Album der Woche - "Fuse" von Everything But The Girl

Fuse von Everything But The Girl
Virgin
Fuse von Everything But The Girl | © Virgin

Nach 24 Jahren ist nun das zehnte Studioalbum von Everything But The Girl erschienen – und bringt einen Vibe der 90er Jahre ins Heute. Erweitert um die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte, verpacken Tracey Thorn und Ben Watt auf „Fuse“ musikalisch das Bedürfnis nach einer Zeit mit Nähe und ausschweifenderen Nächten.

Während Tracey Thorn und Ben Watt zwar nach wie vor stetig Musik gemacht haben, haben sie wenig Zeit in ihre gemeinsame gesteckt. Immer mal wieder ploppte etwas auf, wie hier und da ein Coversong, aber Everything But The Girl – zumindest schien es danach – war passé. Dass Watt und Thorn jetzt mit dem neuen Album "Fuse" wieder auftauchen, ist mitunter der Pandemie zu verdanken. Absorbiert vom eigenen Alltag, berichtet Thorn von einer gewissen Eintönigkeit, die in ihr Leben Einzug hielt – und die geradezu nach einem kreativen Projekt schrie:

"Es war eine sehr lange Zeit, in der wir nichts mit der Welt zu tun hatten, nur sehr wenige Freunde sahen, oft lustige Treffen mit Leuten daußen hatten, nicht in Clubs oder Restaurants gingen. Und ich erinnere mich daran, dass ich irgendwann dachte, das Leben ist doch sehr langweilig geworden und wie würde ich damit zurechtkommen?"


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Besonders vorsichtig aufgrund einer Autoimmunerkrankung Watts, verbringen die beiden die Pandemie wohl strenger isoliert als viele andere. Sie wollten sich wieder mit etwas beschäftigen, sich lebendig fühlen. Während sie zunächst aber nicht antizipieren konnten, ob das Musikmachen auch im Sinne von Everything But The Girl entsteht, oder etwas ganz neues repräsentieren würde – ob überhaupt Musik dabei herauskäme, mit der beide zufrieden sein würden, zeigt sich nun, dass die zehn Songs nicht bloß "hörbar" sind. Sie sind eine gelungene Übersetzung eines Gefühls, mit dem wir alle vertraut sind: dem Verlust.

Thorn verlor ihre Mutter und in der Pandemie wird Watt klar, dass wir alle Nähe und Kontakte einbüßen. Er tipp "I lost…" bei Google ein, um zu erfahren, was andere Menschen vielleicht verloren haben und ist fasziniert von der Liste, die er erhält. Eine Liste, die von ganz konkreten Dingen wie Taschen bis hin zu Angehörigen wie der Mutter führt. Auch Tracey Thorn hat ihre Mutter verloren. Als sie den Text einsingt, bekäme er eine tiefere emotionale Bedeutung.

Das schöne ist die vielfältige Deutung, die das Album zulässt. "Fuse" ist zum einen die 'Sicherung', aber auch die elektrische 'Zündung'; als Verb bedeutet es so viel wie etwas zu 'verschmelzen'. "Fuse" kommt passend zum Aufbruch in den Sommer. Es erinnert daran, dass Loslassen Erkenntnis mit sich bringt, so wie Everything But The Girl sich damals gegen die große Karriere entschieden, eine Familie gründeten und sich lieber der Indieszene widmeten, um sich selbst nicht zu verlieren.

Laurina Schräder, radioeins

Tracklisting

1. Nothing Left To Lose
2. Run A Red Light
3. Caution To The Wind
4. When You Mess Up
5. Time And Time Again
6. No One Knows We're Dancing
7. Lost
8. Forever
9. Interior Space
10. Karaoke

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