Es ist aktuell vielleicht das größte Streitthema in der Popkultur: kulturelle Aneignung. Regelmäßig kommt es zu Aufregern, die die Debatte wieder anfeuern. Zum Beispiel als eine Musikerin wegen ihrer Frisur (Dreadlocks) von einer Fridays for Future-Veranstaltung ausgeladen wurde, mit dem Hinweis: Wenn sie ihre Dreadlocks abschnitte, sei sie willkommen. Oder als der Ravensburger Verlag die Auslieferung der Kinderbücher "Der junge Häuptling Winnetou" stoppte, als Reaktion auf Kritik aus dem Internet. Die Reproduktion rassistischer Stereotype über die Ureinwohner*innen Nordamerikas und kulturelle Aneignung wurde dem Verlag vorgeworfen. Und die Aufregung ist auf beiden Seiten groß.

Was ist verboten und was erlaubt? Und wer kann, soll und darf darüber entscheiden? Vor allem in der globalen Popkultur wird sich doch überall bedient, oder um es positiv zu formulieren: Es wird sich "inspiriert". Das kann dann auch kulturelle Anerkennung sein, oder? Jein. Als 2003 die US-amerikanische Essaysammlung zum Thema kulturelle Aneignung erscheint und die ganze Debatte anstößt, steckt die Antwort schon im Titel: "Everything but the Burden". Heißt im konkreten Fall der USA: Weiße nehmen sich alles, außer der Last, die damit verbunden ist. Blieben den Afroamerikaner*innen zwei Jahrhunderte Menschen- und Bürgerrechte, sowie ökonomische Teilhabe verwehrt, so ist ihr Einfluss auf die amerikanische Kultur - zum Beispiel in der Mode, der Musik und der Literatur – essenziell. Weiße bedienen sich einfach, verdienen beispielsweise mit Hip-Hop eine Menge Geld und Anerkennung, ohne den Nachteilen durch Diskriminierung ausgesetzt zu sein.
Das ist der Ausgangspunkt der Bewegung und Debatte um kulturelle Aneignung.

Das zum Beispiel Blackfacing rassistisch ist, vor allem, weil es auf die demütigende Darstellung von Schwarzen durch Weiße zurückgeht, sollte mittlerweile allen klar sein. Dass die gleiche Argumentation eben auch für einen Federkopfschmuck, den Kimono oder die Dreadlocks gilt, ist ganz offensichtlich noch nicht ausdiskutiert.

Wo verläuft die Grenze? Kann ich mich bei einer anderen Kultur bedienen, einfach weil ich etwas schön finde oder sehr schätze? Ist Lifestyle ohne Reflektion ok? Machen wir beim Karneval einen Unterschied zwischen Erwachsenen und Kindern? Kann man das selbstverständliche "Das hat früher auch keinen gestört!" einfach so stehen lassen? Und wenn ich weiß, dass eine Verkleidung oder Frisur diskriminierend ist, nutze ich diese dann trotzdem weiter?

Anderseits kann es doch nicht illegitim sein, eine bestimmte Frisur zu tragen, Bluesmusik oder Yoga zu machen? Gibt es denn überhaupt eine "ursprüngliche" Kultur und feste kulturelle Identitäten? Und werden mit einem kategorischen "Nein, das darfst du nicht machen" die Fronten weiter verhärtet? Wie kann ein Kompromiss aussehen?

Die Debatte darüber ist wichtig und wir wollen sie in „Die Weber“ mit Ihnen führen. Unser Thema am Freitag: "Dreadlocks, Yoga & Winnetou - Ist kulturelle Aneignung Wertschätzung oder Diskriminierung?" Was denken Sie zum Thema kulturelle Aneignung? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Die ganze Sendung zum Nachhören:



Voting: Ihr 6-jähriges Kind möchte zum Karneval ein "Indianer-Kostüm" tragen. Was sagen Sie?

Ja, geht klar. 83 %
Nein, nimm etwas anderes. 12 %
Bin mir nicht sicher. 4 %

Voting: Führt die Debatte um kulturelle Aneignung zu einem Umdenken bei Ihnen?

Ja. 18 %
Nen. 57 %
Teilweise 25 %

Die Weber
radioeins

Freitags | 10-13 Uhr - Die Weber

In unserer unendlich komplexen Welt wissen alle Bescheid und sagen gern ungefragt, wo's langgeht. Wo man hinschaut, überall und zu allem gibt es Expertinnen und Experten. Millionen Menschen sind die besseren Fußballtrainer, Paartherapeuten und Politikauskennerinnen. Nur Sie hat mal wieder keiner gefragt! Dabei sind Sie bestimmt auch ein Profi in einer ganz besonderen Disziplin des Alltags.