Kunst & Kultur - Berlinale-Chefin Rissenbeek blickt auf die Internationalen Filmfestspiele Berlin

Das Leitungs-Duo der Berlinale, Mariette Rissenbeek, Geschäftsführerin, und Carlo Chatrian, künstlerischer Direktor © Jens Kalaene/dpa
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Das Leitungs-Duo der Berlinale, Mariette Rissenbeek, Geschäftsführerin, und Carlo Chatrian, künstlerischer Direktor | © Jens Kalaene/dpa Download (mp3, 6 MB)

Mit der Berlinale sonnt sich die Hauptstadt wieder einmal im Lichterglanz der Filmstars. Die großen Kinosäle füllen sich mit bis zu 1.800 Zuschauern. Es ist die letzte Berlinale für das Leitungsduo Mariette Rissenbeek und Carlo Chatrian. Bereits im Vorfeld sorgte das Filmfestival mit der Ausladung von AfD-Politikern von der Eröffnungsgala für Gesprächsstoff. Eröffnet wird die Berlinale am Potsdamer Platz mit dem Wettbewerbsfilm "Small Things Like These" von Tim Mielants. Insgesamt 230 Filme werden gezeigt, 20 Filme davon werden um den Goldenen und Silbernen Bären konkurrieren. Zu einem der Highlights dürfte sicher die Verleihung des Ehrenbären an Regisseur Martin Scorsese zählen.

Morgen geht's endlich los. Mit welchen Gefühlen gehen sie in ihre letzte Berlinale und wie viel müssen sie heute noch machen?

Rissenbeek: Ja, tatsächlich ist es noch ziemlich hektisch im Moment, weil wir einige kurzfristige Aktivitäten auf die Beine stellen und dann jemand krank wurde und jetzt ich Sachen übernehmen muss, die ursprünglich nicht gedacht waren. Also eigentlich kann ich mich noch nicht so richtig vorbereiten auf den Auftritt morgen auf der Bühne, wenn ich auch noch ein paar Worte zum Publikum sagen muss.

Das heißt, ihren Abschied haben sie jetzt noch gar nicht so richtig im Kopf?

Rissenbeek: Den habe ich noch gar nicht im Kopf, aber ich habe mir selber so ein kleines Abschiedsgeschenk vielleicht gemacht. In diesem Jahr werden wir elf Filme über Fußball und Inklusion zeigen, elf Porträts von Jugendfußballvereinen über ganz Deutschland verteilt und die 130 Jugendliche kommen alle nach Berlin und werden dann sich bei der Premiere ihren Film zum ersten Mal angucken und am nächsten Tag ein Workshop zum Thema Film machen. Und das ist einfach eine tolle, also für mich so ein tolles Abschiedsgeschenk, weil es einmal Jugend mit Kino und Festival verbindet und zum anderen Fußballvereine noch mal die Möglichkeit gibt, Kultur zu schnuppern.

Jetzt ist gestern die internationale Jury angekommen, heute wird sie vorgestellt und Sie persönlich haben ja dann auch zum ersten Mal die diesjährige Jury-Präsidentin getroffen, Lupita Nyong'o. Wie war Ihr Eindruck und was können wir dieses Jahr von der Jury erwarten?

Rissenbeek: Das ist immer sehr schwer, sowas im Vorfeld, glaube ich, von einer Jury zu sagen, weil die Jury dann am Ende doch auch ein Team ist, es sind sieben verschiedene Menschen und manchmal ist der eine oder andere, hat eine ganz klare Meinung zu was und kann die anderen nicht überreden oder doch überreden. Aber mein Eindruck ist natürlich von der Jury, so wie sie zusammengestellt ist, dass es auf jeden Fall eine sehr gesellschaftsbewusste Jury ist, die auch viele aktuelle Themen, die uns alle beschäftigen, sehr im Blick hat.

In den letzten Tagen ging es gar nicht so sehr ums Kino, sondern es ging um die Gästeliste und den Umgang mit der AfD. Nachdem Sie die Einladung erst verteidigt haben, haben Sie die AfD am Ende doch wieder ausgeladen. Jetzt mal im Rückblick betrachtet, haben Sie dem Thema mit dem Hin und Her vielleicht unnötig viel Aufmerksamkeit beschert oder würden Sie damit wieder genauso umgehen, wie Sie es getan haben?

Rissenbeek: Also die Entscheidung, die AfD tatsächlich auszuladen, war schon ein Prozess und der Prozess, den habe ich gemeinsam mit dem Team durchlaufen, weil die AfD schon seit vielen Jahren auf den Einladungslisten steht und auch in diesem Jahr darauf stand, haben wir das am Anfang nicht in Frage gestellt. Die AfD ist ja im Parlament vertreten. Das ist so dieses Dilemma, wie geht man damit um, wenn Parteienvertreter im Parlament sitzen und dann dazu auch gehörige Einladungen bekommen oder bekommen sollen. Die Diskussionen mit dem Team haben dann vor allem gezeigt, dass das Gefühl, eine Partei auf dem roten Teppich willkommen zu heißen, die eigentlich in den letzten Wochen sich so radikalisiert hat, dass sie quasi viele Menschen zurück in ihre Heimat schicken würde, die auch bei der Berlinale arbeiten, dass diese Diskrepanz in diesem Jahr als viel größer empfunden wurde als in den vorherigen Jahren, auch weil die AfD ebenso mit diesen extremen Haltungen auf sich aufmerksam gemacht hat in den letzten Wochen.

Und gehen Sie jetzt auch davon aus, dass alle AfD-Mitglieder wirklich zu Hause bleiben oder wird dann vielleicht doch jemand auftauchen und wie werden Sie damit umgehen?

Rissenbeek: Das kann ich natürlich nicht beurteilen, aber wir haben ja keine, also die AfD hat von uns keine Tickets dann bekommen für die Eröffnung, und wir würden sie natürlich dann doch abweisen, weil wir ja sie ausgeladen haben.

Sie haben in Interviews gesagt, dass die Berlinale mit dem Programm politisch Stellung beziehen würde, auch auf aktuelle Geschehnisse wie den Krieg in Nahost. Mit welchen Filmen wird das denn passieren?

Rissenbeek: Es gibt einen Film, "No Other Land", der über die Siedlungspolitik in Gaza davon handelt, der darüber spricht. Der Film ist gemacht worden von einem Kollektiv, zwei israelischen und zwei palästinenser Filmschaffenden und beschreibt deshalb auch für uns so die Situation. Es kann auch Hand in Hand gehen, es muss kein Konflikt entstehen, es können auch gemeinsame Wege gefunden werden und gerade ein Kollektiv mit zwei Israelis und zwei Palästinensern zeigt, dass auch Themen, die sicher kompliziert sind, aber auch gemeinsam gestaltet werden können.

74. Internationale Filmfestspiele Berlin © Claudia Schramke
Claudia Schramke, Berlin

Internationale Filmfestspiele Berlin - Berlinale 2024

Vom 15. Februar bis 25. Februar 2024 findet die 74. Berlinale findet statt. radioeins ist wieder als Berlinale-Radio mittendrin. Knut Elstermann meldet sich mit dem "Berlinale Talk" aus dem radioeins-Truck am Potsdamer Platz. Wir holen die Filmschaffenden in unser mobiles Studio.