AfD und Populismus - Fratzscher (DIW): AfD steht für Positionen, die extrem wirtschaftsfeindlich sind - vor allem für die eigenen Wähler

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung (DIW) © imago images/photothek
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Deutschlands Wirtschaft schwächelt. FDP-Finanzminister Christian Lindner nennt neben konjunkturellen Ursachen auch strukturelle Standortprobleme. Unternehmer und Wirtschaftsexpertinnen sehen neben diesen strukturellen Standortproblemen ein weiteres Risiko: Populistische Parteien wie die AfD. Sie schade Deutschlands Wirtschaft. Das sagt auch Marcel Fratzscher, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin.

AfD-Wählerinnen und AfD-Wähler wären die Hauptleidtragenden einer solchen Wirtschafts- und Finanzpolitik."

DIW-Präsident Marcel Fratzscher

Sie sprechen von einem AfD-Paradox, weil die Wählerinnen und Wähler der AfD wirtschaftlich und finanziell zu den größten Verlierern der AfD-Politik zählen würden. Warum ist das so?

Fratzscher: Das ist so, weil die AfD für Positionen steht, die extrem wirtschaftfeindlich sind und vor allem feindlich für die eigenen Wählerinnen und Wähler, also für die, die Sie eben beschrieben haben. Also AfD-Wählerinnen und Wähler sind eher Menschen, die jetzt nicht Top-Verdiener sind, sondern eher weniger verdienen, weniger Bildung haben, eher in strukturschwächeren, ländlicheren Regionen leben und die AfD beispielsweise will weniger Förderung für strukturschwächere Regionen. Sie hat sich beispielsweise gegen einen Mindestlohn von 12 Euro ausgesprochen, würde also heißen, viele Menschen mit geringem Einkommen würden heute weniger verdienen, wenn die AfD sich durchgesetzt hätte. Die AfD steht für eine starke europafeindliche Politik, will also wieder Grenzkontrollen einführen, Handel mit Nachbarländern deutlich zurückfahren und das würde sehr viele Millionen Jobs zerstören. Also AfD-Wählerinnen und AfD-Wähler wären die Hauptleidtragenden einer solchen Wirtschafts- und Finanzpolitik.

Andere Menschen schlecht behandeln führt nicht dazu, dass AfD-Wählerinnen und Wähler einen Euro mehr in der Tasche hätten und ich glaube, dass denen immer wieder bewusst zu machen, das hilft euch nicht, euch wird es noch schlechter gehen, wenn eine solche Politik vorherrscht, das ist, glaube ich, die wichtige Aufgabe im öffentlichen Diskurs."

DIW-Präsident Marcel Fratzscher

Anderen rechten Parteien in Europa, wir haben es gerade gehört, ist die AfD zu extrem. Wann merken das denn die potenziellen Wählerinnen und Wähler?

Fratzscher: Ja, das ist genau die Frage, woher kommt dieses AfD-Paradox? Wieso wählen die Wählerinnen und Wähler für eine Partei, die eigentlich nicht ihre Interessen vertreten? Es gibt unterschiedliche Theorien, die einen sagen, den Wählerinnen und Wählern ist das egal, die sind einfach auf Protest getrimmt, die wollen einfach die etablierten Parteien nicht und den Denkzettel verpassen und denen ist Identität, also keine Zuwanderung, wir wollen deutsch bleiben, ist es wichtiger und dann sind sie gewillt, den Schaden in Kauf zu nehmen - bezweifle ich, dass das vielen bewusst ist. Andere sagen, die AfD-Wählerinnen und Wähler haben eine falsche Wahrnehmung, das halte ich für plausibel. Ich glaube, sie realisieren nicht, dass wenn man nach unten tritt, also wenn man Menschen, denen es noch schlechter geht als einem selber, Menschen, die keine Arbeit haben, Menschen, die wirklich wenig verdienen, auch Ausländerinnen und Ausländer, dann geht es einem ja selbst nicht besser. Andere Menschen schlecht behandeln führt nicht dazu, dass AfD-Wählerinnen und Wähler einen Euro mehr in der Tasche hätten und ich glaube, dass denen immer wieder bewusst zu machen, das hilft euch nicht, euch wird es noch schlechter gehen, wenn eine solche Politik vorherrscht, das ist, glaube ich, die wichtige Aufgabe im öffentlichen Diskurs.

Es gibt viele Fachleute, die jetzt wegen des großen Zuspruchs für rechtsextreme populistische Positionen inzwischen sogar von einem Standortrisiko für Deutschland sprechen. Welche Folgen hat dieses politische Klima in Deutschland inzwischen für die Wirtschaft?

Fratzscher: Na, dieses politische Klima ist Gift, denn wir wissen, vielleicht mit das größte wirtschaftliche Problem, das wir heute haben, ist der Arbeitskräftemangel. Es fehlen knapp 1,8 Millionen offene Jobs haben wir in Deutschland, das wird sich in den nächsten zehn Jahren massiv vergrößern, da die Babyboomer in Rente gehen und da reden wir nicht nur um hochqualifizierte Ingenieurinnen und IT-Programmiererinnen, sondern eben auch um Menschen mit geringeren Qualifikationen in der Gastronomie, im Einzelhandel und wir wissen, dass solche Fremdenfeindlichkeit beispielsweise, wie die AfD es verbreitet, führt dazu, dass erstens nicht mehr Menschen in diese Region kommen, sondern eher abwandern und auch ganz wichtig, auch Unternehmen wandern ab aus manchen ostdeutschen Regionen, weil sie sagen, wir kriegen keine Leute hier hin und ich möchte nicht in einer Region leben, in der so viele Menschen eben fremdenfeindlich sind und für die AfD wählen.

Haben Sie den Eindruck, dass die anderen Parteien das im Wahlkampf genug rausarbeiten, also sich inhaltlich mit der AfD und deren Positionen auseinandersetzen und den Menschen das auch genauso erklärt?

Fratzscher: Ich befürchte nein und meine große Sorge ist, dass manche demokratische oder Politiker und Politikerinnen demokratischer Parteien auf diesen Zug aufspringen und meinen, wenn man jetzt auch gegen Geflüchtete wettert und gegen Bürgergeldempfänger*innen wettert, dass es dann hilft, der AfD Stimmen wegzunehmen und das, glaube ich, ist eine Illusion, das sehe ich als die große Gefahr, dass wir beispielsweise im Augenblick eine Politik, eine Stimmung in Deutschland gegenüber Geflüchteten, gegenüber Bürgergeldempfänger*innen, Empfänger*innen haben, die eher der AfD Position entspricht und das ist, glaube ich, der große Fehler, den manche Politiker demokratischer Parteien machen, das Beispiel, die Geflüchteten sitzen beim Zahnarzt, lassen sich die Zähne machen und der Deutsche muss auf seine Termine warten, das schafft natürlich eine Stimmung, die unglaublich aufgeheizt und aggressiv ist und das hilft nicht, den Menschen bewusst zu machen, dass erstens diese Aussage völlig falsch ist und, dass zweitens nach unten treten, andere Menschen schlecht behandeln, für sie selbst kein einzigen Euro mehr an Leistung keine besseren Bedingungen bedeutet.