Album der Woche - "All Born Screaming" von St. Vincent (Annie Clark)

"All Born Screaming" von St. Vincent
"All Born Screaming" von St .Vincent | © Virgin

St. Vincent: "Mit meiner neuen Platte, will ich die Leute richtig fertigmachen." "All Born Screaming" ist ihr am wenigsten lustigstes Album, kommentiert die New Yorkerin. Es geht um existenzielle Fragen und die Suche nach Antworten.

Spätestens seit dem Grammy für ihr 2015er Album hat eine breite Öffentlichkeit Annie Clark alias St. Vincent auf dem Zettel. Eine amerikanische Musikerin, die das Popmusikuniversum um einige kunstvolle Songs erweitert hat. Ihre ersten 5 Alben bezeichnet sie selbst als "konstruktivistische" Kunstwerke, bei denen jede Note und jedes Wort absichtlich mit akribischer Präzision platziert wurden. Der Höhepunkt war dabei "Masseduction", das von Machtstrukturen handelt. Dagegen wirkte "Daddy's Home", ihr Album von 2021, direkt laissez-faire. So, als wären die Songs ein spielerischer Ausflug in die Vergangenheit ins New York der 70er Jahre gewesen.


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"All Born Screaming" ist das erste Album, bei dem Annie Clark Kraft und Ausdruck ganz allein kanalisiert. Die erste Platte, die sie selbst allein produziert hat. Sie war on fire, um Bezug zum Bild auf dem Albumcover zu nehmen. "Ich musste allein mit mir selbst in einem Raum sitzen, drauflos singen, mit modularen Synthesizern herumspielen, Knöpfe drehen, Stromflüsse umleiten, und dann diese sechs Sekunden ausfindig machen, in denen alles passt – um daraus dann einen ganzen Song zu bauen. Ich habe bei meinen anderen Platten auch schon mitproduziert, aber dieses Mal wollte ich sowohl der allererste als auch der finale Filter sein, durch den das Material geht. Was auch bedeutet, dass ich mit all meinen Selbstzweifeln ganz alleine dasaß. Wie Bowie schon sagte: 'Wenn du das Gefühl hast, dass deine Füße den Boden nicht ganz berühren – dann bist du am richtigen Ort, um etwas Aufregendes zu tun.'"

Die wuchtige Leadsingle "Broken Man" handelt von Verlust, auch von Lust, wobei sich unsere angeschlagene Antagonistin in einer hoffnungslosen Lage befindet: "Lover nail yourself right to me / If you go I won’t be well / I can hold my arms right open / But I need you to drive the nail". Mit "Reckless" verliert sie daraufhin jeden Halt, wenn das Vergessen nach dem Verlust einsetzt und alles ausradiert, während das durchtriebene "Flea" das eigene Verlangen eher wie eine Seuche aussehen lässt. "Big Time Nothing" bewegt sich stolzierend über einen Catwalk – während von allen Seiten die ohrenbetäubenden Selbsthass-Attacken einprasseln. "Es gibt da dieses Gefühl: Ich will alles, weil ich nichts fühle", sagt Clark. "Ich bin beraubt. Ich bin verliebt. Aber ich will zugleich noch mehr Liebe.

"Wenn man mit einem Schrei zur Welt kommt, ist das doch ein gutes Zeichen"(All Born Screaming), gibt sie abschließend zu bedenken, "schließlich bedeutet es, dass man atmet. Dass man lebt. Wir alle kommen gewissermaßen protestierend auf die Welt. Es ist grausam, am Leben zu sein. Und es ist eine unfassbare Freude, am Leben zu sein. Es ist alles zugleich."

Tracklist

1 Hell Is Near
2 Reckless
3 Broken Man
4 Flea
5 Big Time Nothing
6 Violent Times
7 The Power’s Out
8 Sweetest Fruit
9 So Many Planets
10 All Born Screaming

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