Harald Martenstein über - Absurde Forderungen bei WG-Castings
Bewerber für Wohngemeinschaften sollen niemanden einladen, nicht rauchen, keinen Mucks von sich geben. Da lobt sich unser Autor, dass er meistens allein gelebt hat.
Allmählich kommt Harald Martenstein in eine Lebensphase, in der die meisten Menschen Bilanz ziehen. Er glaubt, er hat im Leben manches richtig gemacht und anderes falsch. Außerdem gibt es sehr viele Sachen, bei denen er heute immer noch keine Ahnung hat, ob sie richtig waren oder falsch. Das wäre seine Bilanz.
Zu den Sachen, die Martenstein seiner Ansicht nach richtig gemacht hat, gehört, dass er nie in eine echte Wohngemeinschaft gezogen ist. Einmal hatte er als Student offiziell eine Mitbewohnerin, Bärbel, 23. Aber die war immer bei ihrem Freund. Das Zimmer hielt sie sich für ein paar Mark als Back-up für den Fall, dass der Freund am Ende doch kein Supertyp ist. Selten hat unser Kolumnist einer Beziehung so sehr gewünscht, dass sie gelingt. Außerdem wohnte er mal in Frankreich ein Jahr mit einem Engländer zusammen, Bernie, 26, der aber so höflich, diskret, leise und distinguiert britisch war, dass er meistens völlig vergessen hatte, dass er da ist. Seinen überraschenden Auszug – wegen einer Amour fou, klar – hat Martenstein erst nach Wochen bemerkt, den dezent unterm Brotkorb eingeklemmten Abschiedsbrief hatte er übersehen.