukölln, das sind alles gehobene Gastronomien, die an bestimmten Tagen in der Woche, mittags insbesondere, ihr Angebot griffiger gestalten, oft als Tapas Kultur zum Teilen auch unterhaltsamer. Und machen damit in schwierigen Zeiten richtig gute Erfahrungen.