2020 hat Neil Young die amerikanische Staatsbürgerschaft erworben und das nur, um gegen Trump abstimmen zu können. Wütend hat er sich dagegen verwehrt, als Trump seinen Song "Rockin' In The Free World" bei Wahlveranstaltungen einsetzte. Und mit einem Remake von seinem Song "Lookin' For A Leader" hat sich Neil Young im Wahlkampf klar positioniert und für Biden geworben. Nicht subtil, sondern direkt, so wie man ihn kennt, denn Neil Young war nie der große Poet wie Bob Dylan, sondern seine Botschaften vermittelt er geradeheraus.

Politisch Stellung zu beziehen, gehört für Neil Young einfach dazu. Er reagiert oft sehr schnell auf politische Ereignisse, schreibt Songs, gibt Statements ab und agitiert bei seinen Konzerten - kompromisslos und meinungsstark.

Kompromisslos ist Neil Young auch, was die Musik angeht. Er macht genau das, was er für den Moment für richtig hält. Seine erste Band, Buffalo Springfield, verließ er genau in dem Moment, in dem sie richtig durchstartete, um seine Solokarriere zu starten. Bei Crosby, Stills & Nash stieg er ein, aber ein festes Mitglied wurde er, trotz aller Erfolge, nie. Bei ihrem gemeinsamen Auftritt in Woodstock wollte er nicht im Film erscheinen, weil er mit der Performance unzufrieden war. Ob er mit CSN spielte oder nicht, war allein seine Entscheidung.

Seinen Kumpel Stephen Stills ließ er auf einer gemeinsamen Tour einfach im Regen stehen und selbst seine Stammband Crazy Horse muss warten, bis der Meister wieder in Stimmung für ein gemeinsames Projekt ist. Neil Young scheint immer auf der Suche nach neuem kreativen Input zu sein. Er ruht sich nie aus, sondern will die Herausforderung, ob als Solokünstler oder im Bandkontext.

In den letzten Jahren spielte er viel mit seiner jungen Begleitband Promise Of The Real, zu der auch die Söhne von seinem alten Kumpel Willie Nelson gehören. Aber trotz ihrer Jugend, auf der Bühne kann niemand mit seiner Energie mithalten.

Um Neil Young wirklich zu verstehen, muss man ihn live gehört oder gesehen haben. Die Leidenschaft mit der er seine Songs vorträgt, ist überwältigend. Und wenn Stücke wie "Down By The River" oder "Cortez The Killer" auf der Bühne zu epischen Jams anwachsen, dann sind das die Momente, die seine Fans verzücken, denn Young spielt sich in einen Rausch, der alles mit sich zieht.

In Begleitung von Crazy Horse ist das der Gipfel, aber egal mit wem Neil Young auf der Bühne steht, er gibt immer alles und pushed seine Begleiter bis ans Limit.

Auch für Neil Young scheint es kein Limit zu geben, bis Ende des Jahres wird er vier Alben veröffentlicht haben und auch der zweite Teil seiner "Archives" wird noch 2020 als Box-Set erscheinen. Seine Archive sind prall gefüllt mit Liveaufnahmen und komplett unveröffentlichten Alben, von denen Neil Young immer mal wieder sporadisch etwas herausbringt, wenn er nicht gerade selbst was neues macht.

Ohne Corona würde Neil Young jetzt irgendwo live auf der Bühne stehen, ob mit Crazy Horse, Promise Of The Real oder solo. Nur mit David Crosby scheint die Freundschaft endgültig vorbei zu sein, nachdem dieser sich kritisch zu Youngs Scheidung und seiner neuen Partnerin geäußert hat. Selbst die drohende Wiederwahl von Trump hat Crosby, Stills, Nash & Young nicht wieder vereint. Neil Young scheint jemand zu sein, der schwer verzeihen kann, obwohl er weiß, dass David Crosby oft unbedachte Aussagen macht. Das ist bitter, denn sie gehören zu den letzten ihrer Generation.

Aber ohne seine Kompromisslosigkeit wäre Neil Young nicht der Künstler, der er ist. Heute feiert er seinen 75. Geburtstag.

Long May You Run...Neil Young

Carsten Wehrhoff