Bundesverkehrsminister Volker Wissing nennt es einen "großen Feldversuch". In den drei Sommermonaten vom 1. Juni bis 31. August 2022 kann jede und jeder – egal ob Abo schon vorhanden oder nicht – für 9 Euro pro Monat deutschlandweit im Nah- und Regionalverkehr fahren. Dazu zählen Linienbusse, Straßenbahnen, U-Bahnen, S-Bahnen und die 2. Klasse der Regionalzüge.

Das "ÖPNV-Sommermärchen" ist Teil des Entlastungspakets, mit dem die Ampel-Koalition auf die hohen Energiepreise reagieren möchte. Zugleich soll es ein Schnupperangebot sein, um mehr Kunden für Busse und Bahnen zu gewinnen. Jetzt befürchten einige aber schon, dass aus dem Sommermärchen schnell ein Alptraum werden könnte.

So warnen Verbraucherschützer vor Engpässen, denn die Anbieter öffentlicher Verkehrsmittel hätten nicht genügend Zeit, um Kapazitäten auszubauen und bessere Taktungen anzubieten. Mit Blick auf den ersten Härtetest (Pfingsten 04. bis 06. Juni.) erwartet der Chef der Eisenbahn- & Verkehrsgewerkschaft (EVG) Klaus Hommel direkt einen Tiefpunkt. Er spricht sogar von einer möglichen "Überlastung des Systems bis hin zum Stillstand."

Und selbst wenn wir die vollen Busse und Bahnen zu den touristischen Stoßzeiten ausklammern, bleibt die Sinnfrage: Was bringt günstiger ÖPNV für drei Monate? Die Abonnentinnen und Abonnenten werden sich über Rückzahlungen freuen, ok. Aber werden Menschen auf den Nahverkehr umsteigen und dabei auch im Herbst bleiben? Ist dieser "Feldversuch" denn in den Sommerferien überhaupt sinnvoll, wenn wir doch den Anreiz zum Umsteigen im Alltag setzen wollen? Und mit Blick auf die Kosten (ca. 2,5 Milliarden Euro Regionalisierungsmittel allein für das 9-Euro-Ticket) könnte das auch ein milliardenschweres Strohfeuer werden.

Oder ist das zu pessimistisch? Sollte der Versuch allein schon gewürdigt werden und wer weiß: Vielleicht gibt es hier einen wichtigen Impuls bei der Mobilitätswende? Vielleicht auch die Erkenntnis: Wer bei dem Angebot nicht den ÖPNV nutzt, der kann (über finanzielle Anreize) überhaupt nicht für den Nahverkehr gewonnen werden.

Darüber wollen wir diskutieren. Was halten Sie vom 9-Euro-Ticket? Kaufen Sie sich eins? Planen Sie vielleicht sogar einen Ausflug damit? Wie könnten attraktive Folgeangebote aussehen? Können Abofahrkarten überhaupt weiterhin übertragen werden, oder muss ich als Familienmitglied, das bisher mitgefahren ist, jetzt ein zusätzliches Ticket kaufen?

Die Weber vom 20. Mai 2022 zum Nachhören:



Voting: Was halten Sie vom 9-Euro-Ticket?

Finde ich gut 72%
Keine gute Idee 26%
Ist mir egal 2%

Voting: Werden Sie durch das 9-Euro-Ticket den ÖPNV mehr nutzen?

Ja, definitiv 62 %
Nein 33 %
Weiß ich noch nicht 5 %

Die Weber
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Freitags | 10-13 Uhr - Die Weber

In unserer unendlich komplexen Welt wissen alle Bescheid und sagen gern ungefragt, wo’s langgeht. Wo man hinschaut, überall und zu allem gibt es Expertinnen und Experten. Millionen Menschen sind die besseren Fußballtrainer, Paartherapeuten und Politikauskennerinnen. Nur Sie hat mal wieder keiner gefragt! Dabei sind Sie bestimmt auch ein Profi in einer ganz besonderen Disziplin des Alltags.