Album der Woche - "The Ballad of Darren" von Blur

"The Ballad Of Darren" von Blur © Parlophone
"The Ballad Of Darren" von Blur | © Parlophone

Das Genre Brit-Pop ist ohne die Band Blur kaum vorstellbar. In den 90ern war ihre Musik der Soundtrack zu einem coolen Britannia, das, so schien es, überall in der Welt beneidet, respektiert und interessant gefunden wurde. Blur gibt es bis heute, was keine Selbstverständlichkeit ist. Allein die damals als ihre Kontrahenten agierende Band Oasis hat es nicht geschafft, wegen des verstrittenen Brüderpaares Noel und Liam Gallagher.

Gestritten haben sich die Bandmitglieder Damon Albarn (Gesang, Keybords), Graham Coxon (Gitarre), Alex James (Bass) und Dave Rowntree (Schlagzeug) von Blur auch, aber sie konnten eben immer wieder nach dem Abstandnehmen aufeinander zugehen. Zuletzt 2015 bei dem Album "The Magic Whip" und nun bei der als Überraschung geltenden neuen Platte "The Ballad of Darren".

Inspiriert wurde der Albumtitel vom ersten Song, der wiederum seinen Anhaltspunkt in der Beziehung zu Darren "Smoggy" Evans hat. Der Bodyguard hatte Damon Albarn an die 20 Jahre lang bekniet, den Song "The Ballad" fertigzustellen, den er vor Ewigkeiten angefangen hatte. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit, sagt Damon Albarn im Interview. "Es gibt Elemente meiner Beziehung zu Smoggy darin, aber es ist ein universelleres Gefühl, also habe ich 'The Ballad Of Darren' irgendwie als Titel für das ganze Album übernommen."


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Vielleicht, so kann man annehmen, steht Darren "Smoggy" Evans metaphorisch für England oder auch für die Historie von Blur. Schließlich lässt sich die Musik von Blur über die Jahre hinweg auch immer als Pathologie ihres Heimatlandes, als Bestandsaufnahme lesen. War ihr Brit-Pop der 90er Jahre noch vollkommen von Hybris und Selbstliebe geprägt, so konnte man "The Magic Whip" 2015 als ein letztes Aufbäumen vor dem Brexit verstehen. Ein letzter Versuch, sich doch noch großartig zu fühlen. Das neue Album nun ist der Spiegel eines Post-Brexit-Großbritanniens. Keine Spur mehr von Hybris, keine Entschuldigungen, (fast) nur noch Melancholie.

So lässt sich der Song "Barbaric" als Reaktion auf die Entwicklung Großbritanniens verstehen, wenn von Traumata, Trennung und Gefühlen die Rede ist, die Damon Albarn verloren hat. Gefühle, von denen er nie dachte, dass er sie verlieren könnte. Es gibt auch Scham darüber, einmal in sein Land verliebt gewesen zu sein, das sich nun politisch so peinlich verirrt hat. In "The Ballad" singt er: "Du kannst nicht wissen, wann dich die Ballade erwischt". Es herrschen also Missmut und Trauer, aber auch ganz viel gesunde Milde mit sich selbst. Wenn Albarn in "St. Charles Square" singt "jeder war schon mal da, jetzt komme ich mir einsam vor, aber jede Generation hat ihre Angeber, ihre Posers die sie (wahrscheinlich zu Unrecht) anbetet". Bezeichnenderweise ist das der Song auf dem Album, der noch am ehesten nach Brit-Pop klingt. Eine Reprise. Diese Milde jedenfalls, diese unaufgeregte Selbsteinschätzung steht den Vieren von Blur gut zu Gesicht. Denn nichts ist schlimmer als verzweifeltes Leugnen oder gar Selbstmitleid. "Ich sehe es eher als Euro-Pop, denn als Brit-Pop", sagt Damon Albarn.

"Ich glaube, dass es eine Art von Platte ist, die wir immer machen mussten. Wir mussten diese Platte machen, um einen Abschluss für die ganze Sache zu finden", sagt Damon Albarn. "Es geht definitiv auf die letzte Runde des Buches zu, nicht wahr? Ob es nun das Ende des Buches ist... aber es ist nicht wie der Anfang des Buches, oder? Deshalb ist es eine sehr interessante Sache, eine Platte mit sehr alten Freunden zu machen. Und weil wir uns so viel Raum gegeben haben, wir haben uns in den letzten zehn oder zwei Jahrzehnten, seit wir eine Vollzeit-Band sind, so viel kontinentalen Raum gegeben, denke ich, dass jeder zurückgekommen ist und wiederkommen wollte. Das zeigt sich auch in der Musik. In diesem Sinne ist es sehr positiv."

Die Stimmung der Songs spiegelt auch das Albumcover wider. Zu sehen ist ein einsamer Schwimmer in einem viel zu blauen Pool. Hinter ihm einige leere, blütenweiße Gartenstühle, die von früherer Gemeinschaft zeugen. Heute herrscht Einsamkeit und Isolation. Hinter den Stühlen türmt sich eine weite, ebenfalls menschenleere Landschaft auf. Eine schöne Landschaft mit Bergen. Stehen sie für ein Land mit Potential? Doch alles ist mit dunklen Wolken überzogen. Ein Bild, das Bände spricht.

Claudia Gerth, radioeins

Tracklist

1 The Ballad
2 St. Charles Square
3 Barbaric
4 Russian Strings
5 The Everglades (For Leonard)
6 The Narcissist
7 Goodbye Albert
8 Far Away Island
9 Avalon
10 The Heights

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