The Final Countdown - Fünf nach Zwölf: Die Zahlen der Stunde

Fünf nach Zwölf: Die Zahlen der Stunde
Fünf nach Zwölf: Die Zahlen der Stunde | © IMAGO/Modis Noaa/Noaa

Bis 2030 haben wir noch Zeit, unsere Treibhausgas-Emissionen um 45 Prozent von dem Niveau von 2019 zu senken. Aktueller Stand: Hochgradig beunruhigend. Wir sprechen mit Experten, Wissenschaftlern und Journalisten, woran das liegt und was wir noch tun können.

Biomasse


87 Prozent aller Ozeane der Erde und - die Antarktis ausgenommen - 70 Prozent der Landmasse wurden bereits durch uns Menschen verändert. Dadurch sind bereits 83 Prozent Biomasse wildlebender Tiere und 50 Prozent der Biomasse an Pflanzen verloren gegangen. Dafür hat der Mensch inzwischen genauso viel an Masse, wie die Natur produziert. Allein das bisher produzierte Plastik wiegt doppelt so viel wie alle existierenden Tiere.


Artensterben


96 Prozent der derzeitigen Biomasse an Säugetieren entfällt auf den Menschen und seine Nutztiere. Dafür steigt die Anzahl der vom Aussterben bedrohten Arten so schnell wie noch nie. 150 Tiere und Pflanzen sterben derzeit jeden Tag auf der Welt aus. Das sind über 1000 in der Woche - 55.000 im Jahr. Die Aussterberate ist bis zu 100 mal höher als im Durchschnitt der letzten zehn Millionen Jahre.


CO2-Verbrauch Deutschland


1,5 Grad ist die magische Zahl, die über allem steht. Warum? Überschreitet die Erderwärmung diesen Wert, werden Kipppunkte erreicht, die die Erwärmung irreversibel beschleunigen. Trotzdem ist der CO2-Verbrauch in Deutschland 2021 im Vergleich zum Vorjahr wieder gestiegen.


Treibhauseffekt


Seit dem Beginn der Industrialisierung hat die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre um 50 Prozent zugenommen. Die CO2 Konzentration liegt somit höher als in den letzten 800.000 Jahren. Bei Methan beträgt die Zunahme 250 Prozent. Und da die Treibhauswirkung von Methan gleich 25mal so stark wie bei CO2 ist, sind die Effekte auf das Klima entsprechend dramatisch.


Fossiler Kapitalismus


Die Verantwortung für die CO2-Emissionen ist keineswegs gleich verteilt. Anfang des 21. Jahrhunderts verursachten die reichsten sieben Prozent der Weltbevölkerung 50 Prozent der CO2-Emissionen, die ärmsten 45 Prozent verursachten nur sieben Prozent der CO2-Emissionen. Eine Tendenz, die anhält: Gerade einmal 100 Firmen sind direkt verantwortlich für 71 Prozent der weltweiten Emissionen.

Die Abhängigkeit der Menschheit von fossilen Brennstoffen ist ein Produkt des Aufstiegs des "fossilen Kapitalismus", wie der Ökologe Andreas Malm es nennt.


Planetare Belastungsgrenze für Schadstoffe überschritten


Die planetare Belastungsgrenze für Schadstoffe ist überschritten. Die Menschheit setzt inzwischen so viele synthetische Substanzen frei, dass dies die Stabilität des Erdsystems gefährdet. Seit 1950 ist die Produktion von Chemikalien um das 50fache gestiegen. Bis 2050 wird sich dieser Wert voraussichtlich noch einmal verdreifachen.

Zu diesen neuartigen Substanzen zählen verschiedene chemische Produkte, darunter gehören Kunststoffe, Pestizide, Industriechemikalien, Chemikalien in Konsumgütern, Antibiotika und andere Pharmazeutika. Von den rund 350.000 chemischen Substanzen, die es derzeit auf der Welt gibt, lassen sich bisher nur für wenige genau quantifizierbare Grenzwerte festlegen. Forscher*innen plädieren für feste Obergrenzen für Produktion und Freisetzung.


Plastiktüten-Müll


Jedes Jahr produzieren Menschen weltweit über 400 Millionen Tonnen Kunststoffe, Tendenz steigend. Aus dem Großteil entstehen Verpackungen und Einwegprodukte, die weniger als fünf Minuten lang in Gebrauch sind. Etwa die Hälfte Kunststofferzeugnisse landet nach weniger als einem Monat im Müll – und davon gelangt wiederum ein Großteil vom Land aus in die Ozeane, neun Millionen Tonnen Plastik insgesamt, jedes Jahr.

Und noch immer gehen jährlich bis zu 3,8 Milliarden umweltschädliche Plastiktüten über deutsche Ladentheken. Und das obwohl wir ein Einweg-Plastiktütenverbot haben. Drogeriemärkte und Supermarktketten machen die Tüten einfach dicker und drucken "mehrfach verwendbar" drauf.


Lebensmittelverschwendung


Weltweit geht pro Jahr etwa ein Drittel der Lebensmittel auf dem Weg vom Feld bis zum Teller verloren. Obwohl gleichzeitig etwa 800 Millionen Menschen unter Hunger leiden.

Auch Verbraucher*innen können einen Beitrag leisten. Viel zu oft werfen wir genießbare Lebensmittel weg, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht oder überschritten ist. In Deutschland betrifft das jedes achte Lebensmittel. Dabei könnten wir einen Teil davon noch problemlos verzehren.

Jährlich entstehen durch Lebensmittelverschwendung mehr als 38 Millionen Tonnen Treibhausgase zusätzlich. Zudem werden für den Anbau von Lebensmitteln, die im Müll landen, weltweit gut 43.000 Quadratkilometer landwirtschaftlicher Fläche vergeudet und 216 Millionen Kubikmeter Wasser verbraucht. Um die strengen Vorgaben des Handels an das Aussehen und die Größe von Obst und Gemüse zu erfüllen, setzen viele Landwirt*innen umweltschädliche Pestizide ein.


Umweltschädliche Subventionen


Jährlich gibt der Staat in Deutschland 65 Milliarden Euro für umweltschädliche Subventionen aus. Dabei entfallen auf den Energiesektor 25 Milliarden, auf den Verkehrssektor 30 Milliarden und auf den Landwirtschaftssektor etwa sechs Milliarden Euro.

Beispiele sind eine geringere Energiesteuer für Agrardiesel und die Kraftfahrzeugsteuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge. Private Nutzung von Dienstwagen bezuschusst der deutsche Staat mit mindestens drei Milliarden Euro pro Jahr. Dazu gehören auch eine Kerosinsteuerbefreiung auf inner- und außereuropäische Flüge und niedrige Mehrwertsteuer auf Fleisch und andere tierische Produkte.


Die Emissionen der Superreichen


Milliardär*innen stoßen jährlich oft das Tausendfache dessen aus, was durchschnittliche Erdenbewohner*innen ausstoßen. Zentral dabei sind: Superjachten mit fester Crew, Hubschrauberlandeplätze und U-Boote. Ganz vorn dabei: Der Ölmilliardär Roman Abramowitsch. Seine Jacht produziert jährlich so viel Treibhausgase wie ein durchschnittlicher Deutscher in etwa 3.700 Jahren produzieren würde.

Hätte ein durchschnittlicher Deutscher 50 Leben, würde er also so viel CO2 produzieren, wie Abramowitschs Jacht in einem Jahr.