Alles andere als pille-palle - Kinderbücher über den Tod
Vorgestellt von Wiebke Keuneke
Der Tod ist ein Thema, das sogar von Erwachsenen oft als unfassbar, unbegreifbar, vielleicht sogar als unfair wahrgenommen wird. Wenn ein Kind in Trauer ist, trauert wahrscheinlich auch ein nahestehender Erwachsener gleichzeitig. In dieser Zeit der Sprachlosigkeit helfen Menschen wie Birgit Scheffler. Sie ist nicht nur Bestatterin sondern auch so genannte Familienbegleiterin.
Wichtig ist, dass man Kinder in ihrer Trauer ernst nimmt und ehrlich mit ihnen ist. Was manchmal für die Angehörigen gar nicht so einfach ist, denn Kinder trauern anders als Erwachsene, wie Birgit Scheffler erklärt. Wenn Kinder keine Antworten auf ihre Fragen erhalten, dann füllen sie ihre Wissenslücken mit eigenen Erklärungen.
Bücher:
Geht Sterben wieder vorbei?
Antworten auf Kinderfragen zu Tod und Trauer
von Mechthild Schroeter-Rupieper und Imke Sönnichsen
Gabriel Verlag, 32 Seiten, 14 €
Weil du mir so fehlst
von Ayse Bosse und Andreas Kammt
Carlsen Verlag, 64 Seiten, 14,99 €
Einfach so weg
Dein Buch zum Abschiednehmen, Loslassen und Festhalten
von Ayse Bosse und Andreas Klammt
Carlsen Verlag, 176 Seiten, 15 €
Das Gespräch zum Nachlesen
Sophia Wetzke: Du stellst in Deiner Rubrik Kinderbücher vor, die sich mit Themen beschäftigen, die - wir haben es gehört - alles andere als pille-palle sind. In der ersten Folge geht es heute um: den Tod.
Wiebke Keuneke: Ja, der Tod ist ja ein Thema, was sogar für Erwachsene oft unfassbar, unbegreifbar, vielleicht sogar als unfair wahrgenommen wird. Dazu kommt, dass, wenn ein Kind in Trauer ist, wahrscheinlich ein nahestehender Erwachsener auch gleichzeitig trauert. In dieser Zeit der Sprachlosigkeit helfen Menschen wie Birgit Scheffler. Sie ist nicht nur Bestatterin sondern auch so genannte Familienbegleiterin. Und meine heutige Expertin.
S.W: Dann legen wir mal los, was ist denn einer der wichtigsten Aspekte, wenn es um trauernde Kinder geht?
W.K: Dass man Kinder in ihrer Trauer ernst nimmt und ehrlich mit ihnen ist. Was manchmal für die Angehörigen gar nicht so einfach ist, denn: Kinder trauern anders als Erwachsene, erklärt Birgit Scheffler:
Kinder sind einfach total wissbegierig in dieser Situation wie in vielen anderen Situationen auch. Und sie wollen ganz genau wissen, was passiert eigentlich bei einem Menschen, wenn er stirbt? Was passiert im Körper? Was passiert mit der Seele oder mit dem Menschen an sich? Und was passiert danach? Wo geht dieser Körper hin und was sind dann die Abläufe? Während wir Erwachsene oft so in ihn in Konventionen denken und in dem, wie man sich zu verhalten hat.
W.K.: Das kann zu Problemen führen, wenn Erwachsene den Tod vermeintlich sanft erklären wollen. Opa ist eingeschlafen, Oma ist auf ihre letzte Reise gegangen. Kinder verstehen diese Metaphern nicht, sie können nicht abschließen, weil sie immer auf Omas Rückkehr warten oder im schlimmsten Fall entwickeln sie richtige Schlafstörungen, weil sie panischen Angst vorm Einschlafen haben. Deswegen legt Birgit Scheffler auch großen Wert darauf:
Was ich immer mache in meiner Arbeit, ist, dass ich ganz konkret, wirklich sachlich, kindgerecht aber sachlich erkläre, was passiert ist. Das Herz hat aufgehört zu schlagen, das Blut wird dadurch nicht mehr durch den Körper gepumpt und das Blut ist das, was uns auch warm hält. Und dadurch wird der Körper auch kalt. Das ist z.B. eine Erklärung, die ich Kindern gebe.
S.W.: Das klingt aber super hart und emotionslos, wie soll das denn Kindern helfen?
W.K.: Wenn Kinder keine Antworten auf ihre Fragen erhalten, dann füllen sie ihre Wissenslücken mit eigenen Erklärungen. Und das führt dann z.B. dazu, dass ein Kind dem aus Rücksicht nicht erklärt wurde, das der tote Opa im Sarg kremiert, also verbrannt wird, dann später bei der Trauerfeier entsetzt fragt, ob dem Opa alle Knochen gebrochen worden sind damit er in die Urne passt. So passiert.
S.W.: Tatsächlich schrecklich, aber ist es so viel besser, zu erzählen, dass der Opa bei fast 1000 Grad verbrannt wurde?
W.K: Damit komme ich mal zur ersten Buchempfehlung: Das Buch „Geht sterben wieder vorbei?“ von Mechthild Schotter-Raupieper bedient genau diese kindliche Wissbegierde, es erklärt nämlich ganz genau, was in jedem Schritt wirklich passiert und es geht auch ein auf Fragen, die Kinder typischerweise stellen. Zum Beispiel „warum wäscht man einen toten Menschen“, wie tief ist das Grabloch, wird der Sarg von Würmern angeknabbert, kann man traurig sein und gleichzeitig lachen, oder halt „tut es dem toten Menschen weh, wenn er verbrannt wird“.
Meine Expertin, die Familienbegleiterin Birgit Scheffler, ist begeistert von dem Buch, weil die Autorin tolle Bilder findet, die Kinder gut verstehen können. Wie z.B. der Handschuh:
„mit dem Handschuh erklärt sie das so, dass du den Handschuh über die Hand rüberziehst und dann kannst du natürlich mit der Hand jemanden kitzeln, du kannst Bewegungen machen, die Hand ist warm, man kann sie streicheln, da ist eben Leben drin und wenn man den Handschuh auszieht und da eben hinlegt, da passiert da nichts mehr, man kann die Finger verknoten, man kann reinpicksen, es tut auch niemanden weh während, wenn man den Handschuh anhatte natürlich, darf man nicht verknoten oder reinpieksen und so wird Kindern klar, dass der verstorbene Körper, diese Hülle eben ist, wie der leere Handschuh und das Leben, was man kannte, rausgegangen ist.“
W.K: Und so kann man Kindern auch gut erklären, dass das Einäschern/das Verbrennen dem Körper nicht weh tut, weil es halt nur noch der leere Handschuh ist.
S.W: Du hast ja auch noch ein zweites Buch dabei, wie heißt das?
W.K.: Bei dem zweiten Buch handelt es sich eigentlich um zwei Bücher. Beide von der gleichen Autorin: Ayse Bosse. Die Frau des Sängers Bosse. Das Buch „Weil Du mir so fehlst“ richtet sich eher an Vorschul- und Grundschulkinder und das „Buch „Einfach so weg“ ist für Teenager gedacht. Birgit Scheffler empfiehlt diese Bücher sehr gerne Familien, weil:
„…die beide sozusagen interaktiv sind, das heißt die Kinder können selber darin malen, sie können schreiben, ihnen wird nicht nur was erzählt über den Tod, über die Trauer und über das Sterben. Sie können selber ihre eigenen Gedanken und Gefühle dazu auf verschiedene Fragen beantworten, reinmalen und reinschreiben. Das heißt man kommt aus einer Passivität raus und wird wieder aktiv und das ist so ein ganz wichtiger Punkt in der Trauerbegleitung.“
W.K.: In dem Buch wird dann empfohlen sich so etwas wie einen Brülleimer zuzulegen, wann immer man sich danach fühlt, kann man den Eimer nehmen und alles hineinbrüllen, die schlimmsten Schimpfwörter, hier ist alles erlaubt, denn manchmal - so heißt es da, „werde ich auch tierisch wild und wütend, weil du mir so fehlst.“ Ayse Bosse spricht auch von „Trauerpfützen“, in die Kinder rein- und wieder rausspringen. Beim Trauern ist dann jedes Gefühl und Verhalten erlaubt. Und in den Trauerpausen sind Kinder oft ganz normal fröhlich und lachen. Und das ist auch gut so.
Und Kinder machen das ganz intuitiv völlig richtig. Und manchmal sind wir Erwachsene aber ein bisschen mehr befremdet, wenn Kinder auf einer Trauerfeier rumrennen und fangen, spielen und lachen. Das ist aber eigentlich sehr gesund, weil es ein Schutzmechanismus ist der eigenen Seele, weil es einfach zu hart ist, die ganze Zeit traurig zu sein.
S.W.: Also es klingt so logisch, aber in Ausnahmesituationen wie beim leider oft noch Tabuthema Tod: man soll Kinder in ihrer Trauer ernst nehmen, auf ihre Fragen möglichst sachlich die Wahrheit sagen, inwieweit kann oder sollte man sie noch in die einzelnen Schritte bis zur Beerdigung miteinbeziehen?
W.K.: Theoretisch kann man die Kinder in alle Schritte miteinbeziehen - wichtig ist nur, dass man sie immer auf das vorbereitet, was gleich passiert und was sie sehen werden. Sie können helfen die Verstorbene zu Hause abzuholen, sie können den toten Menschen mit in den Sarg reinlegen, sie können Bilder, Blumen, Kuscheltiere dazulegen, sie können den Sarg mitbauen oder anmalen, sie können sogar dabei sein, wenn der oder die Verstorbene gewaschen und angezogen wird.
„Ich würde nie ein Kind dazu zwingen, logisch. Aber das tut man auch nicht. Aber die meisten Kinder sind eben sehr neugierig und kommen mit. Ich habe schon wunderbar mit einer Fünfjährigen die Fingernägel von der Oma noch lackiert, weil das für sie so prägnant war, dass sie genau wusste die Oma hatte immer diese roten Fingernägel und die mussten wir dann noch zusammen lackieren. Und sie? Meine Erfahrung ist, dass Kinder dann einfach wirklich anfassen, berühren, feststellen, dass die Haut kalt ist und viele Fragen stellen, während das nochmal ansehen, es nochmal anfassen, nochmal streicheln.“
W.K. Tja und dann bleibt die große Frage, ob „es jemals wieder gut wird“. Anfangs scheint das für Trauernde, und da ist es egal ob Kinder oder Erwachsene noch unvorstellbar. Aber - und da sind sich alle drei Frauen, die ja alle drei Trauerbegleiterinnen sind, einig, ja, wenn die Trauer ausgelebt und nicht verdrängt wird, wird es wieder gut, anders gut als vorher, aber gut.