Kaskelstraße - Die Straße der Besten

Kaskelstraße - Straße der Besten
Kaskelstraße - Straße der Besten | © radioeins

„Die Kaskelstraße ist ein Dorf, in dem jeder jeden kennt“, sagen die Kaskel- Bewohner selbst. Sie lieben ihre Straße für die entspannte Atmosphäre. Alteingesessene und Künstler, aber auch immer mehr Studenten und junge Familien sind hier zu Hause. Ein paar Gesichter der Straße können Sie hier genauer kennenlernen...

Mister Pedalpower

Michael Schönstedt kam 1990 aus dem Wedding in den Kaskelkiez. In den Anfangsjahren wollten Freunde nicht zu Besuch kommen, es war einfach nichts los in der Gegend und vieles war sehr runter gekommen. Schönstedt sah aber Potential, wo andere nur Probleme erkennen konnten, baute eine alte Schlosserei zu einer Produktionsstätte für Lastenfahrräder um und hatte Erfolg damit. Zwei Jahre arbeitete er außerdem mit anderen an der Renovierung eines Altbaus, schuf sich so die eigenen vier Wände.

Mister Pedalpower Michael Schönstedt in der Kaskelstraße © radioeins/Hoelzen
Mister Pedalpower Michael Schönstedt in der Kaskelstraße © radioeins/Hoelzen

Die Entwicklung seines Kiezes sieht er mit gemischten Gefühlen, einerseits freut er sich, dass die Gegend keine „Schmuddelecke“ Berlins mehr ist, aber andererseits findet er es traurig, dass ausgerechnet diejenigen, die diesen Kiez zu neuem Leben erweckt haben, es sich inzwischen nicht mehr leisten können, hier zu wohnen.

Kristina Feix, Schauspielerin und Regisseurin

Der Kuhgraben war in früheren Zeiten ein Abwasserrinnsal, das in die Rummelsburger Bucht mündete. Von den vielen Kuhställen, die in ländlicheren Zeiten hier standen, ist einer übrig geblieben und zu einem Theater umgebaut worden. Kristina Feix betreibt hier das Kranewit-Theater in der Remise der Kaskelstrasse 51.

Nach der Ausbildung an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch machte sie sich auf die Suche nach schlichten Erzählformen, experimentierte mit Figuren. Außerdem baut sie gerne in Gruppen Großfiguren, Zille, die Queen Victoria, Bolle, Herrn Rummel sind schon unter ihrer Anleitung entstanden. 2009 beim Karneval der Kulturen wurden die sogar prämiert.

Die Remise entwickelte sich zum Treffpunkt für viele Darsteller, auch der Puppenspieler René Marik mit seinem blinden Maulwurf kennt diesen Ort.

Stefan Albrecht, Restaurantbetreiber

Stefan Albrecht, Restaurantbetreiber des „Je Länger Je lieber“ in der Kaskelstraße 49, hat hier 2002 ein Hausprojekt angefangen, die meisten Teilnehmer wohnten vorher in Friedrichshain. Ein Haus ausgerechnet in Lichtenberg stand eigentlich nicht auf ihrem Wunschzettel. Doch dann wurden sie in der Kaskelstraße fündig.

Acht Berufsanfänger, Studenten und Geringverdiener schafften es, mit viel Überredungskunst, eine Bank von ihren Plänen zu überzeugen. Das Haus hat 18 Wohneinheiten und der ursprüngliche, sozialverträgliche Plan war: Immer wenn was frei wird, dann rutscht einer der acht rein. So sollte Verdrängung vermieden werden. Doch dann ging alles ganz schnell,  das gesamte Areal wurde zum Sanierungsgebiet erklärt, es gab Kredite für umfangreiche Baumaßnahmen, neue Fenster, neue Heizung, Wasser, Wärmedämmung.

Ganz fertig ist Stefan Albrechts Haus  immer noch nicht. Der Balkon kommt erst in diesem Jahr, auch Klingel und Wechselsprechanlage fehlen noch.

Die Entwicklung im Kiez beobachtet Stefan Albrecht mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Als Gastronom profitiert er, aber als Anwohner ist er geschockt, dass immer mehr Cabrios und 1000-Euro-Kinderwagen durch die Straße heizen.

Gerhard Wiedemann, Bogenbauer

Als gelernter Elektriker landet er durch die Faszination für Holz beim Bogenbau. Auf dem ehemaligen Bahngelände der heutigen BLO-Ateliers führt Gerhard Wiedemann in diese Kunst ein, der während seiner Ausbildung zum Arbeitstherapeuten vor sechs Jahren zum traditionellen Holzbogenbau kam. „Mich fasziniert vor allem der Baum“, sagt Wiedemann.

In seiner Werkstatt „Baum und Bogen“ verarbeitet der gebürtige Allgäuer Esche und Robinien zu Langbögen. Symmetrie und Kraft des Baums sollen später wiedererkennbar sein, wenn aus einem steifen Stück Holz ein flexibler Bogen wird. Beim intuitiven Bogenschießen geht es nicht nur darum, ins Schwarze zu treffen, sondern vor allem um Körper- und innere Haltung. So lernt man, sich in der Anspannung gleichzeitig zu entspannen, um ans Ziel zu gelangen.

Weitere Informationen unter www.baum-und-bogen.de

Die Tuchollas

Am Haus Kaskelstraße 41 wurde in den 1950er Jahren eine Gedenktafel für das Ehepaar Käthe und Felix Tucholla angebracht, die hier gewohnt haben.

Käthe Tucholla arbeitete als Sekretärin und spielte Hockey bei Sparta Lichtenberg.  Hier lernte sie den Fußballspieler Felix Tucholla, ihren zukünftigen Ehemann, kennen. Felix Tucholla war aktiv in der Kommunistischen Partei Deutschlands, beide wurden Mitglied der „Kampfgemeinschaft für Rote Sporteinheit“.

Als die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kamen, beteiligten sich Käthe und Felix Tucholla an einer antifaschistischen Widerstandsgruppe, organisierten Quartiere für verfolgte Antifaschisten. 1942 wurde Käthe Tucholla von der Gestapo in ihrer Wohnung in der Kaskelstraße 41 verhaftet und eingesperrt, wenig später auch ihr Mann. Beide wurden 1943 im Strafgefängnis Berlin-Plötzensee hingerichtet.

Miriam Sachs

Wenn man im Kaskelkiez auf Heinrich von Kleist stößt, dann hat vermutlich Miriam Sachs die Finger mit im Spiel. Sie schreibt Romane, Jugendbücher und Essays; und fühlt sich sichtlich wohl in der ehemaligen Victoriastadt. Ihre Auseinandersetzung mit den Stücken ihres Lieblings-Klassikers Heinrich von Kleist auf dem Theater führte zwangsläufig dazu, dass Kleist sich sozusagen in ihrer gesamten Wohnung breit machte: Überall stapelte sich Recherchematerial. Von da war es nur noch ein kleiner Schritt dazu, den Dichter gleich leibhaftig durch den Kiez laufen zu lassen, 2010 erschien der Roman “Kleist in meiner Küche”.

Miriam Sachs nutzt die am Ende der Kaskelstraße liegenden BLO-Ateliers für ihre Theaterarbeit, freut sich über das Netzwerk von Künstlern, das man hier vorfindet, beobachtet die Verdrängungsprozesse, die hier inzwischen stattfinden, aber mit großer Skepsis: “Wenn die Nischen hier in der Gegend verschwunden sind, dann ist das für mich uninteressant, dann bin ich hier weg!”