Katastrophenradio geprobt - Radio Vatikan testet TRT-Übernahme

Erdbeben am 06.02.2023
Das Hauptbeben am 06.02.2023 | © US Geological Survey

Nach den schweren Erdbeben vom 6. Februar strebt(e) Radio Vatikan an, ein vor Jahren vorgestelltes Konzept für einen Hörfunkdienst in Katastrophenfällen erstmals überhaupt umzusetzen und das Auslandsradio des türkischen Rundfunks TRT zu übernehmen.

Dieses Konzept wurde 2014 präsentiert. Bei der damaligen Demonstration noch mit einbezogen waren Sendeanlagen der Australian Broadcasting Corporation in Australien und der BBC in Thailand, die heute nicht mehr existieren.

Jetzt zeigte Radio Vatikan an, auf Grundlage des Konzepts rund um die Uhr das Auslandsprogramm von TRT übernehmen zu wollen; tagsüber auf 9430 kHz, bei Nacht auf 5910 kHz.

Solche Bestrebungen gibt oder gab es wirklich: In den Abendstunden des 23. Februar lief ein Versuchsbetrieb auf der angekündigten Frequenz im 49-Meterband. Ausgestrahlt wurde in der Tat TRT TSR, das für Türken im Ausland bestimmte und entsprechend gestaltete, also mitnichten Informationen für das Erdbebengebiet liefernde Programm.

Besonders merkwürdig ist das, weil TRT dieses Programm selbst nach wie vor auf Kurzwelle sendet, bis heute großflächig auch mit der Abstrahlrichtung Europa (derzeit von 5.00 bis 8.00 Uhr auf 9700 kHz, anschließend bis 15.00 Uhr auf 15350 kHz, bis 18.00 Uhr auf 11815 kHz und bis 23.00 Uhr auf 5980 kHz).

Der Sendeversuch lief offenbar deutlich getrennt vom regulären Betrieb: Die TRT-Übernahme wies nicht jenen schreiend-schrillen Klang auf, mit dem Radio Vatikan seit einigen Jahren seine AM-Sendungen versieht, passend zu parallelen Tendenzen bei der redaktionellen Arbeit.

Angesichts der angegebenen Leistung von 100 kW war es wohl einer der übernommenen Sender aus der 2007 stillgelegten Kurzwellenstation der Rai, die vor 1970 installierte Ausrüstungen ersetzt hatten. Seit dem Entfall seines Kurzwellendienstes für Europa schaltet Radio Vatikan diese Sender nur noch in Ausnahmefällen ein.

Mersin und das Erdbebengebiet
UTexas

AM-Sendungen in das Erdbebengebiet organisierte TRT unmittelbar nach dem 6. Februar schon selbst. Radyo 1 läuft über den Sender Mersin/Kazanli auf 630 kHz.

Zwar hatte TRT seine reguläre Mittel- und Langwellenverbreitung 2008 beendet. Einige Mittelwellensender, darunter auch Mersin, werden jedoch als Reserve erhalten und dazu für wenige Stunden am Vormittag weiterhin eingeschaltet.

In verschiedenen Fällen kam es auch schon zum Rückgriff auf diese Kapazitäten, so ab 2012 für ein abendliches Programm in Arabisch aus dem Regionalstudio Mersin. Dem folgten zentral produzierte Sendungen, die 2019 aber wieder entfielen, wohl im Zusammenhang mit dem massiven Ausbau des arabischen Fernsehprogramms.

Aufsehen erregte anschließend der Satellitenkanal, über den der arabische Radiodienst den Mittelwellensendern zugespielt wurde: Für einige Zeit lief hier noch die Musikschleife, mit deren Ausstrahlung TRT die kurdische Dengê Welat stört.

Für die syrische Seite des Katastrophengebiets hätte das arabische Hörfunkprogramm der BBC, ausgestrahlt über leistungsstarke Mittelwellensender auf Zypern, jetzt eine Informationsquelle sein können. Doch es ist gerade eben, ganze zehn Tage vor den Erdbeben, abgeschaltet worden.

Damit folgte die BBC zwar nur einem Schritt, den die Auslandssender der USA und Frankreichs bereits 2019 vollzogen haben. Dennoch wurde insbesondere mit Bezug auf den Sudan an dieser Entscheidung Kritik geübt.

Die französische Mittelwellenanlage auf Zypern hatte auch Trans World Radio, der internationale Partner des Evangeliums-Rundfunks, mitgenutzt. Ersatz fand sich in Armenien. Von dort kommt das arabische TWR-Programm jetzt zwischen 19.00 und 21.30 Uhr auf 1350 kHz.

Diese Frequenz war auch der letzte Sendeplatz für TWR-Produktionen in türkischer und kurdischer Sprache. Erst im Januar wurden sie hier herausgenommen und damit deren Verbreitung als linearer Hörfunk insgesamt beendet.

Zwar ist TWR dafür bekannt, auf Krisen und Katastrophen schnell mit einer Ausweitung seiner AM-Sendungen zu reagieren (und diese dann auch ähnlich schnell wieder zurückzufahren). Diesmal scheint es der evangelikale Missionssender jedoch bei einer Bitte um Gebete und Spendenkampagnen bewenden zu lassen.

 

Beitrag von Kai Ludwig; Stand vom 26.02.2023