Album der Woche - "That Golden Time" von Villagers
Das neue Villagers-Album "That Golden Time" vollzieht den Spagat zwischen Romantik und Realismus. In poetischen Worten hält uns Conor O’Brien, der Musiker, der hinter dem Namen Villagers steckt, einen realistischen Spiegel vor: Wer sind wir eigentlich, die wir im Internetzeitalter, im Informationszeitalter so wenig auf echte Informationen geben.
Schon das Albumcover stellt im Grunde die beiden Hauptthemen des Albums dar, meint Conor O’Brien. Die Motte repräsentiert die Desorientiertheit der Menschen. Es erginge ihnen wie der Motte, die allzu oft künstliches Licht mit dem Licht des Mondes verwechselt und sinnlos darum herumflattert. Ein Schelm, der da an das grelle Licht unserer Handys denkt. Der Mond auf dem Albumcover wird durch eine Münze dargestellt, durch ein altes irisches Geldstück aus O’Briens Jugend. Sie nun repräsentiert vermeintlich verankerte Wertesysteme. Sie steht für den Glauben, dass bestimmte traditionelle, kulturelle Werte auf ewig Bestand haben. Dabei ist es ganz anders: Schaut man auf die Geschichte eines Landes, dann waren der Wandel von Werten und Kultur schon immer da.
Bei derartig philosophischen Gedanken ist es kaum ein Wunder, dass tatsächlich auch Nietzsche (Zitat im Booklet aus "Jenseits von Gut und Böse") und Schopenhauer (Song "I Want What I don't Need" ) eine Rolle auf "That Golden Time" spielen. Nur, dass sich beide Philosophen im 19. Jahrhundert nicht mit den Auswirkungen der sozialen Medien auf menschliches Verhalten auseinandersetzen mussten. Im Internetzeitalter herrscht Verunsicherung gepaart mit Hybris und niemand weiß mehr, wer er ist, wenn er nicht einer extremen Ideologie verschreiben kann. Wenn Gott tot ist, beten wir anderes an. Somit leben wir in einer Gesellschaft, die zutiefst gespalten ist und in einer Debatte keinen Gewinn sieht, sondern einen Krieg. Dabei sollte "eine Gesellschaft pluralistisch sein", sagt Conor O’Brien, "nicht nur in Bezug auf die Identitäten, sondern auch in Bezug auf die Meinungen und Überzeugungen. Das ist eine starke Gesellschaft."
Vieles auf dem Album rührt aus der eigenen Herkunft O’Briens. Ihn beschäftigt die Historie Dublins und ganz Irlands und er erinnerte sich an die Erzählungen seines Vaters. Dieser habe mit seiner Familie in beengten Verhältnissen gewohnt in Dublin in einem Haus mit einer Außentoilette für 6 Familien. War das "die gute, alte Zeit" (That Golden Time), von der die Konservativen sagen, sie hätten sie gern zurück?! Es ist eben spannend, hinter den Vorhang zu schauen, wie es in dem neuen Song "Behind that Curtain" heißt. Ein Song, der als einziger in einer Jazzekstase mit wilder Klarinette (Brendan Jenkinson) endet. Im Ganzen ist das musikalische Gewand der Songs eine semipermeable Hülle, eine traumwandlerische Wegumrandung für Conors existenzialistische Gedanken.
Eigentlich in seinem Heimstudio fast alles in Eigenregie aufgenommen, lud sich Conor O’Brien für seine erdachten Arrangements Gastmusiker*innen ein, die die Songs dann doch etwas fülliger werden ließen. Musiker*innen an Cello, Violine, Viola und an der Pedal Steel Guitar. Darunter hat O’Brien auch die irische Legende Dónal Lunny an der Bouzouki verpflichtet und für den besonderen Backgroundgesang in dem Song "Money on my mind" die Sopran-Opernsängerin Katy Kelly.
Der letzte Song "Money on my mind" ist im Übrigen ein Song mit einem Wortspiel. "I’ve got money on the mind - My money’s on the mind”. Zunächst beklagt er, dass wir nur Geld im Kopf haben. Doch am Schluss dreht der Satz sich um. Somit endet das Album mit dem zuversichtlichen Gedanken O’Briens, dass er all sein Geld darauf setzt, dass unser Verstand siegt. Ja, dass sich der menschliche Geist erhebt. Eine Hoffnung auf eine Gesellschaft mit mehr Verstand, weniger Spaltung und mehr Zusammenhalt.
Claudia Gerth, radioeins
Tracklist
1 | Truly Alone |
2 |
First Responder |
3 | I Want What I Don't Need |
4 | You Lucky One |
5 | That Golden Time |
6 | Keepsake |
7 | Brother Hen |
8 | No Drama |
9 | Behind That Curtain |
10 | Money On The Mind |