Wissen - Denken - Meinen - Rundfunkbeitrag: Sachsen-Anhalt blockiert Erhöhung

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Wenn das Beitragsplus von monatlich 86 Cent zum 1. Januar nicht kommen sollte, geht die ARD davon aus, dass Einschnitte beim Programm nötig werden | © imago images/Future Image Download (mp3, 6 MB)

Sachsen-Anhalt hat die Erhöhung des Rundfunkbeitrags vorerst stoppt. Ministerpräsident Haseloff hatte gestern den Gesetzentwurf zum Staatsvertrag zurückgezogen. Weil alle 16 Ländern den Vertrag ratitifizieren müssen, fällt eine Beitragserhöhung zum 1.1.2021 aus. Die Regierungskoalition aus CDU, SPD und Grünen hatte seit Wochen um eine einheitliche Position bei dem Thema gerungen.

Eigentlich sollte der Rundfunkbeitrag, den wir alle zahlen, um Programme wie dieses zu hören, am 1. Januar 2021 von 17,50 Euro auf 18,36 Euro pro Haushalt und Monat steigen. Darauf hatten sich im Juni die 16 Ministerpräsident*innen der Länder geeinigt. Nur die Landtage mussten noch zustimmen. 15 haben das schon getan oder angekündigt, es zu tun. Sachsen-Anhalt nicht.

Die Fraktionen von AfD und CDU sind gegen die geplante Erhöhung. Die CDU riskierte dafür gar den Bruch der Regierungskoalition aus Union, SPD und Grünen. Gestern hat Reiner Haseloff, CDU-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, die Notbremse gezogen und seine Zustimmung zum Medienänderungsstaatsvertrag zurückgezogen. Das heißt: Keine Abstimmung im Magdeburger Landtag und keine Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Zumindest erstmal.

Die öffentlich-rechtlichen Sender ziehen wegen der Blockade aus Sachsen-Anhalt vor das Bundesverfassungsgericht. Das haben ARD, ZDF und das Deutschlandradio gestern angekündigt.

Wie konnte es dazu kommen und was lehrt uns das? Es kommentiert Jürn Kruse, Redaktionsleiter bei Übermedien.de.

Wie konnte es so weit kommen?

Es besteht ein grundsätzliches Dilemma beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Jede Zuschauerin oder Zuhörerin will, dass er so ist, wie er oder sie sich das wünscht. Denn ich und Sie und er und die da – alle zahlen schließlich dafür. Aber so ist er natürlich nie. Und deswegen sind einige unzufrieden. Das ist bei den Ländern und ihren Parlamenten nicht anders: Alle fordern Einsparungen, aber doch nicht bei dem Landesstudio in unserem schönen Bundesland! Und wenn doch investiert werden soll, dann bei uns! Das ist nicht erst seit gestern so. Schon Adenauer wollte einen öffentlichen Rundfunk nach seinem Gusto durchdrücken. Gestoppt wurde er vor 60 Jahren – genau – vom Bundesverfassungsgericht. Und da geht es nun also wieder hin.

Ein politischer Erfolg für die AfD. Ohne in irgendeinem Land mitzuregieren, hat sie es geschafft, die Beitragserhöhung zu stoppen. Das geht natürlich nicht ohne Hilfe aus der Regierung – und in diesem Fall hat sie die bekommen. Von der CDU in Sachsen-Anhalt. Aber: Es wird mit hoher Wahrscheinlich kein Sieg von Dauer sein. Und eine immer wieder gehörte Forderung der Gegner der Beitragserhöhung, dass die Parlamente mehr sein müssten als nur Abnicker des Staatsvertrags, wird sich auch nicht erfüllen. Im Gegenteil. Nun wird das Bundesverfassungsgericht über den Beitrag entscheiden. Und das machte immer wieder ganz deutlich, was nicht geht: die Finanzierung an inhaltliche Vorgaben zu knüpfen. Denn das würde schließlich zu genau dem führen, was AfD und Teile der CDU in Sachsen-Anhalt dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer vorhalten: Wenn die Politik die Höhe der Beiträge an inhaltliche Bedingungen knüpfte, würde der öffentlich-rechtliche Rundfunk tatsächlich zum Staatsfunk.

Vermutlich deswegen gibt es von der CDU-Fraktion ja auch noch eine zweite Begründung für ihr Nein zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags: die Corona-Pandemie. Denn die Beitragsempfehlung wurde schließlich im Februar, also vor den ersten Kontaktbeschränkungen ausgegeben. Nun würde es vielen Menschen und Betrieben wirtschaftlich schlechter gehen. Also habe sich die Grundlage geändert.

Und gehen hier bei Radioeins jetzt die Lichter aus?

Das kommt darauf an, wie schnell das Bundesverfassungsgericht entscheidet.
2004, als zuletzt gegen die Höhe des Rundfunkbeitrags geklagt wurde, entschied das Bundesverfassungsgericht erst drei Jahre später. Zwar zugunsten der Öffentlich-Rechtlichen: Die Art der Festsetzung der Gebühr war verfassungswidrig. Aber auf eine sofortige Erhöhung des Beitrags wurde verzichtet. Das heißt: Den Sendern fehlte damals und wird jetzt wieder übergangsweise Geld fehlen, das eingeplant war. Und kurzfristig sparen können die Rundfunkanstalten nur am Programm.

Von den Kosten, die aber tatsächlich gesenkt werden müssten – der sehr große Apparat dahinter, die Ausgaben für die Versorgung von Pensionären – kommt man nicht kurzfristig runter. Das dauert. Und bleibt eine Belastung. Eine Belastung, die sich auch in den großen Reformen widerspiegelte, die ARD und Co. mit der Politik in den letzten Jahrzehnten auf den Weg brachten. Es wurde sehr viel Kraft investiert, um dafür zu werben, wie dieser Rundfunk finanziert, wie er abgesichert werden soll. Woher die acht MilliardenEuro pro Jahr kommen sollen. Von Strukturreförmchen abgesehen, sollte das System selbst aber so bleiben wie es ist. Und das in einer Welt, in der den Medien in den letzten zwei Jahrzehnten mal ordentlich die Zehennägel auf links gedreht wurden – mit allen damit verbundenen Schmerzen.

Der Schnelldurchlauf: Digitalisierung, Internet, Mobilfunk, große Tech-Konzerne, Streaminganbieter, Werbefinanzierung bricht weg, und so weiter. Was für einen von allen finanzierten Rundfunk wollen wir? Was brauchen wir? Unter diesen Umständen. So wie die Welt jetzt ist.

Das muss die Grundlage sein – und nicht irgendein gerade bestehender Staatsvertrag oder die Rückendeckung des Bundesverfassungsgerichts. Und das muss jetzt diskutiert werden. Nicht erst in vier Jahren. Es muss jetzt entschieden werden, was in den Einkaufswagen kommt – und dann darf auch nicht gequengelt werden, wenn an der Kasse der Preis genannt wird.